Soll das Schweizer Recht über das Völkerrecht gestellt werden? Mit der Selbstbestimmungsinitiative (SBI) steht eine der wichtigsten Abstimmungen der letzten Jahre vor der Türe, das Rennen ist laut den jüngsten Umfragen offen. Dementsprechend angespannt steigen die Protagonisten am Freitagabend in die Sendung.
«Arena»-Dompteur Jonas Projer knöpft sich sogleich – mit einem unschuldigen Grinsen auf dem Gesicht – Justizministerin Simonetta Sommaruga (SP) vor. Diese betont, dass das Schweizer Volk dank der direkten Demokratie so oder so das letzte Wort habe – und nennt als Beispiel die Personenfreizügigkeit, über deren Kündigung wir wegen einer weiteren SVP-Initiative bald abstimmen. «Wollen sie mir wirklich sagen, dass alle Verträge dem Referendum unterstehen? Die werden vom Bundesrat und von Diplomaten gemacht», stichelt Projer.
«Das ist jetzt der grösste Chabis, den ich jetzt schon paar Mal gehört habe», entgegnet Sommaruga cool und sorgt gleich mal für das erste grosse Lachen im Publikum, in das sich übrigens unerlaubt eine Gruppe SVP-Sympathisanten geschlichen hat.
Die Zuschauer müssen sich richtig konzentrieren, denn die SBI ist eine höchst komplexe Vorlage: 5000 internationale Verträge ergänzen aktuell das Schweizer Recht, darunter fallen etwa die Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation (WTO) oder die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Bei künftigem Widerspruch mit dem Landesrecht müssten diese bei einem Ja zur SBI «nötigenfalls» gekündigt werden.
Grund genug für FDP-Ständerat Phillipp Müller den Zweihänder gegen die SVP-Initianten auszufahren. «Nur dank internationalen Verträgen geht es der Schweiz gut. Mit der SBI knallt die SVP einen Schrotschuss ins Kornfeld. Und zerstört alles das, was unser Land aufgebaut hat», feuert der Aargauer gegen SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher, die nicht nur wegen ihrem roten Veston die Blicke auf sich zieht.
Die Tochter von SVP-Übervater Christoph Blocher «stampft» im Studio umher. Im Gegensatz zu den zahlreichen Arena-Auftritten ihres Papas bleibt sie aber im Ton meist ruhig und sachlich. Sie betont, dass keiner der 5000 Verträge, ausser der Personenfreizügigkeit, bei einer Annahme angepasst werden müsste. «Das Volk ist nicht dumm!»
Die «Anti-Menschenrechtsinitiative», wie die SBI den Linken genannt wird, lehnen Hilfsorganisationen und Kirchen durchs Band ab. «Es geht um Menschen, es geht um die Menschenrechte in diesem Paragraphensalat», sagt Andrea Huber von der Allianz der Zivilgeselllschaft. Die Gegner der SBI argumentieren inbesondere, die SVP habe es auf eine Kündigung der EMRK abgesehen. Diesen Vorwurf wies Martullo-Blocher kategorisch von sich: «Wir sind kein Willkürstaat. Wir bleiben bei der EMRK dabei.»
Der Kern der Diskussion dreht sich dann um eine angebliche «Revolution» im Bundesgericht, wie es Hans-Ueli Vogt, Nationalrat SVP und Rechtsprofessor, ausdrückt. 2012 hoben fünf Bundesrichter die Ausschaffung eines kriminellen Mazedoniers auf und hielten nebenbei fest, dass die EMRK im Konfliktfall nicht nur Bundesgesetzen, sondern auch der Bundesverfassung vorgehe. Die SVP fühlte damals sich und den «Volkswillen» verraten. Ohne das Urteil wäre die SBI womöglich nicht lanciert worden.
«Das Bundesgericht sagte, dass internationale Verträge über den Stimmbürgern stehen. Das war eine Revolution. Die Richter wussten ganz genau, dass sie sich damit auf dünnes Eis begehen», so Vogt, der mit der Bundesverfassung in der Hand herumfuchtelte. «Arena»-Recherchen hingegen zeigen, dass der Entscheid keine Revolution, sondern bloss ein Zeichen war, wie man die Ausschaffungsinitiative umsetzen sollte.
Der putzmuntere FDP-Müller warf ein, dass wegen eines Bundesgerichtsurteils, das «einem nicht passe», nun nicht gleich die Verfassung geändert werden müsse.
Bundesrätin Sommaruga – trotz unzähligen Auftritten in bester Angriffslaune – konterte Vogt mit nachdenklicher Miene. Der damalige Entscheid bestätige bloss, dass sich die Schweiz an internationale Verträge halte, wie sie dies seit 1870 tue. Und zieht ein deutliches Fazit: «Die Selbstbestimmungsinitiative geht gar nicht gegen die fremden Richter, sondern gegen die eigenen Richter. Die SVP greift das Bundesgericht an!»
Gegen Ende der erstaunlich sachlichen Arena nimmt Moderator Projer Rechtsprofessor Vogt auf den Prüfstand. Minarett-, Ausschaffungs- und Masseneinwanderungsinitiative: Diese drei Initiativen hat die SVP in den letzten zehn Jahren durchgebracht. Es sei wie verhext, so Projer, denn die Initiativen entfalteten kaum Wirkung. «Das Parlament macht Obstruktion», erklärt Vogt. Mit der SBI gebe es wieder eine unklar formulierte Initiative, die kaum umsetzbar sei. «Wollen wir wieder fünf Jahre lang ein Gstürm?», so Projer zu Vogt.
Der SVP-Nationalrat entgegnet, mit der SBI werde dieser Diskussion endlich ein Ende gesetzt. Ein für alle Mal werde dem Parlament gesagt, dass die Einwanderung zu kontrollieren sei und keine Minarette mehr gebaut würden. «Die SBI ist doch vielmehr eine Selbstbeschäftigungsinitiative», bilanziert Projer und hat die Lacher auf seiner Seite.
«Was ist für Sie das Schönste am Herbst?»: Ganz am Ende der Sendung wirft Projer noch eine lockere Frage in die Runde. Als einziger Diskussionsteilnehmer antwortet Bundesrätin Sommaruga nicht mit einer verkappten politischen Botschaft: «Mein selbstgemachtes Vermicelle», erklärt die Bernerin und schmunzelt.