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Departemensverteilung: Die sonderbare Rolle von Bundesrat Cassis

Bundesrat Ignazio Cassis spricht waehrend einer Medienkonferenz, am Freitag, 7. Dezember 2018 in Bern. Der Bundesrat informierte ueber das Rahmenabkommen mit der EU. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Ignazio Cassis am letzten Freitag in Bern.Bild: KEYSTONE

«Alleingang gegen die eigene Partei»: Die sonderbare Rolle von Bundesrat Cassis

In der FDP-Fraktion ist der Unmut gross: Parteikollegen machen ihren Bundesrat Ignazio Cassis für den Verlust des Wirtschaftsdepartements verantwortlich.
13.12.2018, 09:20
Doris Kleck und Othmar von Matt / ch media
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Vordergründig herrscht Zufriedenheit in der FDP. Das Justizdepartement (EJPD)? «Sehr wichtig.» Ein Querschnittsdepartement nämlich, wie die Finanzen, tönt es allenthalben. Das klingt schön. Und die FDP-Spitze hat sich fürs Schönreden entschieden.

Obschon Bundesrätin Karin Keller-Sutter von ihrem Profil her prädestiniert gewesen wäre für die Führung des Wirtschaftsdepartements (WBF), muss sie sich mit dem EJPD begnügen. Stattdessen wird SVP-Bundesrat und Winzer Guy Parmelin fortan das WBF führen. Eine zu grosse Aufgabe für ihn, wie viele meinen.

Bundesrat Ignazio Cassis (FDP), spricht mit Staenderaetin Karin Keller-Sutter (SG), aufgenommen an seinem ersten oeffentlichen Auftritt als gewaehlter Bundesrat, an der Toggenburger Tagung der FDP St. ...
Ignazio Cassis hat seiner Parteikollegin Karin Keller-Sutter die Übernahme des Wirtschaftsdepartements verunmöglicht.Bild: KEYSTONE

Die Wirtschaftspartei FDP hat nach dem Finanzdepartement nun auch noch ihr Kerndepartement WBF an die SVP verloren. In der FDP-Fraktion ist der Unmut gross, vor allem über die Rolle des eigenen Bundesrates Ignazio Cassis: Er hat die Mehrheit für einen Wechsel von Parmelin vom Verteidigungs- ins Wirtschaftsdepartement überhaupt erst ermöglicht.

«Ich hätte nicht gedacht, dass Cassis dermassen von der SVP abhängig ist, dass er sogar die Interessen der FDP hinten anstellt.»
SP-Präsident Christian Levrat

SP-Levrat spricht für die FDP-Kritiker

Der Unmut ist derart gross, dass gewisse FDP-Parlamentarier die Journalisten direkt an SP-Präsident Christian Levrat verweisen. Er ist – und das ist nicht ohne Ironie – zum Sprachrohr geworden für die parteiinternen Kritiker, die sich selbst nicht zitieren lassen wollen.

Doch was sagt Levrat? «Cassis machte einen Alleingang, gegen die eigene Partei und gegen Karin Keller-Sutter.» Der FDP-Bundesrat sei faktisch der dritte SVP-Vertreter im Bundesrat. Und weiter: «Ich hätte nicht gedacht, dass Cassis dermassen von der SVP abhängig ist, dass er sogar die Interessen der FDP hinten anstellt.»

Nun ist Levrat Konkurrent und ohnehin ärgster Cassis-Kritiker. FDP-Chefin Petra Gössi kontert denn auch: «Es ist erstaunlich, wie schnell Politiker und Journalisten auf das Wording von SP-Präsident Levrat hereinfallen.»

Sie spricht von unschöner Parteipolitik bei der Departementsverteilung und schiebt die Schuld für das verloren gegangene WBF der SP zu: «Die SP hatte es in der Hand, die Departementsverteilung anders zu steuern. Hätte sich Simonetta Sommaruga nicht bewegt, wäre das WBF nun bei der FDP und das Infrastrukturdepartement (Uvek) bei der CVP.»

Die Departementsverteilung des Bundesrats (Beitrag vom 10. Dezember 2018)

Video: © sda-Video

Parmelin lehnte das EJPD ab

Zwei Mal musste sich der Bundesrat in seiner neuen Zusammensetzung treffen, um die Departemente zu verteilen. Unbestritten unter den Regierungsmitgliedern war, dass Sommaruga nach acht Jahren im EJPD ins Infrastrukturdepartement wechseln darf. Die SVP-Bundesräte hatten der FDP ein Päckli angeboten, um Sommarugas Wechsel zu verhindern. Sie lehnte jedoch ab.

Doch auch von einem Pakt mit der SP wollten die beiden Freisinnigen nichts wissen. Ihre Vertreter Alain Berset und Sommaruga wie auch CVP-Bundesrätin Viola Amherd wollten Parmelin im VBS belassen. Den Wechselwunsch von Sommaruga zulassen, denjenigen von Parmelin ablehnen, das hätte die SVP als Affront taxiert.

Cassis lehnte deshalb auch das Päckliangebot der SP ab und verwehrte damit seiner Parteikollegin Keller-Sutter ihr Wunschdepartement.

Die frischgewählte Bundesrätin wiederum hätte es selbst in der Hand gehabt, das WBF zu bekommen. Nur wollte sie keinen Streit mit ihrem Parteikollegen Cassis und als Neuling auch keine Mehrheitsentscheidung herbeiführen – und damit einen Eklat mit der SVP.

