«Ein Chefredaktor, grosser Radiosender, schmaler Flur, packt mich am Hals: ‹Einmal werde ich dich ficken, ob du es willst oder nicht›.» Erlebnisberichte wie dieser der französischen Radio-Journalistin Giulia Foïs liest man zurzeit überall auf den sozialen Netzwerken.
Ausgelöst hat die Welle der Entrüstung der Skandal um den US-Filmproduzenten Harvey Weinstein, der über Jahrzehnte hinweg Frauen sexuell belästigte und damit davon kam – bis jetzt.
Weinstein ist lange kein Einzelfall. Frauen auf der ganzen Welt werden von Männern begrapscht oder unflätig angemacht.
Unter den Hashtags «MeToo» und «VerpfeifDeinSchwein» nennen manche Frauen nun auch die Namen der Belästiger.
#verpfeifdeinschwein #myharveyweinstein #balancetonporc
— Christina Mundlos (@CMundlos) 16. Oktober 2017
Basti aus Kiel hatte offenbar K.O.-Tropfen dabei.
Angefangen hat alles mit der französischen Journalistin Sandra Mueller. Von ihr stammt die wenig vornehme Verschlagwortung «balancetonporc».
#balancetonporc !! toi aussi raconte en donnant le nom et les détails un harcèlent sexuel que tu as connu dans ton boulot. Je vous attends
— Sandra Muller (@LettreAudio) 13. Oktober 2017
#Balancetonporc, Verpfeif dein Schwein! Erzähl auch du detailliert, wie du an deinem Arbeitsplatz sexuell belästigt wurdest und oute deinen Belästiger mit Namen.
Nur wenige Stunden nach diesem Tweet erzählt Muller selbst, wie ihr früherer Vorgesetzter ihr zugeraunt habe: «Du hast grosse Brüste, du bist mein Typ. Ich werd's dir die ganze Nacht besorgen.» Dabei nennt die Journalistin den vollen Namen des Täters.
In der Schweiz spricht sich unter anderem die «Tages-Anzeiger»-Journalistin Michèle Binswanger für ein «Outing» der Täter aus.
Frauen, lasst die Sex-Belästiger auffliegen. Nennt Namen, liefert Infos, wendet euch an Journis: michele.binswanger@tagesanzeiger.ch #MeToo
— Michèle Binswanger (@mbinswanger) 16. Oktober 2017
Es klingt einleuchtend: Der ehemalige Chef, Lehrer oder Partykollege könnte so seine verdiente Strafe erhalten und müsste sich in aller Öffentlichkeit in Grund und Boden schämen. Oder wichtiger: Andere Frauen wären vor ihm gewarnt.
Doch was riskiert man in der Schweiz, wenn man jemanden auf Twitter und Co. namentlich der sexuellen Belästigung beschuldigt?
Medienanwalt Andreas Meili erklärt auf Anfrage: «Wenn die Person nicht beweisen kann, dass ihre Anschuldigung wahr ist oder sie zumindest ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, riskiert sie, sich der üblen Nachrede strafbar zu machen.» Ein solches Vergehen könne mit einer Geldstrafe von bis zu 540'000 Franken bestraft werden.
Die beschuldigte Person könnte in einem solchen Fall auch Anklage wegen Persönlichkeitsverletzung erheben, sagt Meili. Hier drohen zusätzlich Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen. Dasselbe gelte für Anschuldigungen, in denen die Person nicht namentlich gennant wird, Dritte sie jedoch aufgrund anderer Merkmale erkennen können.
Selbst wenn man das auf der sozialen Plattform beschriebene Verhalten beweisen kann oder der Täter dafür verurteilt wurde, darf man ihn grundsätzlich nicht online an den Pranger stellen. «Das hängt davon ab, ob es sich um einen schweren oder leichten Fall handelt und wie bekannt die beschuldigte Person ist», sagt Meili. Je schwerer der Fall oder bekannter die Person, umso mehr müsse sie sich Eingriffe in ihre Persönlichkeitsrechte gefallen lassen.