Dass die Nachfrage nach psychologischer Betreuung in der Corona-Pandemie das Angebot massiv übertraf, ist bereits bekannt. Klar ist nun, dass vor allem junge Frauen in den vergangenen zwei Jahren im Spital psychiatrische Hilfe suchten.
Zwischen 2020 und 2021 ist die Zahl der stationären Spitalaufenthalte wegen psychischer Probleme und Verhaltensstörungen bei Mädchen und jungen Frauen zwischen 10 und 24 Jahren um 26 Prozent angestiegen. Bei gleichaltrigen Männern betrug der Anstieg im selben Zeitraum lediglich 6 Prozent, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) am Montag mitteilte.
Mit 19'532 Spitalaufenthalten waren die psychischen Störungen erstmals Hauptursache für die Hospitalisierungen bei den 10- bis 24-Jährigen und beliefen sich in dieser Altersgruppe auf einen prozentualen Anteil von 22,3 Prozent. Bei Erwachsenen ab 25 Jahren blieb die Zahl der stationären Spitalaufenthalte wegen psychischer Probleme und Verhaltensstörungen mit einem moderaten Anstieg von einem Prozent dagegen fast konstant.
Im ersten Pandemiejahr waren die am häufigsten aufgetretenen Störungen bei jungen Frauen affektive Störungen, darunter laut BFS hauptsächlich Depressionen. Bei jungen Männern dagegen überwogen Störungen durch psychotrope Substanzen (beispielsweise Psychopharmaka oder Halluzinogene). Im zweiten Jahr der Corona-Pandemie nahmen die affektiven Störungen dann auch bei den jungen Männern deutlich zu und bei jungen Frauen kam es zu einem ausserordentlichen Anstieg.
Dank mehreren Feldstudien ist bereits bekannt, dass die Corona-Krise jungen Menschen psychisch tendenziell stärker zugesetzt hat als älteren, da sie sich ohnehin bereits in einer herausfordernden Lebensphase befanden. So gestaltete es sich während der Pandemie noch schwieriger, eine Ausbildung zu absolvieren oder ins Berufsleben einzusteigen, weil verschiedene Ausbildungsstätten geschlossen waren. Ausserdem hemmten die pandemiebedingten wirtschaftlichen Schwierigkeiten den Ablöseprozess von der Familie. Aufgrund der angeordneten Massnahmen mussten die jungen Menschen ihr soziales Leben stark einschränken, was sich auf die Entwicklung der Beziehungen zu Gleichaltrigen auswirkte.
Warum aber Mädchen so viel stärker betroffen sind als Jungen, ist noch nicht komplett geklärt. Oliver Bilke-Hentsch, Präsident der Vereinigung Kinder- und Jugendpsychiatrischer Chefärztinnen und Chefärzte der Schweiz, erklärte Anfang Januar in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger , dass Mädchen wohl schlicht sensibler und deshalb besser in der Lage seien, sich mit ihren Sorgen und Problemen auseinanderzusetzen und diese auch anzusprechen, als Jungen. «Buben leiden weniger als Mädchen. Vielmehr neigen sie dazu, ihre Ängste und Probleme zu verdrängen.»
Es seien jedoch vor allem Mädchen, die an schweren Depressionen leiden und ihr Leben oder zumindest viele Bereiche davon als sinnlos empfinden würden. «Sie fragen sich etwa, ob es sich überhaupt lohnt, zu lernen oder irgendetwas im Leben anzustreben.» Dieses Phänomen hat während der Pandemie stark zugenommen.
Meiner Meinung nach müssen einerseits die Eltern, die teils komplett überfordert sind, für extreme oder inexistente Erwartungen sorgen, anderseits die Lehrpersonen, die heute immer mehr überfordert werden, angegangen werden.