Die Hälfte der Kindergartenkinder kann keinen Purzelbaum mehr schlagen. Immer mehr Kindern fehlt das Gleichgewicht, auf einem Bein zu stehen, einen Hampelmann zu machen oder einen Ball zu fangen. Das schreibt die Stiftung Pro Juventute, die sich für Kinder und Jugendliche einsetzt. Der Grund dafür sei, dass sich die Kinder zu wenig bewegen, vor allem zu wenig draussen.
Die Wissenschaft hält fest, dass Kinder und Jugendliche heutzutage tatsächlich motorisch und koordinativ wenig leistungsfähig sind. Der Sportwissenschaftler Christian Herrmann vom Departement für Sport, Bewegung und Gesundheit der Universität Basel hat kürzlich rund 300 Zürcher Kinder zu Beginn der ersten Klasse hinsichtlich ihrer motorischen Basiskompetenzen untersucht.
40 Prozent der Kinder hatten Schwierigkeiten, einen Purzelbaum zu machen, oder konnten ihn gar nicht. Viele Kinder hatten auch Probleme zu springen, über einen Balken zu balancieren und einen Ball zu prellen. Am meisten Mühe bereitete den Kindern das gezielte Werfen.
Urs Eiholzer, Leiter des Pädiatrisch-Endokrinologischen Zentrums Zürich, sagt: «Wenn sich die Eltern viel bewegen, dann bewegt sich auch das Kind viel.» Die technologische Innovation ermögliche, dass man sich fast nicht mehr zu bewegen brauche. «Wer sich noch bewegt, der tut das ganz bewusst, um schlank und gesund zu sein.»
Die Kinder verbringen ihre Freizeit heute vermehrt im Haus, sagt Andreas Krebs, Bewegungs- und Sportwissenschaftler.
Zum Beispiel vor dem Bildschirm. Laut der aktuellen Studie der Mediennutzung von Kindern haben letztes Jahr die Sechs- bis Siebenjährigen täglich rund 40 bis 50 Minuten fern geschaut. Ausserdem wachse der Verkehr stark, und die Gefahr draussen werde grösser oder zumindest die Wahrnehmung einer Gefahr, so Krebs.
Gleichzeitig mit dieser «Verhäuslichung», wie das Phänomen genannt wird, nehme jedoch auch die «Versportlichung» der Kinder zu. «Sportklubs boomen. Heute gehen die Kinder ins Frühschwimmen, ins Frühleichtathletik oder ins Frühtennis.»
Wie gehen diese Fakten zusammen mit der Tatsache, dass die Kinder im Allgemeinen motorisch und koordinativ immer schlechtere Leistungen erbringen? Der Sportwissenschaftler Christian Herrmann sagt: «Es ist die Schere, die immer weiter auseinandergeht.» Es gebe immer mehr äusserst aktive Kinder, aus aktiven Familien, und immer mehr passive Kinder, vor allem aus sozial benachteiligten Familien.
Gut zu erkennen ist das Auseinanderklaffen bei den aktuellen Zahlen der Gewichtsdaten: Kinder von Eltern ohne Lehrabschluss sind drei- bis viermal so oft übergewichtig wie Kinder von Eltern mit einem höheren Schulabschluss. Bei Kindergartenkindern sind 10 Prozent der Schweizer übergewichtig. Bei den Ausländern liegt der Anteil bei 16 Prozent. Alles in allem jedoch ist die Zahl der übergewichtigen Kinder schweizweit gesunken.