Der Frühling ist da, doch so richtig ausgelebt werden kann er nicht. Die Beizen sind nach wie vor zu, und wenn man sich in der Pandemie nach draussen traut, dann verweilt man im Park, im Wald oder an Seeufern. Das schlägt aufs Gemüt, weshalb nun – trotz steigenden Corona-Zahlen – zunehmend Lockerungen gefordert werden.
GLP-Nationalrat Jörg Mäder gehört nicht zu den Lockerungsturbos, weil er sich der pandemischen Gefahr nach wie vor bewusst ist. Er hat aber vergangene Woche eine Forderung in der Gesundheitskommission durchgebracht, die Lockerungen realistischer machen könnte.
Seine Idee baut auf das sogenannte Backwards-Tracing auf. Wer sich mit dem Coronavirus ansteckt, wird heute bereits von Contact Tracern nach dem «Wo und Wann» ausgefragt, um herauszufinden, wo man allenfalls andere Leute angesteckt hat. Beim Backwards-Tracing will man weitergehen und wissen, wo man sich überhaupt angesteckt hat.
Das grosse Problem dabei: Je weiter man zurück geht, desto weniger weiss man, weil etwa die Erinnerung schlapp macht. Helfen könnten Kontaktlisten, die elektronisch, systematisch und schnell nachgeführt werden. Etwa, wenn ein Gast in einem Restaurant nur schnell einen QR-Code scannen muss.
Solche Lösungen gibt es in anderen Ländern bereits. Das Handy wird so gewissermassen zum Freipass, um soziale Interaktionen in geschlossenen Räumen zu ermöglichen. In der Schweiz blieben solche digitalisierte Ideen aber ein Randphänomen. Letztes Jahr machten Restaurants und Bars etwa eigene Papier-Kontaktlisten oder setzten auf teure SMS-Lösungen.
«Das war datenschutzmässig nicht immer sauber», sagt der GLP-Nationalrat Jörg Mäder. Er erinnert sich an Kontaktlisten, die frei herumlagen und von allen Gästen eingesehen werden konnten.
Mäder studierte mit den Nationalräten Gerhard Andrey (Grüne) und Martin Bäumle (GLP) herum und kam auf die Idee, die SwissCovid-App dafür zu nutzen. Sein Gedanke: «Diese wird heute bereits als Schweizer Corona-Smartphone-App breit angewendet. Wenn man sich mit ihr zusätzlich im Alltag an Orten für die Kontaktliste einchecken kann, dann steigert das ihre Bekanntheit.»
Entstanden ist aus der Idee ein Brief, der vergangene Woche an den Bundesrat verschickt wurde. Unterzeichnet von der Gesundheitskommissions-Präsident und Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel. «Man hätte das auch als Vorstoss und Auftrag an den Bundesrat schicken können. Mit einem Brief ging es aber schneller. Wir hoffen jetzt, dass der Bundesrat unseren Vorschlag ebenso effizient prüft und umsetzt», sagt Mäder.
Der GLP-Politiker glaubt, dass das möglich ist. So gebe es heute bereits die App «NotifyMe», die auf derselben Datenschutz-Philosophie aufbaue wie derjenigen der «SwissCovid»-App: Dezentral, datensparsam und vor allem nur dann «datenaustauschend», wenn eine Infektionsgefahr festgestellt werde. Möglich gemacht werde das durch kryptografische Mechanismen, die Datenschutz nach dem Gedanken «Privacy by Design» ermögliche.
Im Bundeshaus und beim Entwicklungsteam der «SwissCovid»-App stösst der Vorschlag auf offene Ohren – und zwar nicht überraschend. «Wir prüfen aktuell eine mögliche Integration von NotifyMe in die SwissCovid App», sagt etwa Marco Stücheli von der BAG-Arbeitsgruppe «Kommunikation Covid-19» zu watson.
Die Berichte über das Daten-Wirrwarr beim Contact Tracing, derzeit noch individuell durchgeführt von jedem Kanton, sind noch nicht so lange her.
Das Bedürfnis, dies zentraler, einheitlicher und konzentrierter durchzuführen, kam diesen Monat auch im Bundesparlament an. Dieses nahm im aktuellen Covid-19-Gesetz einen Passus zum «funktionierenden Test- und Tracing-System» an, der den Bund finanziell und bzgl. Infrastruktur mit in die Verantwortung nimmt.
Die Umsetzung dazu läuft bereits. So ist das Bundesamt für Gesundheit derzeit daran herauszufinden, welche Erwartungen und Bedürfnisse die Kantone haben, um das Contact Tracing zu verbessern. Stücheli dazu: «Grundsätzlich muss die Integration einer CrowdNotifier-Technologie in das bestehende Contact-Tracing genau analysiert werden und ebenfalls von den Kantonen begrüsst werden.» Der aktuelle Vorschlag, Anwesenheiten in Lokalitäten einfach und digital zu erfassen, könnte das aufwändige Zusammensuchen von Papier-Kontaktlisten massiv vereinfachen.
Und dazu musste zuerst ein ganzes Jahr vergehen, bis man beim BAG bemerkte, dass man die SwissCovid App evtl noch ein weniger verbessern könnte...