Die Präsenz sprach Bände: Obwohl es im Bundesrat zur grossen Rochade mit vier neuen Departementschefs kam, stellten sich nur Simonetta Sommaruga (SP) und Guy Parmelin (SVP) am Montagmittag den Medien. Es sei üblich, dass die neuen Mitglieder nehmen müssten, was übrig bleibe, versuchte Bundesratssprecher André Simonazzi zu beschwichtigen.
In Wirklichkeit hatten Viola Amherd (CVP) und Karin Keller-Sutter (FDP) wohl keine Lust, Journalistenfragen zu beantworten. Denn eitel Sonnenschein hat bei der Departementsverteilung nicht geherrscht. In der Regel versucht die Regierung, dieses Geschäft in kollegialer Manier über die Bühne zu bringen. Das gelang dieses Mal nicht, über die Zuteilung der Departemente musste abgestimmt werden.
Dabei haben sich die Bisherigen mit ihren Wünschen durchgesetzt: Sommaruga wechselt vom Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) ins Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek). Der heutige Verteidigungsminister Parmelin übernimmt das Wirtschafts- und Bildungsdepartement (WBF).
Amherd und Keller-Sutter müssen sich mit den «Trostpreisen» begnügen: VBS und EJPD gelten als die unbeliebtesten Departemente im Bundesrat, in denen man kaum glänzen kann und sich mit zahlreichen Problemfeldern herumschlagen muss. Was ist von der neuen Konstellation zu erwarten?
Simonetta Sommaruga strahlte übers ganze Gesicht. Nach ihrer Wahl 2010 war sie selber Opfer eines solchen Machtspiels im Bundesrat und per Mehrheitsentscheid ins ungeliebte EJPD «verbannt» worden. Nun kann die Bernerin endlich ins Uvek wechseln, ihr erklärtes Wunschdepartement, wie sie auf die Frage eines Journalisten zugab.
Sie kann dies erhobenen Hauptes tun. Nach jahrelangen Turbulenzen in den Bereichen Asyl und Zuwanderung ist im EJPD Ruhe eingekehrt. Sommaruga ist als frühere Konsumentenschützerin und Mitglied der nationalrätlichen Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (Urek) für das Uvek prädestiniert. Erste Erwartungen wurden bereits formuliert. Sie soll den Veloverkehr und die Umlagerung des Schwerverkehrs von der Strasse auf die Schiene fördern.
Die Bürgerlichen werden keine Freude daran haben, dass die Sozialdemokraten neben dem Innendepartement (das weiterhin von Alain Berset geleitet wird) ein zweites gewichtiges Ressort kontrollieren. Der Wechsel lässt auch vermuten, dass Simonetta Sommaruga bis zum Ende der kommenden Legislatur (also bis 2023) im Bundesrat bleiben dürfte.
Die Reaktionen in den sozialen Medien zeigen es: Der Wechsel von Guy Parmelin ins Wirtschaftsdepartement nach nur drei Jahren im VBS stösst ausserhalb der SVP auf wenig Gegenliebe. Im Gegensatz zu Sommaruga hinterlässt der Waadtländer in seinem bisherigen Departement einige Baustellen. Sein Abgang wird als Flucht oder gar als «Desertion» kritisiert.
Freuen können sich die Landwirte. Sie dürften beim früheren Weinbauern Parmelin mehr Gehör finden als beim exportorientierten Johann Schneider-Ammann. Umgekehrt stellt sich die Frage, wie ein Bundesrat, der kaum Englisch spricht, sich in den Verhandlungen auf internationalem Parkett behaupten kann, oder im Umgang mit der Digitalisierung.
Guy Parmelin ist im Bundesrat eine blasse Figur geblieben. In Erinnerung sind seine Schnellschüsse, mit denen er Entscheidungsfreude markieren wollte, primär aber Geschirr zerschlug. Nun muss er zeigen, ob er das Format für das Amt besitzt, zum Beispiel als Vermittler zwischen den Sozialpartnern im Disput um den Lohnschutz und das EU-Rahmenabkommen.
Seit Adolf Ogi seine «Versetzung» vom Uvek ins VBS 1995 als «Abstieg in die Nationalliga B» bezeichnet haben soll, gilt das Verteidigungsressort als unbeliebtestes Departement. Seit dem Ende des Kalten Kriegs hat die Armee stark an Bedeutung verloren, und damit auch das zuständige Amt im Bundesrat. Für Viola Amherd und ihre serbelnde CVP sind das wenig erbauliche Perspektiven.
Dabei kann das VBS eine Chance sein, und das nicht nur, weil die Schweiz erstmals eine Verteidigungsministerin bekommt. Die von Parmelin hinterlassenen Baustellen, allen voran das Megadossier Kampfjetbeschaffung, bieten der neuen Departementschefin die Möglichkeit, sich zu profilieren und zu beweisen, dass sie mehr ist als eine «Befehlsempfängerin» der Generalität.
Bundesrätin Amherd, die sich im Nationalrat als hartnäckige und dossierfeste Schafferin im Hintergrund einen Namen gemacht hat, traut man dies zu. Sie kann nach dem blassen Parmelin fast nur gewinnen. Ausserdem ist das VBS ein überschaubares Departement. Als Vorsteherin hat man die Kapazität, um bei den Geschäften der Kolleginnen und Kollegen ein Wort mitzureden.
Als Karin Keller-Sutter 2011 in den Ständerat gewählt wurde, hatte sie ein Ziel. Sie wollte weg vom Image der asyl- und sicherheitspolitischen Hardlinerin, das sie in ihren zwölf Jahren als Justizdirektorin des Kantons St.Gallen erworben und sich ausserdem mit dem Hooligan-Konkordat bei den Fussballfans unbeliebt gemacht hatte.
In der Folge mied sie diese Themen konsequent und erschloss sich neue Gebiete wie die Wirtschafts- und Sozialpolitik. Nun hat der Bundesrat sie quasi auf Feld eins zurückgeschickt. Keller-Sutter hätte wohl am liebsten das Wirtschaftsdepartement von Johann Schneider-Ammann übernommen. Mit ihrem klaren Votum für den Lohnschutz empfahl sie sich ziemlich ungeniert für diesen Job.
Man hätte ihr zugetraut, mit Arbeitgebern und Gewerkschaften eine Lösung zu finden. Nun hat die freisinnige Bundesrätin einmal mehr das Asyldossier am Hals. Doch wie im Fall von Viola Amherd gilt: Das Justizdepartement kann für Karin Keller-Sutter eine Chance sein, und das nicht nur, weil derzeit keine grösseren Probleme zu lösen sind.