
Alain Berset an der SP-Sommertagung am 2. Juli in Biel. Drei Tage später fand der ominöse Flug statt.Bild: keystone
Bundesrat Alain Berset sorgte in letzter Zeit mehrfach für Aufregung. Nun folgte der neuste «Streich»: Er wurde mit einem Kleinflugzeug von der französischen Luftwaffe gegroundet.
13.07.2022, 16:5514.07.2022, 12:22
Während zwei Jahren war Alain Berset das «Epizentrum» des Schweizer Politikbetriebs. Als Gesundheitsminister musste er die Corona-Pandemie bewältigen, die grösste Krise der jüngeren Geschichte. Seit März gilt zumindest offiziell wieder der Normalzustand, doch der SP-Bundesrat kommt nicht zur Ruhe. Er muss sich mit mehreren Affären herumschlagen.
Die Geliebte
Alain Berset hatte vor Corona eine Affäre mit einer Frau, die ihn zu erpressen versuchte und per Strafbefehl verurteilt wurde. Mehrere Medien erhoben Vorwürfe gegen ihn, doch die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) von National- und Ständerat haben ihn in einem im Juni vorgelegten Bericht vollumfänglich entlastet. Ausgestanden ist die Affäre aber nicht.
Praktisch zeitgleich mit der Publikation des Berichts schrieben die Tamedia-Zeitungen, dass Mails von Bersets früherem Generalsekretär an die Ex-Geliebte «offenbar gelöscht» worden seien. Die zuständige Subkommission der ständerätlichen GPK will das Dossier deshalb nochmals öffnen und diesen Aspekt untersuchen, wie der «Sonntagsblick» berichtete.
Der Vertraute
Peter Lauener war jahrelang Bersets Kommunikationschef und der vielleicht engste Vertraute des Freiburgers. Anfang Juni legte er sein Amt abrupt nieder, angeblich um eine neue Herausforderung anzunehmen. Seither jedoch zeigten Medienberichte, dass gegen Lauener wegen Indiskretionen in der Affäre um die Zuger Crypto AG ermittelt wird.
In seiner letzten Ausgabe berichtete der «Sonntagsblick», dass Peter Lauener – für den die Unschuldsvermutung gilt – sogar mehrere Tage in Zürich in Untersuchungshaft war. Es gibt bislang keine Hinweise, dass Bundesrat Berset in diese Angelegenheit involviert ist. Dennoch sei für ihn «die Signalwirkung verheerend», meinte der «Sonntagsblick».
Der Flug
Der neuste Aufreger ist ein Flug mit einer Cessna 182 Anfang Juli nach Frankreich. Bislang wusste kaum jemand in Bundesbern, dass Berset 2009 als Freiburger SP-Ständerat die Pilotenlizenz erworben hatte und «gelegentlich ein einmotoriges Sportflugzeug» mietet, wie das Departement des Innern (EDI) am Dienstag mitteilte.
An sich ist dies Bersets Privatsache, doch der besagte Flug, den die NZZ rekonstruiert hat, ging schief. Anscheinend war er in die Kontrollzone um die Luftwaffenbasis Avord eingedrungen und von zwei Rafale-Kampfjets abgefangen worden. Weil der Pilot ein Mitglied der Schweizer Regierung war, wurde sogar Präsident Emmanuel Macron informiert.
Der Ablauf wirft Fragen auf, denn bei einer Luftraumverletzung erfolgt zuerst eine Warnung per Funk. Warum die Luftwaffe zum Einsatz kam, ist unklar. Das EDI spricht in seiner Stellungnahme von einer «Fehlinterpretation der Angaben der Luftverkehrskontrolle zu Beginn des Flugs». Für die NZZ aber hat Bersets Flug das Zeug zur «affaire publique».
Das Virus
Seit der Aufhebung der besonderen Lage im März scheint Corona für Alain Berset weit weg zu sein. Dabei wird die Schweiz von einer Sommerwelle überrollt. Die Vorwürfe der Warner an ihn sind teilweise überzogen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist nach zwei harten Jahren ausgepowert. Mehrere Kaderleute haben ein Burnout erlitten.
Im Prinzip wären nunmehr die Kantone für die Pandemie und Massnahmen wie eine erneute Maskenpflicht zuständig. Dennoch irritiert die Nonchalance im Innendepartement, auch bei der Frage einer zweiten Booster-Impfung. Das BAG empfiehlt sie erst für über 80-Jährige. In der EU liegt die Altersgrenze seit dieser Woche bei 60 und in den USA sogar bei 50 Jahren.
Die Häufung von Affären und Irritationen kommen für Alain Berset zur Unzeit. Denn bei der Volksabstimmung vom 25. September muss er zwei Vorlagen vertreten: Die AHV-Reform (samt Mehrwertsteuer-Erhöhung) und die Massentierhaltungs-Initiative. Für diese ist das im EDI angesiedelte Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen zuständig.
Beide haben ein beträchtliches Aufregerpotenzial, und Berset muss erst noch gegen die eigene Partei antreten. Man fragt sich, wie lange der 50-Jährige sich dies noch antun will. Zwar kann er 2023 zum zweiten Mal als Bundespräsident amtieren, was seinem Faible für grosse Auftritte entgegenkommt. Aber es gibt auch einige Gründe für einen Rücktritt.
Das Coronavirus in der Schweiz – eine Chronologie
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Das Coronavirus in der Schweiz – eine Chronologie
quelle: keystone
Gesamtes Insta-Live-Interview mit Alain Berset
Video: watson
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