Die Selbstbestimmungs-Initiative (SBI) hat rund einen Monat vor der Abstimmung keinen leichten Stand. Neuveröffentlichte Zahlen aus der GfS-Umfrage zeigen, dass die Befürworter im Moment noch im Rückstand liegen dürften.
Das gleiche Bild zeigt sich auch in der zweiten «Arena» zur Initiative: Während ein Votum von Fabian Zurbriggen (SVP Wallis) nur einen etwas angestrengt wirkenden Applaus hervorruft, klatschen bei der Gegenrede von Laura Zimmermann, Co-Präsidentin von Operation Libero, schon deutlich mehr Hände.
Gibt es in dieser «Arena» also einen mühelosen Sieg für die Gegner? Nein, denn besonders Camille Lothe, Präsidentin der jungen SVP im Kanton Zürich, bringt mit ihren Aussagen das Misstrauen der SVP gegenüber dem Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg auf den Punkt: «Ich will nicht, dass mir ein Richter in der Türkei sagt, ob wir in der Schweiz die Menschenrechte einhalten.»
Sowieso treten besonders die beiden jungen Frauen in dieser Sendung prominent auf. Zimmermann macht schon vor dem Start deutlich, dass sie nicht zum Kuscheln gekommen ist. Als «Arena»-Moderator Jonas Projer für den Mikrophon-Check fragt, was sie denn gerne so esse, sagt sie provokativ: «Im Sinne der heutigen Sendung wohl Rösti und Zürcher Geschnetzeltes.»
Ähnlich offensiv startet Zimmermann dann auch in die Runde: «Diese Initiative ist brandgefährlich», sagt sie und führt aus, man säge damit am Fundament der Schweiz. Doch nur, bis sie bereits in den ersten Minuten von Lothe unterbrochen wird. Es folgt ein Schlagabtausch zwischen den beiden Frauen, während sich die beiden Nationalräte noch zurückhalten.
Die Meinungen sind klar verteilt. «Mogelpackung» finden die Gegner, als «glasklar» beschreiben die Befürworter die Initiative. Doch ganz so klar scheint es eben doch nicht zu sein, denn plötzlich sieht sich SVP-Präsident mit Vorwürfen konfrontiert, die er in der «Arena» gerne an andere richtet.
SP-Ständerat und Strafrechtsprofessor Daniel Jositsch wirft Rösti vor, die Initiative würde die Möglichkeiten der Schweizer Bevölkerung einschränken, sich in Strassburg über unrechtmässige Entscheide der Schweiz zu beschweren. Damit würde die «Classe politique» eben nicht mehr von einer höheren Instanz in Schach gehalten.
Einige Minuten später doppelt dann Marcel Colomb aus dem Publikum nach. Er findet nämlich, dass wir bereits mit der Durchsetzungsinitiative (DSI) über den Kernpunkt der SBI abgestimmt hätten. Sein Fazit: «Akzeptieren Sie doch einfach mal den Volkswillen!»
Rösti wehrt sich mit Händen und Füssen. Mehrmals beschwört er einen «Paradigmenwechsel» von 2012 herauf. Damit bezieht er sich auf die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative (MEI). Hatten die Mayas mit ihrem Kalender also doch recht und die Welt ist 2012 untergegangen? Das vielleicht nicht, aber für Rösti zumindest die Schweizer Demokratie. Dies wolle man nun mit der SBI wieder korrigieren.
Zwischenzeitlich scheint man vor lauter Abkürzungen den Überblick zu verlieren. Als wäre die SBI nicht schon komplex genug, werfen die Gäste die MEI, die DSI, die PFZ (Personenfreizügigkeit) und die EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch mit in den Topf. Die Fantastischen Vier lassen grüssen.
Dann aber stellt Moderator Projer die grundsätzlich Frage: Will die SVP die EMRK künden oder nicht? Lothe gibt keine klare Antwort und verweist auf Präsident Rösti. Auch dieser reagiert ausweichend und sagt, dass nur manche Richter in Strassburg problematisch seien, nicht aber die EMRK selber.
Erst nach einem kleineren Tumult, bei dem mehrere Gäste durcheinanderreden, gibt Lega-Staatsrat Norman Gobbi aus dem Publikum eine Antwort: «Wir müssen nicht aus der Menschenrechtskonvention aussteigen.»
Sein Sitznachbar Jositsch nimmt währenddessen Anstoss am ausweichenden Verhalten der Initianten: «Entweder ist eure Initiative also wirkungslos, weil sie am Kritisierten nichts ändert, oder sie führt unter Umständen zur Kündigung der EMRK.» Man müsse also klar hinstehen und sagen, dass man die EMRK eben doch kündigen möchte.
Zum Schluss entschuldigt sich Moderator Projer sogar noch beim Publikum. Denn die wichtigen Fragen, zum Beispiel was die SBI für den einzelnen Schweizer nun konkret bedeutet, gingen auch diesmal im rhetorischen Kampf um das Fundament der Schweizer Demokratie unter.