Cassis: «USA haben mit vielem nicht unrecht»
Der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis hat sich in einem Interview mit SRF mit teils deutlichen Worten zu aktuellen Themen geäussert. So erklärte Cassis beispielsweise im Hinblick auf die andauernde und laute Kritik aus den Vereinigten Staaten an Europa, dass an dieser durchaus etwas dran ist:
Europa habe es versäumt, nach dem Zweiten Weltkrieg eine eigenständige Verteidigung zu schaffen und sei immer noch von den Amerikanern abhängig. Trumps Botschaft an Europa sei, dass der Kontinent seine Zukunft selbst in die Hand nehmen müsse.
Cassis erklärt zudem, dass man sich von der Vorstellung von Europa und den USA als Entscheidungszentrum der Welt verabschieden müsse. Europa habe wirtschaftlich heute viel weniger Gewicht als vor 20 oder 40 Jahren. Das habe vor allem mit dem Aufstieg anderer Nationen zu tun, die nun ebenfalls geopolitisch mitentscheiden wollten.
In dem Interview spricht sich Cassis auch dafür aus, mit Russland im Dialog zu bleiben. Das sei wichtig für Europa: «Es wäre illusorisch, eine Sicherheitspolitik in Europa ohne Einbezug Russlands zu denken.» Der Schweizer Aussenminister wird den Vorsitz der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) zum neuen Jahr hin übernehmen, wo sowohl Russland als auch die USA ebenfalls Vollmitglied sind. Es sei besser, eine Möglichkeit zum Gespräch mit dem Gegner zu haben, als nicht.
Bereits vor Tagen hat Cassis erklärt, dass er die OSZE so vorbereiten wolle, dass diese im Falle eine Friedens in der Ukraine unmittelbar handlungsfähig wäre.
Cassis äusserte sich auch zum Besuch der Schweizer Wirtschaftsleute bei Donald Trump, den er als plausibel erachtet oder die Vorwürfe von Unternehmer Alfred Gantner an seine Adresse, wonach einige Bundesräte eine Einigung verzögert hätten. Diese Geschichte sei frei erfunden, so Cassis. Der FDP-Bundesrat ist ein Befürworter von geregelten und guten Beziehungen zur EU, was er in dem Gespräch ebenfalls erneut unterstrich.
Zu denken gibt dem langjährigen Tessiner Bundesrat die Radikalisierung der Gesellschaft. Er spricht von mangelndem Respekt für Andersdenkende, und dem Alleinanspruch auf die absolute Wahrheit, was undemokratisch sei.
Cassis musste vor kurzem in Bellinzona vor propalästinensischen Demonstranten flüchten. Sämtliche Bundesratmitglieder hätten bereits ähnliche Vorfälle erlebt. Diese Radikalisierung sei eine Gefahr für das ganze Land. (con)
