Jede Sekunde verlieren die Schweizer Bauern einen Quadratmeter: Hier ist die Lösung
Der Oktober ist vorbei und der November ist schon voll im Gange. So schnell wie die Wochen vergehen, ist schon bald Weihnachten – mit all den Feiern und Familien-, Firmen- oder Büroessen.
Neben Gesprächsthemen wie Politik, den neusten Modetrends oder Erziehungsprinzipien – diese Liste ist nicht vollständig und je nach gewünschter Atmosphäre sollten bestimmte Themen vielleicht vermieden werden – wird das Essen eines der zentralen Elemente der Feierlichkeiten sein. Über seine rein ernährungsphysiologischen Qualitäten hinaus bietet das Essen jedoch noch viele andere positive Aspekte.
Mit dabei: Nicolas Feuz (Schriftsteller), Anne Challandes (Schweizer Bauernverband), Roger Nordmann (Berater, ehem. SP-Nationalrat), Damien Cottier (FDP), Céline Weber (GLP), Karin Perraudin (Groupe Mutuel, ehem. CVP), Samuel Bendahan (SP), Claude Ansermoz (ehemaliger Chefredaktor von «24 Heures»), Ivan Slatkine (Präsident der FER) und die QoQa-Otte.
Eine Mahlzeit mit mehreren Menschen zu teilen, bietet die Möglichkeit, sowohl bei der Zubereitung als auch beim Genuss angenehme und gesellige Momente zu verbringen – vorausgesetzt, das gewählte Gesprächsthema passt dazu. Es ist auch die Gelegenheit, die wohltuenden und tröstenden Eigenschaften des Essens zu geniessen: Wärme, Farbe, Textur, Geschmack, Duft … All diese Aspekte nähren – sofern man ihnen Beachtung schenkt – die Seele ebenso wie den Körper.
Lieber gebratene Ananas oder Apfelkompott als Dessert?
Anders gesagt: Möchten Sie Ihren Gaumen lieber mit lokalen Produkten verwöhnen oder ihn auf Reisen schicken mit Lebensmitteln, die selbst schon eine lange Strecke hinter sich haben, bevor sie auf Ihrem Tisch landen? In meiner letzten Kolumne habe ich diesen Zusammenhang zwischen unseren Ernährungsgewohnheiten und deren Folgen aufgezeigt. Heute richte ich meinen Blick eher auf den Zusammenhang zwischen dem Erhalt landwirtschaftlicher Flächen und der Aufrechterhaltung einer lokalen Produktion.
Das Schweizer Staatsgebiet besteht hauptsächlich aus Wäldern (32 %), unproduktiven Flächen (25 %) – zum Beispiel unseren Bergen – sowie aus Gebieten, die für Wohnzwecke und Infrastrukturen genutzt werden (8 %). Die landwirtschaftlichen Flächen – Wiesen, Ackerland, Obstgärten und Alpenweiden – machen die restlichen 35 % aus, also etwa ein Drittel des Landes. Die landwirtschaftliche Nutzfläche, die die Sommerweiden nicht einschliesst, erstreckt sich über 1 Million Hektar, was ungefähr einem Viertel der Fläche der Schweiz entspricht.
Fast die Hälfte dieser Million Hektar eignet sich nur für die Nutzung als Dauerwiesen und Weideland. Hinzu kommen etwa 20 % zusätzliche Flächen, die aus temporären oder extensiv genutzten Wiesen bestehen. Mit anderen Worten: Die Wiesen bedecken zwei Drittel der landwirtschaftlichen Fläche. Diese Flächen können nur durch Wiederkäuer genutzt werden, die uns im Gegenzug mit Nahrung (Milch und Fleisch) und Dünger versorgen. Rund 250’000 weitere Hektar, das entspricht 6,6 % der gesamten Fläche der Schweiz, werden für den Ackerbau genutzt.
Verlust von 2’700 Fussballfeldern pro Jahr
Mit einem Verlust von fast einem Quadratmeter pro Sekunde verschwinden jedes Jahr Flächen in der Grösse von 2700 Fussballfeldern. In neun Jahren hat die Landwirtschaft eine Fläche verloren, die anderthalb Mal so gross ist wie der Neuenburgersee, also mehr als 30’000 Hektar. Der grösste Teil der Verluste betrifft das Ackerland, das für den Anbau von Feldfrüchten bestimmt ist und unsere Nahrungsmittel produziert.
Dieses Verschwinden ist hauptsächlich auf die Zersiedelung, den Bau öffentlicher Infrastrukturen und die Ausbreitung der Wälder zurückzuführen. Oft betroffen sind bisher landwirtschaftlich genutzte, fruchtbare und ebene Flächen, die sich sehr gut für den Pflanzenanbau eignen. Daraus resultiert ein starker Druck auf die Flächen, die für die Produktion unserer Nahrung bestimmt sind – und dieser Druck scheint nicht nachzulassen.
Priorität für die Landwirtschaft in der Landwirtschaftszone
Die vom Parlament im Jahr 2023 verabschiedete zweite Etappe der Revision des Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG) legt fest und bestätigt die Priorität der Landwirtschaft in der Landwirtschaftszone. Eine solche Priorität erscheint so offensichtlich, dass man sich fragen könnte, warum ein solches Prinzip überhaupt festgelegt werden muss. Doch es ist nicht ungewöhnlich festzustellen, dass diese Selbstverständlichkeit nicht immer gegeben ist und dass ein strenger Schutz der landwirtschaftlichen Flächen kein leeres Versprechen bleiben darf. Wer war noch nie beeindruckt oder sogar schockiert, als er Luftbilder einer Stadt oder eines Dorfes im Abstand von wenigen Jahren verglichen hat oder als er feststellte, dass die Baustellen immer weiter in Richtung ländlicher Gebiete vorrücken?
Ein Beispiel?
Die Landwirtschaft ist sich bewusst, dass auch sie neue Gebäude errichtet. Diese Zunahme ist jedoch bescheiden und dient einer vernünftigen und nachhaltigen Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe. Ausserdem dürfen landwirtschaftliche Gebäude nur ausserhalb der Bauzone, d. h. in der Landwirtschaftszone, errichtet werden.
Insbesondere angesichts der damit verbundenen Kosten bemühen sich die Bauernfamilien jedoch, die Bauarbeiten auf das unbedingt Notwendige zu beschränken. Manchmal sind sie gezwungen, ihre Infrastruktur auszubauen, um eine Vorschrift zu erfüllen. Das ist zum Beispiel der Fall, um das Tierwohl durch die Einrichtung eines Aussenauslaufs oder die Vergrösserung eines Stalls zu verbessern oder um die Umwelt durch den Bau eines Waschplatzes zur Wasserrückgewinnung besser zu schützen.
Die Anpassung der Betriebe an die sich wandelnden Marktanforderungen und Vorschriften dient ebenfalls einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion.
Die Revision der Vollziehungsverordnung wurde inzwischen vom Bundesrat verabschiedet. Sie legt die Einzelheiten der Umsetzung des RPG2 fest, dessen gestaffeltes Inkrafttreten für 2026 vorgesehen ist. Ich hoffe, dass diese beiden Grundsätze – die Erhaltung landwirtschaftlicher Flächen und der Vorrang der Landwirtschaft in der Nichtbauzone – bei der konkreten Umsetzung nicht ihrer Bedeutung beraubt werden und dass endlich eine deutliche Verlangsamung der anhaltenden Zersiedelung der schönsten Flachlandgebiete am Rande von Städten und Dörfern zu beobachten sein wird.
