Die Welt verändert sich in rasantem Tempo. Die geopolitische Tektonik ist stark in Bewegung. Und dies führt zu zahlreichen Krisen, die oft auf politische Entscheidungen zurückzuführen sind. Es ist ja nicht so, als hätte die Welt nicht schon genug Herausforderungen (Klima, Migration, Demografie usw.), ohne dass man noch neue schaffen müsste.
Die Politik des Präsidenten der Vereinigten Staaten verstärkt diese Tendenz. Er will Amerika stärker machen. Es besteht jedoch ein grosses Risiko, dass er – indem er das Land isoliert und unberechenbarer macht – genau das Gegenteil erreicht und dabei auch andere liberale Demokratien mit schwächt.
Einige der Fragen, die er aufwirft, sind berechtigt – wie so oft bei populistischen Bewegungen. Warum zum Beispiel sollten die Vereinigten Staaten mehr als 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch immer einen Grossteil der Last – und der Kosten – für die Sicherheit Europas tragen? Oder wie kann man das eigene Land reindustrialisieren? Die Antworten darauf sind leider eher darauf ausgerichtet, eine enttäuschte und verunsicherte Wählerschaft zu beruhigen, als die Probleme wirksam zu lösen – wie so oft bei populistischen Bewegungen.
Indem sie China, Russland und Indien dazu drängen, sich einander anzunähern – wie man diese Woche auf dem Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit gesehen hat –, stärken die Vereinigten Staaten weder ihren Einfluss in der Welt noch die demokratischen Werte, für die sie traditionell stehen. Was den Zollprotektionismus betrifft, so bremst er den Handel, vernichtet Arbeitsplätze, verteuert Produkte und treibt die Inflation an.
Die Schweiz ist eines der am stärksten industrialisierten Länder des Westens (Rang 6 in der OECD) – und erhebt dennoch Zölle von ... 0 % auf Industrieprodukte. Das zeigt, dass es bessere Wege gibt: Sie führen insbesondere über gute Rahmenbedingungen, Bildung und Innovation.
In einer Zeit, in der sich einige Länder mit Gewalt statt mit Recht durchsetzen wollen – wie wir es im Krieg Russlands gegen die Ukraine sehen, der eine ernsthafte Gefahr für die gesamte europäische Sicherheit und damit auch für die Sicherheit der Schweiz darstellt –, ist es umso wichtiger, für die Werte einzustehen, die die Nachkriegsordnung begründet haben: Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, friedliche Beilegung von Streitigkeiten, insbesondere multilaterale Diplomatie (im Zentrum der Mission des internationalen Genf), Menschenrechte, Grundfreiheiten und eine liberale Wirtschaftsordnung.
Die von US-Präsident Trump beschlossenen Zölle in Höhe von 39 % sind eine irrationale und kontraproduktive Entscheidung – gerade angesichts der Tatsache, dass die Schweiz ein privilegierter Wirtschaftspartner ist – sie ist der sechstgrösste ausländische Investor in den USA (und sicherlich der grösste pro Kopf) –, sowie im Hinblick darauf, dass unsere Unternehmen hochwertige, gut bezahlte Arbeitsplätze schaffen, in allen 50 Bundesstaaten vertreten sind und zur beruflichen Ausbildung beitragen, die die USA so dringend benötigen.
Die Schweiz spielt darüber hinaus eine wichtige diplomatische Rolle, die den Frieden stärkt und damit auch die Interessen eines Landes wie den Vereinigten Staaten fördert – zum Beispiel indem sie regelmässig Friedensverhandlungen auf ihrem Boden ausrichtet oder seit mehreren Jahrzehnten aktiv ihre Interessen im Iran vertritt.
Die im Oval Office getroffene Entscheidung war ebenfalls ein heftiger Schock – und das, obwohl der Bundesrat gute Verhandlungen geführt hatte, wenn auch auf traditionellem Weg über die für dieses Dossier zuständigen Minister. Viel wurde über das Telefonat vom 31. Juli gesprochen. Zu Unrecht. Die Schuldigen sind nicht in der Schweiz zu suchen, und jedes Mitglied des Bundesrats hätte – unabhängig von den verwendeten Worten und dem Tonfall – vermutlich das gleiche Ergebnis an diesem Tag erreicht. Das Problem liegt woanders. Und vor allem muss der Fokus auf der Lösung liegen.
Die Auswirkungen dieser Entscheidung, vor allem wenn sie sich langfristig bestätigen sollte, können für eine stark exportorientierte Wirtschaft wie die der Schweiz heftig sein: Die USA machen 15 % unserer Exporte aus. Und das gilt noch mehr für bestimmte Kantone, wie zum Beispiel meinen Heimatkanton Neuenburg, sowie für die Westschweiz insgesamt – insbesondere mit ihrer Uhrenindustrie, der Mikrotechnik, dem Maschinenbau, aber auch mit Produkten wie Gruyère oder Tête de Moine!