Im Bundeshaus am Tag der Bundesratswahlen

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Im Bundeshaus am Tag der Bundesratswahlen
Die beiden neuen Bundesrätinnen Karin Keller-Sutter und Viola Amherd bei der Vereidigung.
quelle: keystone / anthony anex
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Keine Lust aufs EJPD

Eine verfahrene Situation. Es hätte einen eleganten Ausweg gegeben. Wie zwei unabhängige Quellen bestätigen, hatte der Bundesrat Parmelin einen Wechsel ins Justizdepartement angeboten. Der Waadtländer SVP-Bundesrat begründete später seinen Departementswechsel vor den Medien nicht inhaltlich, sondern parteipolitisch: Nach 23 Jahren sei es an der Zeit, dass eine andere Partei das Verteidigungsdepartement übernehme.

Dazu passt, dass er das EJPD-Angebot nach Rücksprache mit der Parteileitung abgelehnt hat. SVP-Präsident Albert Rösti will diese Darstellung nicht bestätigen. Er sagt nur: «Die Departementsverteilung ist Sache des Bundesrates.» FDP-Ständerat Andrea Caroni indes hält fest: «Parmelin hätte zumindest das EJPD nicht verweigern dürfen – wenigstens hätte dann die SVP in ihrem Kerndossier Migration Verantwortung übernehmen müssen.»

ARCHIV --- ZUR NOMINATION VON ANDREA CARONI FUER DEN STAENDERAT STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILD ZUR VERFUEGUNG --- Andrea Caroni, FDP Nationalrat AR, aeussert sich an einer Medienkonferenz in Bern am ...
FDP-Ständerat Andrea Caroni.Bild: KEYSTONE

Für den Wechsel von Parmelin ins WBF gebe es ausser des Anciennitäts-Prinzips keinen guten Grund: «Der Bundesrat hätte von ihm verlangen können, dass er noch bis zur nächsten Rochade im VBS bleiben muss – quasi Nachsitzen, bis die Leistung für einen Wechsel genügt», sagt Caroni.

Kollegialität statt Machtpolitik

Diese Aussagen kann man indirekt als Kritik an den eigenen Bundesräten werten. Anonym äussern sich FDP-Parlamentarier direkt. Vor allem Cassis muss einstecken. «Cassis richtet sich allgemein sehr stark an der SVP aus», sagt ein FDP-Parlamentarier und tönt wie SP-Boss Levrat.

Ein Parteikollege wird noch deutlicher: «Cassis hat versagt.» Die Begründung mit dem Anciennitäts-Prinzip sei Quatsch: «Bei Departementsverteilungen geht es immer um Machtpolitik.» Er verweist auf das Beispiel der Stadt Zürich, wo Stadtrat Filippo Leutenegger (FDP) von der linken Mehrheit in die Bildungsdirektion zwangsversetzt worden ist.

Nationalrat Hans-Peter Portmann (FDP/ZH) verteidigt den Tessiner Bundesrat. «SP und SVP, die beiden grossen Parteien, konnten ihre Departements-Wünsche durchsetzen», sagt Portmann. Das bürgerliche Lager habe seine Macht nicht ausgespielt: «Es hat das Kollegialitätsprinzip berücksichtigt und Simonetta Sommaruga ins Uvek ziehen lassen.»

Karin Keller-Sutter, so berichten Vertraute, sei nicht glücklich mit ihrem neuen Departement. Vielleicht geht es ihr aber wie einst Simonetta Sommaruga. Einen Tag vor Amtsantritt sagte sie in einer Rede: «Ich selber war nach der Departementsverteilung zunächst ein wenig – sagen wir – überrascht. Aber meine Gefühlslage hat sich sehr bald geändert.» Unter anderem weil sie realisiert habe, dass das EJPD ein Querschnittsdepartement sei. (aargauerzeitung.ch)

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18 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Fly Boy Tschoko
13.12.2018 10:00registriert Mai 2014
Was soll die SP schuld sein? Die ist ja nicht dafür zuständig das KKS an das FDP Wunschdepartement kommt. Oder ist die SP nun mehr in der Verantwortung für die FDP als Cassis?
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N. Y. P.
13.12.2018 10:33registriert August 2018
«Cassis machte einen Alleingang, gegen die eigene Partei und gegen Karin Keller-Sutter.»

Nun, denn, es ist bekannt, dass Cassis seine eigene Agenda hat. Schon das unsägliche Vorpreschen vor Monaten, die flankierenden Massnahmen, ohne Absprache, zur Disposition zu stellen, zeigt seine Einstellung.

Jammert jetzt ja nicht, liebe FDP. Ihr müsst halt eure Hausaufgaben machen, bevor ihr jemanden zum BR-Kanditaten kürt.
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Walter Röhrich
13.12.2018 10:49registriert Mai 2015
Eigentlich ist es unglaublich peinlich was Cassis alles abliefert. Er hat so unglaublich Angst jemandem von der SVP auf den Schlips zu treten, dass er denen lieber in den Hintern kriecht. Schlussendlich ist die SVP wohl noch die einzige Partei, welche ihn noch nicht kritisiert hat. Er ist so ein typischer Lobby-Vertreter und schafft es einfach nicht, ein Bundesrat zu werden. Das Profil dazu hat er einfach nicht.
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