In der Öffentlichkeit ist die Affäre um die Crypto AG schon fast vergessen. Hinter den Kulissen wirft sie aber hohe Wellen. Peter Lauener, der ehemalige Kommunikationschef von Alain Berset, soll wegen einer Amtsgeheimnisverletzung zur Affäre in ein Strafverfahren verwickelt sein. Das schrieb die «Weltwoche» gestern auf ihrer Online-Seite.
Am 8. Juni war bekannt geworden, dass Lauener abtritt als rechte Hand des Gesundheitsministers. Wie unvermittelt das geschah, sorgte für Spekulationen. Lauener hatte Berset zehn Jahre lang eng begleitet und ihn stets in bestem Licht dargestellt. Er galt als der vielleicht beste Spin Doctor der Bundesverwaltung.
Lauener wolle sich beruflich neu orientieren, hiess es in der Medienmitteilung des Innendepartements (EDI) vom 8. Juni. Berset dankte ihm darin knapp – «für seinen grossen Einsatz und die enge Zusammenarbeit». Diese Medienmitteilung liess mehr Fragen offen als sie beantwortete.
Doch: Die Stellen, die mit der Strafuntersuchung zur Crypto-Amtsgeheimnisverletzung zu tun haben, geben sich noch viel geheimnisvoller. Sie schweigen alle.
Da ist einerseits die Geschäftsprüfungskommission (GPK). Deren Delegation (GPDel) hat die Crypto-Affäre untersucht. Die kleine Delegation aus National- und Ständeräten ist für höchst geheime Angelegenheiten bei Staatsschutz und Nachrichtendienst zuständig. Verschiedene Medien seien in den Besitz vertraulicher Informationen gelangt und hätten diese publiziert, als der Prozess der Verwaltungskonsultation eingeleitet worden sei, sagt Prisca Birrer-Heimo, Präsidentin der GPK des Nationalrats. Am Tag vor der GPK-Schlusssitzung zum Bericht vom 10. November 2020 publizierte etwa der «Tages-Anzeiger» Teile des vertraulichen Entwurfs.
Die GPK erstattete Anzeige gegen unbekannt bei der Bundesanwaltschaft. Die Amtsgeheimnisverletzungen seien «schwerwiegend» und die Publikation von Inhalten des vertraulichen Berichtsentwurfs sei «inakzeptabel», sagt Prisca Birrer-Heimo heute.
Sie betont, die GPK habe keine Kenntnis vom Stand der Untersuchung. «Wir wissen nicht, welche Massnahmen der ausserordentliche Staatsanwalt im Rahmen dieses Verfahrens getroffen hat.»
Es ist nicht die Bundesanwaltschaft selbst, die das Verfahren leitet. Sondern Peter Marti, ein ehemaliger Zürcher Oberrichter. Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) hat ihn eingesetzt - weil sich die Bundesanwaltschaft selbst als befangen erklärte. Sie hatte ebenfalls Teile des Inspektionsberichts zur Stellungnahme erhalten. Das beschreibt auch Peter Marti selbst so.
Theoretisch hätte die Indiskretion also auch bei der Bundesanwaltschaft passieren können. Diese hält fest, Peter Marti sei als ausserordentlicher Staatsanwalt federführend. Deshalb müsse er Fragen zum Verfahren beantworten. Auch die AB-BA selbst verweist auf Marti - und betont, sie habe keine Kenntnis vom Stand der Untersuchungen.
Doch Marti sagt nichts zum Verfahren. Er wolle sich nicht selbst «der Amtsgeheimnisverletzung schuldig machen», schreibt er auf Anfrage. Er könne keine Auskunft geben. Und selbst auf doppelte Nachfrage hält er fest: «Ich verstehe Ihr Interesse - und das von Ihnen angemahnte öffentliche Interesse. Dennoch bleibt es dabei, dass Sie von mir keine weiteren Auskünfte erhalten.»
Recherchen zeigen, dass es im Zusammenhang mit den Indiskretionen zur Crypto-Affäre offenbar zwei Hausdurchsuchungen gab. Eine soll bei einer Person in Bersets Innendepartement stattgefunden haben, wohl bei Peter Lauener. Die zweite soll eine Person des Aussendepartements (EDA) tangieren. Das EDI gibt keinen Kommentar ab, weder zum «Weltwoche»-Artikel noch zu den Hausdurchsuchungen. Und beim EDA weiss die Medienstelle nichts von einer Hausdurchsuchung.
