Das Obergericht Schaffhausen befasst sich heute Dienstag mit dem Mordvorwurf gegen eine 28-jährige Frau. Vor einem Jahr verurteilte das Kantonsgericht sie wegen der Ermordung ihres Vaters zu einer Freiheitsstrafe von 16,5 Jahren. Die Beschuldigte weist die Vorwürfe zurück.
55 Messerstiche hatten die Rechtsmediziner am Leichnam des 56-jährigen Mannes festgestellt. 49 davon wurden der Beschuldigten zugerechnet. Sie waren von hinten und seitlich ausgeführt und trafen in Hals und Nacken.
Die Kantonsrichter sprachen denn auch von einer gezielten, brutalen Tat. Während die Tochter auf den Vater einstach, habe sie gar noch die Hand gewechselt, um weitermachen zu können. Die junge Frau sei gefühllos, brutal, kaltblütig und hemmungslos vorgegangen.
Mit seinem Strafmass ging das Gericht noch über den Antrag der Anklage hinaus. Der Staatsanwalt hatte eine 15-jährige Freiheitsstrafe verlangt. Die Verteidigung hatte beantragt, die Beschuldigte sei vom Vorwurf des Mordes freizusprechen.
Wegen der Fesselung der Mutter und weil sie bei einer Befragung auf eine Polizistin losgegangen war, sei eine bedingte Freiheitsstrafe von neun Monaten angemessen.
Bei der Urteilsfindung wird sich das Obergericht, wie schon das Kantonsgericht, auf Indizien stützen müssen. Für die Bluttat gibt es weder Geständnis noch Augenzeugen – die Mutter will zur Tatzeit geduscht haben. Ein Motiv wurde in der erstinstanzlichen Verhandlung nicht ersichtlich. Die Verhandlung ist auf zwei Tage angelegt.
Zum Tötungsdelikt kam es am 13. Dezember 2015 im Schaffhauser Ortsteil Hemmental in der Wohnung der Eltern der damals 26-jährigen Beschuldigten. Diese und ihr gleichaltriger Ehemann kamen an jenem Sonntagabend aus ihren Flitterwochen zurück. Alle vier Beteiligten waren Schweizer.
Was in der Wohnung genau geschah, ist nicht klar. Vater und Schwiegersohn gingen offenbar aufeinander los. Fest steht, dass am Schluss beide Männer tot und die Mutter mit Handschellen gefesselt waren. Die Beschuldigte sagt, die beiden Männer hätten sich gegenseitig erstochen.
Aufgrund der Indizien waren die Kantonsrichter jedoch davon überzeugt, dass die Tochter den Vater erstochen hat: Unter anderem waren ihre Kleider durch und durch nass vom Blut des Vaters und voller Fasern von dessen Shirt. Zudem hatte die junge Frau dort Fussabdrücke hinterlassen, von wo die Stiche geführt wurden. (sda)