Seit 2010 hat der Bundesrat seine wöchentliche Sitzung mehrmals ausserhalb des Bundeshauses durchgeführt. Er wolle damit «seine grosse Verbundenheit mit den verschiedenen Regionen unseres Landes zum Ausdruck bringen», teilte er letzte Woche mit. Nach einer Pause im Pandemiejahr 2020 findet die Sitzung «extra muros» heute Mittwoch in Luzern statt.
Der Austragungsort ist nicht ohne Brisanz. Die Zentralschweiz gehört zu den Hotspots der Corona-Skeptiker und Massnahmengegner. In Luzern fanden unbewilligte Kundgebungen statt. Dennoch will sich der Bundesrat wie bei solchen Sitzungen üblich mit der Bevölkerung zum Apéro treffen. Er wird ab etwa 12.30 Uhr im Verkehrshaus der Schweiz stattfinden.
Zutritt gibt es nur mit Covid-Zertifikat und Ausweis. Es ist mit strengen Sicherheitskontrollen zu rechnen, denn «Corona-Rebellen» haben laut dem Portal Zentralplus via Telegram zu einer Demo auf der Lido-Wiese neben dem Verkehrshaus aufgerufen. Die Stimmung unter den Massnahmen- und Impfskeptikern ist seit Einführung der Zertifikatspflicht aufgeheizt.
Ausserdem sind seit diesem Montag Corona-Tests für Menschen ohne Symptome mit wenigen Ausnahmen nicht mehr gratis, was auch nicht zur Beruhigung der Lage beiträgt. Die Coronakrise wird in dieser «Extra muros»-Sitzung einmal mehr einen Schwerpunkt bilden: Der Bundesrat entscheidet über die vorletzte Woche angekündigte Impfoffensive.
Der Bundesrat, die Covid-Taskforce und viele andere haben es oft betont: Die Impfung ist der «Königsweg» aus der Krise und zurück in die Freiheit. Dennoch sitzt die Impfskepsis in der Schweiz tief. Ihre Impfquote liegt weit hinter jener von Dänemark oder Portugal, die die Corona-Massnahmen überwiegend oder ganz aufgehoben haben.
Selbst die Zertifikatspflicht hat nur kurz für einen Schub gesorgt. Der Bundesrat wirkt angesichts dieser Verweigerungshaltung zunehmend ratlos. Er will deshalb die Flucht nach vorne ergreifen und hat am 1. Oktober – reichlich spät – eine Impfoffensive beschlossen. Bei den Kantonen stiess ein Element jedoch auf teilweise brüske Ablehnung.
Die Regierung von Appenzell-Innerrhoden – dem Kanton mit der tiefsten Impfquote – bringt es auf den Punkt: «Ja zur Impfwoche, Nein zum 50-Franken-Gutschein». Das entspricht ziemlich genau der Tonalität der Stellungnahmen aus den Kantonen. Eine nationale Impfwoche wird unterstützt. Umstritten ist höchstens der Zeitpunkt.
Eine Prämie von 50 Franken für Personen, die andere von der Covid-Impfung überzeugen, wird hingegen fast durchwegs verworfen. Dafür ist nur Basel-Stadt, wo so viele Menschen geimpft sind wie nirgends sonst. Ein solcher Gutschein könne die Spaltungstendenzen in der Gesellschaft erhöhen und von Geimpften als ungerecht empfunden werden, heisst es etwa.
Glarus bezeichnet solche Geldanreize als unschweizerisch, und Freiburg spricht sogar von einer «Form der Erpressung». Der Zürcher Staatsrechtler Felix Uhlmann bezweifelte gegenüber SRF, ob es für solche Gutscheine eine Rechtsgrundlage gibt. Die Ausweitung der mobilen Impfmöglichkeiten wird von den Kantonen hingegen begrüsst.
Kaum Widerstand gibt es auch gegen die zusätzlichen Beratungsangebote, um Ungeimpfte vom Nutzen der Vakzine zu überzeugen. Dazu gehören auch Hausbesuche, doch diese stossen laut den Tamedia-Zeitungen bei der Stiftung für Konsumentenschutz auf Skepsis. Sie seien buchstäblich «ein Einfallstor für allerlei betrügerische Maschen».
Angesichts des Widerstands der Kantone ist es sehr unwahrscheinlich, dass er auf den 50-Franken-Gutscheinen beharren wird. Allenfalls könnte er alternative Anreize erwägen. Ansonsten dürfte er die Impfoffensive wie geplant verabschieden. Bei der nationalen Impfwoche verlangen einige Kantone genügend Zeit für die Vorbereitung.
Gesundheitsminister Alain Berset dürfte die Entscheide des Bundesrats wie gewohnt an einer Medienkonferenz bekannt geben. Der Zeitpunkt ist offen, es könnte jedoch später werden als üblich. Denn nach dem Apéro mit der Bevölkerung, der rund eine Stunde dauern soll, ist der Bundesrat mit der Luzerner Kantonsregierung zum Mittagessen verabredet.
Die Medienkonferenz wird erst nach der Rückkehr nach Bern um 15.30 Uhr durchgeführt, denn auch bei auswärtigen Sitzungen findet sie aus praktischen Gründen im Medienzentrum des Bundes statt. Du kannst sie auf watson im Liveticker mitverfolgen. Alternativ streamt der Bundesrat seine Medienkonferenz auch direkt über seinen YouTube-Kanal.
Vielleicht warten da so manche Ungeimpften auf das beste Angebot 😀
Aber ich denke eher, wer bis jetzt noch nicht geimpft ist, wird das auch gar nicht mehr wollen. Angebote hin oder her....
Wahnsinn, dass das in einer „Diktatur“ möglich ist.