Und hinter den Zahlen stehen natürlich Arbeitsplätze und viele betroffene Menschen. Angesichts dieser Herausforderung dürfen wir nicht resignieren. Wir müssen auf drei Ebenen antworten:
Die Schweiz muss die Verhandlungen mit Washington entschlossen fortsetzen und deren Ergebnis im Hinblick auf ihre Interessen bewerten. Ein besserer «Deal» ist wünschenswert, aber es darf kein Deal «um jeden Preis» sein. Unser Land hat in der Vergangenheit seine Fähigkeit bewiesen, in komplexen Situationen kreative Lösungen zu finden. Genau das tut der Bundesrat mit Entschlossenheit und Geschlossenheit. Das hat er bei den Gesprächen im Von-Wattenwyl-Haus am 30. August, an denen ich teilgenommen habe, eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Das ist vorbildlich, denn angesichts dieser Herausforderung muss die Schweiz geeint sein.
Wir müssen auch weiterhin unsere wirtschaftlichen Partnerschaften diversifizieren. Mehr denn je hängt unser Erfolg von der Öffnung zu neuen Märkten ab. Es braucht neue Freihandelsabkommen, auch mit aufstrebenden Märkten, sowie die Modernisierung bestehender Abkommen. Denken wir an Länder wie China, Japan, Mexiko oder an Abkommen mit Ländern aus Asien, Südamerika und auch Afrika – einige befinden sich in einem starken wirtschaftlichen Aufschwung –, um unsere Märkte zu diversifizieren.
Natürlich muss dies so geschehen, dass die sensibelsten Sektoren, insbesondere die Landwirtschaft, geschützt werden. Das Inkrafttreten des Abkommens mit Indien am 1. Oktober ist daher ein sehr positives Signal.
Es gilt auch, den bilateralen Weg mit der Europäischen Union zu festigen, unserem mit Abstand wichtigsten Handelspartner (EU 50 %, USA 15 %, China 10 %). Der stabile Zugang zum europäischen Markt bleibt das Schlüsselelement unseres Wohlstands. Das erfordert eine klare Ablehnung der SVP-Initiative «10 Millionen», die im Grunde eine neue Initiative zur Auflösung der bilateralen Beziehungen ist.
Der Nationalrat wird in der am Montag, dem 8. September, beginnenden Session darüber debattieren. Hoffen wir, dass er ein klares Signal setzt. Dazu gehören auch die Bilateralen III, die es uns ermöglichen werden, unsere Beziehung zu unserem wichtigsten Partner weiterzuführen und auszubauen – in einem Rahmen, der die rechtliche Sicherheit gewährleistet, die für Wohlstand und Investitionen so dringend notwendig ist.
Schliesslich braucht es eine kohärente Innenpolitik. Wenn unsere Unternehmen international unter Druck stehen, ist es umso wichtiger, sie nicht durch übermässige Belastungen zu ersticken. Steuererleichterungen, Bürokratieabbau und Vereinfachung von Verfahren – all das wird ihnen Luft zum Atmen verschaffen. Das Parlament muss auf die zahlreichen Vorhaben, die in die falsche Richtung gehen, verzichten, insbesondere von Mitte-Links, aber auch von der Regierung.
Alle Vorhaben zur Erhöhung der Mehrwertsteuer oder der Lohnbeiträge ohne strukturelle Reformen, insbesondere im Bereich der Sozialversicherungen, sowie der Versuch, unseren Unternehmen immer mehr Belastungen aufzuerlegen (Initiative «Verantwortungsvolle multinationale Unternehmen 2», Initiativen der Jungsozialisten usw.), sind gefährlich für unseren Wohlstand und unsere Arbeitsplätze. Jetzt ist nicht die Zeit für politische Experimente, sondern für eine vernünftige und pragmatische Politik, die sich bewährt hat und in der Schweiz Arbeitsplätze sowie Kaufkraft schafft.
In diesem Sinne hoffe ich, dass das Parlament in den nächsten Tagen die Stärkung des Kurzarbeitsrechts (KAE) und dessen Verlängerung von 18 auf 24 Monate unterstützt, um dieses bewährte Kriseninstrument noch flexibler zu machen.
Schliesslich fällt Wohlstand nicht vom Himmel. Die Schweiz muss die Grundlagen, auf denen sie ihren Wohlstand aufgebaut hat, stärken – zum Wohle aller. An die Arbeit!