Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, heisst es. Anschauungsunterricht dazu gab es am Montag um 15.20 Uhr im Nationalratssaal. Die Befürworter von mehr Transparenz hätten es in der Hand gehabt, einem wichtigen Postulat zum Durchbruch zu verhelfen. Sie hatten, sozusagen, den Matchball auf dem Fuss, sie standen vor dem leeren Tor.
Aber sie haben es versiebt. Ein Dutzend Mitglieder des Nationalrats nahm gemäss Abstimmungsprotokoll «nicht an der Abstimmung teil», manchen von ihnen reichte es offenbar nicht mehr rechtzeitig zum Abstimmungsknopf. Unter ihnen drei Aushängeschilder der SP: Cédric Wermuth (AG), Fabian Molina (ZH), Beat Jans (BS), die für mehr Transparenz einstehen.
So ging die Abstimmung in der Debatte ums Parlamentsrecht mit 93 zu 92 Stimmen verloren, was bedeutet: Ratsmitglieder müssen auch künftig nicht offenlegen, ob ihre im Verzeichnis der Interessenbindungen aufgeführten Mandate ehrenamtlich sind oder ob es dafür Honorare gibt. Vorgesehen war, dass eine Tätigkeit als ehrenamtlich gelten sollte, wenn sie pro Jahr nicht mit mehr als 12 000 Franken entschädigt wird.
Das Interessenregister hätte endlich mehr Aussagekraft erhalten sollen. Denn es gibt Parlamentarier, die weisen zwar reihenweise Mandate aus, verdienen aber praktisch nichts damit, weil es beispielsweise Ehrenämter in Vereinen sind. Andere dagegen kassieren viele Tausende von Franken mit ihren Mandaten für Verbände oder Firmen.
Die Niederlage ist umso bitterer, als sich in allen Fraktion Anhänger für das Transparenzanliegen fanden, das von Peter Keller (SVP, NW) und Isabelle Moret (FDP, VD) eingebracht worden war. Zwar kam die Mehrheit der Befürworter aus SP, Grünen und CVP, aber auch sieben SVP-Leute um Keller und vier Freisinnige um Moret waren an Bord.
Siegreich war dafür SVP-Mann Gregor Rutz (ZH), der den Gegenantrag gestellt hatte. Für ihn war die Transparenzforderung «ein Schuss ins eigene Bein». Er malte den Teufel an die Wand: Es sei sonst zu befürchten, dass Parlamentarier bald einmal ihren Lohn «auf Franken und Rappen angeben» müssten.
Immerhin gibt es noch Hoffnung: Die Vorlage geht jetzt an den Ständerat zurück, und dieser hat der Transparenzforderung bereits einmal zugestimmt. Sie ist also nicht definitiv vom Tisch.
«Transparenz hat einen harten Boden hier drin», sagte nach der Sitzung Marianne Streiff-Feller, Berner Nationalrätin der EVP. Sie immerhin konnte einen Sieg verbuchen. Eine von ihr eingebrachte Transparenzforderung wurde am Dienstag durchgewinkt: Künftig müssen Parlamentsmitglieder angeben, wer ihr Arbeitgeber ist. Der Nationalrat schloss sich in diesem Punkt stillschweigend dem Ständerat an.
Nach seinem Zufallssieg scheiterte SVP-Mann Rutz am Dienstag mit einem anderen Anliegen. Er führte eine Minderheit an, die die Sessionen um einen Tag verkürzen wollte: Der Freitag der letzten Sessionswoche sollte als Sitzungstag gestrichen werden. Weil ein Sessionstag zwischen 290'000 und 300'000 Franken koste, könnte man damit 1.2 Millionen pro Jahr sparen, so Rutz. Mattea Meyer (SP, ZH) hielt dagegen: «Der Freitagmorgen ist für Schlussabstimmungen reserviert, Schlussabstimmungen von Geschäften, die vorgängig noch in die Redaktionskommission gehen, die also vorgängig noch redaktionell überarbeitet werden müssen. Es wäre schlicht nicht möglich, wenn dies noch am selben Donnerstag geschehen müsste.»
Der Nationalrat lieferte sich am Dienstag auch noch eine Schlacht um eine Viertelstunde. Aus Rücksicht auf Zugsverbindungen sollte der Sitzungsbeginn von 8 Uhr auf 8.15 Uhr verschoben werden. Nicht extra wegen der Zürcher, gab der Grüne Zürcher Balthasar Glättli an, «sondern weil es intelligent ist». Das brachte den freisinnigen Kurt Fluri (SO) auf den Plan. «Wir sind vielmehr der Auffassung, dass es nicht unbedingt intelligent ist, diese Frage zu einer Intelligenzfrage zu machen.»
Das leuchtete ein, der Nationalrat entschied: Sitzungsbeginn bleibt 8 Uhr.