Sollen bis zwölfjährige Kinder auf den Trottoirs Velo fahren dürfen? Die vom Bundesrat vorgeschlagene neue Regel scheidet in der Vernehmlassung die Geister. Umstritten ist auch die Rechtsabbiege-Erlaubnis für Velos bei Rot.
Kinder im Primarschulalter sollen mit dem Velo auf dem Trottoir fahren dürfen. Mit dieser Erlaubnis will der Bundesrat die Sicherheit der unerfahrensten Verkehrsteilnehmer verbessern.
Zustimmung erhält er von Pro Velo. «Kinder fahren sehr unsicher auf dem Velo, und wenn es keine Velostreifen hat, gehören sie aufs Trottoir», sagt SP-Nationalrat und Pro-Velo-Präsident Matthias Aebischer am Freitag im Radio SRF. Bei Fussverkehr Schweiz kommt der Vorschlag aber nicht gut an.
Die Organisation fordert eine Altersgrenze von acht Jahren für das Velofahren auf Trottoirs - in diesem Alter seien Kinder noch weniger schnell unterwegs. Trottoirs seien den Fussgängerinnen und Fussgängern vorbehalten. Velos auf Trottoirs gefährdeten Fussgänger und namentlich jüngere Kinder.
Gefahr für die Kinder mit Velos selbst sieht Fussverkehr Schweiz besonders auf schmalen Trottoirs oder bei Ein- und Ausfahrten. Befürchtet wird, dass die Erlaubnis für Primarschüler, das Velo auf Trottoirs zu benützen, dazu führt, dass auch Erwachsene auf Trottoirs fahren - ohne das Bewusstsein, dass dies verboten sei.
Gerade zu Fuss gehende ältere Menschen könnten sich zudem unsicher fühlen, wenn Kinder auf Trottoirs Velo fahren, befürchten Fussverkehr Schweiz und der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS), der den Vorschlag ebenfalls ablehnt. Beide Organisationen plädieren für eigene, sichere Infrastrukturen für Velofahrerinnen und -fahrer.
Bei den Bundesratsparteien stösst die Massnahme auf grundsätzlich positives Echo. SVP und SP geben zu bedenken, dass Fussgänger jederzeit den Vortritt haben und die velofahrenden Kinder ihr Tempo anpassen müssen.
Für die SVP ist es indes «fraglich, ob kleine Kinder dazu in der Lage sind». Für die SP wäre «allenfalls eine tiefere Altersgrenze zu prüfen». Die FDP wiederum möchte, dass Kinder auf dem Trottoir im Schritttempo fahren müssen.
Das vom Bundesrat im Oktober in die Vernehmlassung gegebene Verordnungspaket zum Strassenverkehr enthält eine zweite umstrittene Neuerung für Velofahrer. Auf entsprechend signalisierten Kreuzungen sollen Velos bei Rot nach rechts abbiegen dürfen. Pro Velo, VCS, Touring-Club Schweiz (TCS) und die Grünen sind einverstanden.
Fussverkehr Schweiz dagegen befürchtet eine weitere Kategorie von «Konfliktgrün». Es sei wahrscheinlich, dass Velofahrerinnen und -fahrer wegen der Neuerung Rechtsabbiegen bei Rot generell als erlaubt betrachteten. Auch gebe es heute schon die Möglichkeit, mit einer separaten Velo-Ampel das Abbiegen zu regeln.
Auch die SVP sagt Nein. Für Autofahrerinnen und -fahrer sei die ungewohnte Bewegung am Lichtsignal «brandgefährlich und verunsichernd», schreibt sie. Die anderen Bundesratsparteien sowie die Grünen sind einverstanden.
Neue Regeln schlägt der Bundesrat auch für den Autoverkehr vor. Auf Autobahnen soll das Rechtsvorbeifahren neu erlaubt sein. SVP, FDP und auch der TCS sind einverstanden. Eine solche Regelung könne helfen, auf stark befahrenen Strassen die Kapazität spürbar zu verbessern, schreibt die FDP. Die SP sagt Nein.
Rechtsvorbeifahren auf Autobahnen bedeute nicht Rechtsüberholen, führte der Bundesrat zum Vorschlag aus. Ausschwenken und Wiedereinbiegen bleiben untersagt. Erlaubt ist lediglich das Vorbeifahren, wenn der Verkehr auf der Überholspur langsamer unterwegs ist als jener auf der Normalspur.
Umstritten ist, ob Autobahnraststätten neu Alkohol verkaufen sollen dürfen. Der Bundesrat folgt mit dieser Anpassung der Nationalstrassenverordnung einem Parlamentsbeschluss. Nicht betroffen sind gemäss dem Vorschlag des Bundesrates Rastplätze: Dort gilt das Verbot weiterhin.
Die FDP appelliert an die Selbstverantwortung der Fahrer; ein generelles Alkoholverbot sei nicht gerechtfertigt. Für die SVP kommt die Aufhebung des Verbots einer «längst fälligen Beseitigung ungleich langer Spiesse» gleich. Die SP sagt mit Verweis auf die Verkehrssicherheit Nein.
Nach Unfällen soll die Bildung einer Rettungsgasse neu Pflicht sein - in der Vernehmlassung wird dies nicht bestritten. Die Vorschrift ist für Autobahnen und Autostrassen mit mindestens zwei Fahrstreifen gedacht. Bei den Parteien ist die Neuerung nicht umstritten. (sda)