Es ist das dritte Wochenende in Folge, an dem sich Lockdown-Gegner in verschiedenen Schweizer Städten zum gemeinsamen Protest zusammengefunden haben. Nachdem am vergangenen Samstag Kritik an der Polizei laut wurde, weil sie dem Treiben zu wenig schnell ein Ende bereitete, griffen die Beamten nun härter durch. In Bern, Basel und Zürich wurden die Demonstrierenden an den Versammlungsorten von Beginn an weggewiesen. Mehrere Personen wurden abgeführt.
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In Zürich versammelten sich Lockdown-Gegner gegen 14 Uhr auf dem Sechseläutenplatz. Die meisten Leute standen auf engem Raum und die Abstandsregelung wurde nicht eingehalten. Sogenannte Dialogpolizisten suchten das Gespräch mit den Demonstrierenden. Die Lockdown-Gegner forderten unter anderem die Aufhebung der Notstandsmassnahmen.
Die Ideologien der Demonstrierenden sind sehr heterogen. Es gibt einige, die sich in ihren Grundrechten eingeschränkt fühlen, andere sind der Meinung, das neue Coronavirus sei so harmlos wie eine normale Grippe. Viele sind allerdings Anhänger von kruden Verschwörungstheorien. Sie vermuten Bill Gates als heimlichen Führer der WHO oder dass das Coronavirus aus einem Hochsicherheitslabor stammt.
Die watson-Reporter werden mehrfach beleidigt und gar tätlich angegriffen. Als ein Reporter ein Foto einer Demonstrantin macht, wird er harsch am Rucksack gepackt und angepöbelt. Demonstrierende rufen: «Lügenpresse!»
Nach einer Warnung der Polizei wurde der Sechseläutenplatz um 14.30 Uhr geräumt. Kurz vor 15 Uhr war die Demo mehr oder weniger aufgelöst.
Pfeiffkonzert für Polizisten, die illegale Versammlung auf dem Sechseläutenplatz auflösen wollen. @watson_news pic.twitter.com/5eyIGctasd
— Sarah Serafini (@Sara_Sera_) May 16, 2020
Auf der oberen Hälfte des Platzes standen auch später noch viele Leute in Gruppen zusammen und hielten ihre Schilder. Eine Demoteilnehmerin sagte empört: «Finden Sie es ok, dass ich nicht für meine Grundrechte demonstrieren kann?» Als die Reporterin sie um ein Statement bittet, winkt sie ab und sagt: «Mit watson rede ich nicht, ihr seid mir zu sehr Mainstream.»
Um 15.40 Uhr verkündete die Polizei, dass die Kontrollen auf dem Sechseläutenplatz beendet sind. Man könne sich wieder auf dem Platz aufhalten, solange die Covid-19-Verordnung eingehalten werde. Ansammlungen von mehr als fünf Personen sind demnach nicht erlaubt.
53 Personen, die sich geweigert hätten, die Kundgebung zu verlassen, seien kontrolliert und weggewiesen worden, heisst es in einer Mitteilung der Zürcher Stadtpolizei vom frühen Samstagabend. Von diesen würden 37 Personen, die gegen das Veranstaltungsverbot und somit gegen die Covid-Verordnung verstossen hätten, bei der Staatsanwaltschaft angezeigt.
Auch in Bern änderte die Polizei ihre Strategie gegenüber der Vorwoche. Mahnwachen oder Kundgebungsversuche von Lockdown-Gegnern wurden konsequent unterbunden. Sowohl beim Bundesplatz als auch auf der Allmend wies die Polizei alle Leute weg, die sich versammeln wollten.
Der Bundesplatz wurde schon vor 14 Uhr abgeriegelt. Mehrere Demonstranten wurden abgeführt.
Polizei spricht zahlreiche Wegweisungen auf, erste Lockdown-Demonstranten werden weggeführt. @watson_news pic.twitter.com/RQRdYcQ8n6
— Adrian Müller (@mueller_adrian) May 16, 2020
In der Umgebung des Bundesplatzes trug die Polizei ein paar wenige mutmasslich Kundgebungswillige zur Personenkontrolle weg; die meisten folgten den Polizisten aber normal. Kurz nachdem der Wochenmarkt zu Ende gegangen war, hatte die Polizei den ganzen Platz mit Gittern abgesperrt, so dass er nicht zugänglich war.
Demo vor Bundesplatz hat sich weitgehend aufgelöst. Einzele werden abgeführt. @watson_news pic.twitter.com/O1VNQF8QDa
— Adrian Müller (@mueller_adrian) May 16, 2020
Auf der Berner Allmend kesselte die Polizei etwa zwanzig Personen ein, nachdem diese der Aufforderung nicht nachgekommen waren, die Örtlichkeiten zu verlassen. Per Lautsprecher hatte die Polizei vorher die Leute aufgerufen, den Platz vor den Berner Expo-Hallen zu verlassen.
Es handle sich um eine unbewilligte Demonstration. Wer sich nicht entferne, dem drohe eine Anzeige wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen. Die eingekesselten Personen mussten ihre Personalien angeben.
Demonstrierende, die als Gruppe von der Allmend in die Innenstadt von Bern unterwegs waren, wurden von der Polizei auf der Kornhausbrücke gestoppt. Mehrere Demo-Teilnehmer wurden kontrolliert und weggewiesen.
Wir haben Demonstrierende, die als Gruppe von der Allmend in die Innenstadt von #Bern unterwegs waren, auf der Kornhausbrücke gestoppt. Nochmal: Solche Menschenansammlungen sind derzeit nicht nur verboten, sondern auch äusserst unsolidarisch. Nun folgen Personenkontrollen.
— Kantonspolizei Bern (@PoliceBern) May 16, 2020
Als Augenzeuge kann ich das bestätigen pic.twitter.com/Ddoo030ZDI
— Sandro S. (@sansim_tiger) May 16, 2020
Ein bekannter Lockdown-Gegner hatte diese Woche im Internet bekanntgegeben, er verlege am Samstag seine Mahnwache vom Bundesplatz auf die Berner Allmend.
In Basel haben sich am Samstagnachmittag rund 120 Gegnerinnen und Gegner der Coronavirus-Pandemie-Massnahmen vor dem Rathaus versammelt. Die Kundgebungsteilnehmer, darunter viele ältere, aber auch junge Menschen, trugen Schilder mit Aufschriften wie «Freiheit für freie Bürger» oder «Gates go home» und sangen zum Teil kirchliche Lieder.
Die Demonstrantinnen und Demonstranten zogen nach einer halben Stunde durch die mit Passanten prall gefüllte Freie Strasse bis zum Münsterplatz.
Kurz vor 15 Uhr begann die Polizei mit den zuvor angekündigten Personenkontrollen. Damit löste sich die Kundgebung auf, ohne dass es zu Eskalationen kam.
(😷li/sda)