Klar scheint: Der Kreis jener, die Teile des vertraulichen GPDel-Berichtsentwurfs zur Stellungnahme erhielten, war sehr klein. Es sind das die sieben Bundesräte, die Bundesanwaltschaft und vermutlich andere Ämter wie der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) und das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Auch die sechs Mitglieder der Geschäftsprüfungsdelegation dürften den Bericht zu diesem Zeitpunkt gehabt haben - immerhin hatten sie ihn verfasst.
Somit hatten wohl nur zwischen 20 und 30 Personen Kenntnis vom Entwurf. Das bedeutet: Sollte Lauener tatsächlich in das Verfahren wegen Amtsgeheimnisverletzung verwickelt sein, wäre es naheliegend, dass er den Bericht von Bundesrat Berset selbst erhalten hätte.
Peter Marti, der ausserordentliche Staatsanwalt, sass zwischen 1995 und 1999 für die SVP im Zürcher Kantonsrat und gilt in der Branche als «harter Hund». Er sei das «Gegenteil eines Kuschelrichters» gewesen, sagte etwa der heute pensionierte Staatsanwalt Ulrich Weder einmal in der NZZ.
Seinen Ruf verdiente sich Marti als Bezirksanwalt: In den 1980er Jahren untersuchte er die Winterthurer Unruhen - und darunter den Sprengstoffanschlag auf das Haus von Bundesrat Rudolf Friedrich. Marti wurde einmal als Bezirksrichter nicht gewählt - und einmal in der ersten Runde als Oberrichter nicht.
Als Oberrichter bezeichnete Marti den Whistleblower Rudolf Elmer, der Bankdaten der Julius Bär weitergegeben hatte, in einigen «persönlichen Bemerkungen» nach der Urteilsbegründung als «ganz gewöhnlichen Kriminellen», der auf seinen eigenen Vorteil bedacht gewesen sei.* Bei seiner Pensionierung hielt Marti fest, er sei zwar kein Kuschelrichter, aber auch kein scharfer Hund: «Ich beurteile das, was der Mensch getan hat: seine Tat.»
Das wird Marti auch im Fall der Crypto tun. Die AB-BA, die Aufsichtsbehörde der Bundesanwaltschaft, hat ihn schon mehrfach als ausserordentlichen Staatsanwalt eingesetzt. Sie will offensichtlich härter gegen Amtsgeheimnisverletzungen vorgehen als die Bundesanwaltschaft dies unter Michael Lauber tat. Die AB-BA sieht Amtsgeheimnisverletzungen als klare Straftat, die geahndet werden soll.
Bei der Bundesanwaltschaft sind noch diverse Strafklagen wegen Amtsgeheimnisverletzung hängig, die den Bundesrat betreffen. Darunter zwei Untersuchungen zu Indiskretionen in der Pandemie. Bersets Innendepartement reichte hier selbst Strafklage ein. Dazu kommt eine Indiskretion bei der Ernennung von Alt-Staatssekretär Mario Gattiker als innenpolitischer EU-Sonderbotschafter. Und es gibt weitere Strafanzeigen zu Themen, die bisher nicht bekannt sind.
Für Peter Lauener gilt die Unschuldsvermutung.
* In der ursprünglichen Fassung hiess es, Oberrichter Peter Marti habe den Whistleblower Rudolf Elmer, der Bankdaten der Julius Bär weitergegeben hatte, in seiner Urteilsbegründung als «ganz gewöhnlichen Kriminellen», der auf seinen eigenen Vorteil bedacht gewesen sei, bezeichnet. Korrekt ist, dass er dies in einigen «persönlichen Bemerkungen» nach der Urteilsverkündigung machte.
Dann frage ich mich wieder, woher sie denn nun die Informationen zu den Hausdurchsuchungen etc. haben. Einmal mehr durch Indiskretionen/Leaks.
Wenn sie nicht aktiv an der Zerstörung unserer Demokratie arbeiten würde, könnte sie ein ganz vernünftiges Medium sein.