Mutter mit zwölf Jahren, das ist – je nach Perspektive – tragisch oder einfach nur unglaublich. Aussergewöhnlich ist der Fall der schwangeren 12-jährigen Bielerin, der diese Woche bekannt wurde, aber auf jeden Fall. Im Zentrum stehen Fragen wie jene, ob sich der 17-jährige werdende Vater strafbar gemacht hat oder ob eine 12-Jährige überhaupt schon Verantwortung für ein Kind übernehmen kann.
Irène Hösli, Chefärztin für Geburtshilfe und Schwangerschaftsmedizin am Unispital Basel, stellt sich eine andere Frage: Ist eine 12-Jährige in der Lage, ohne grössere Komplikationen zu gebären? Oder wird es gefährlich, wenn ein Kind ein Kind zur Welt bringt?
Diese Fragen, sagt Irène Hösli, würden in der Fachwelt kontrovers diskutiert. Ein Risikofaktor sei die physiologische Unreife des mütterlichen Körpers. «Demgegenüber stehen die deutlich grössere Elastizität des Bindegewebes und die effektivere Wehentätigkeit», sagt die Gynäkologin.
Andere Risikofaktoren, die bei sogenannten Adoleszentenschwangerschaften überdurchschnittlich häufig eine Rolle spielten, seien etwa ungenügende Vitaminzufuhr wegen falscher Ernährung, zu wenige Schwangerschaftskontrollen, soziale und finanzielle Schwierigkeiten und damit einhergehende emotionale Stressbelastungen, sagt Irène Hösli. Kinder von extrem jungen Müttern würden nicht zuletzt deshalb oft zu früh geboren und hätten nicht selten ein verlangsamtes Wachstum.
Nirgendwo seltener als hier
Grundsätzlich sind Schwangerschaften wie jene der 12-jährigen Bielerin aus medizinischer Sicht also höchst unerwünscht. Weltweit gibt es jährlich geschätzte 16 Millionen schwangere Frauen unter 19. Die unter 15-Jährigen machen nur rund ein Prozent aus. «Die Schweiz hat die tiefste Rate an Adoleszentenschwangerschaften von allen Ländern», sagt Hösli. Gründe dafür seien die gute Schulbildung und die Sexualaufklärung, der niederschwellige Zugang zu Verhütungsmitteln und die kulturellen Vorstellungen hinsichtlich der Rolle der Frau.
Zum Fall der 12-Jährigen sagt die Gynäkologin: «Es ist dieser jungen Frau sehr hoch anzurechnen, dass sie das Kind zur Welt bringen will und keinen Schwangerschaftsabbruch durchführen liess.» Wichtig sei für sie jetzt eine professionelle Begleitung durch die Familie, durch Gynäkologen und Psychologen. «Es sollte das Ziel unserer Gesellschaft sein, dass diese jungen Mütter nach der Geburt ihren schulischen oder beruflichen Werdegang fortsetzen können und alle Unterstützung erhalten, die sie benötigen.» (aargauerzeitung.ch)