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"Es könnte sein, dass..."
"Anscheinend..."
Hui, brisant! Einer hat also etwas behauptet.
Der Zürcher FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann kennt die Banken- und Steuersünderszene. Er arbeitet seit Jahren als Direktor bei der LGT Bank in Zürich, die dem Liechtensteiner Fürstenhaus gehört. Die LGT Gruppe war 2008 selbst in einen grossen Steuerskandal um betuchte deutsche Kunden verwickelt.
In Bezug auf den angeblichen Schweizer Spion Daniel M., der am Freitag in Deutschland verhaftet wurde, sagt Portmann jetzt: «Hinter diesem ganzen Fall steckt mehr.» Zum Umstand, dass das Berliner Aussenministerium die Schweizer Botschafterin einbestellt hat, sagt Portmann: «Es könnte sein, dass Deutschland jetzt so heftig reagiert, weil es wissen will, über welche Informationen die Schweiz genau verfügt.»
Der Bankier sagt: «Es kursieren anscheinend schon länger Dokumente, welche nachweisen wollen, dass auf Bankkundenlisten Namen von hochgestellten deutschen Persönlichkeiten waren, die aber dann, aus welchen Gründen auch immer, wieder von den Listen verschwanden, und dass deutsche Behördenmitglieder in diesem Zusammenhang sich zu korrupten Handlungen verleiten liessen.»
Das würde heissen: Prominente Steuersünder, unter ihnen Politiker, liessen sich gegen Schmiergeld aus dem Sünderregister streichen. Ein ungeheuerlicher Verdacht.
Es sieht jedenfalls so aus, dass solche Dokumente auch bei der Schweizer Bundesanwaltschaft gelandet sind.
Portmann erhebt auch sonst schwere Vorwürfe an Deutschland: «Der deutsche BND hat jahrzehntelang unseren Finanzplatz ausspioniert. Macht es vermutlich noch heute. Die BND-Spione machten in Zürich hemmungslos alles, was verboten ist: Abhören von Besprechungszimmern, Anzapfen von Telefonen, Fotografieren von Bankkunden, verdeckte Ermittlungen. Er schickte auch immer wieder Agenten, die sich als deutsche Kunden ausgaben.»
Daniel M. sitzt in Deutschland «wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit» in Haft. Am Mittwoch bestätigte Corina Eichenberger, Vizepräsidentin der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel), gegenüber dem «Blick», dass der Mann für den Nachrichtendienst des Bundes (NDB) gearbeitet hat. Im Kampf gegen deutsche Steuerfahnder, die geklaute Bankdaten kauften. «Der NDB wollte im Rahmen der Spionageabwehr herausfinden, wer das Mandat dazu gegeben hatte – da wurde Daniel M. eingesetzt», so Eichenberger. Gestützt darauf erliess Bundesanwalt Michael Lauber Haftbefehl gegen drei deutsche Steuerfahnder. Die GPDel will sich am Donnerstag im Detail über die Affäre informieren lassen.
Pikanterweise hat Daniel auch ein Verfahren bei diesem Lauber am Hals. Seit Anfang 2015, wegen wirtschaftlichem Nachrichtendienst. Der ehemalige Polizist und UBS-Sicherheitschef soll gestohlene oder gefälschte Bankdaten an deutsche Ex-Geheimdienstler verkauft haben.
Am Dienstag hatte bereits der Schweizer Geheimdienstchef Markus Seiler vor den Medien von «Gegenspionage» gesprochen. Und damit angedeutet, dass Daniel M. einen Auftrag des NDB hatte.
Das Klima zwischen Deutschland und der Schweiz heizt sich auf. Bedenklich findet das Tim Guldimann, SP-Nationalrat und Ex-Botschafter in Berlin: «Das von NDB-Chef Seiler vorgebrachte Argument der Gegenspionage finde ich nicht gut. Man sollte jetzt beruhigen, statt sich zu rechtfertigen.» Aus Sicht der Deutschen habe die Schweiz ihnen mit dem Bankgeheimnis jahrzehntelang Steuersubstrat entzogen und damit die Steuerkriminalität unterstützt.
«Dass der Ankauf von Steuer-CDs durch Deutschland auch fragwürdig war, ist klar», sagt Guldimann. «Aber das ist vorbei, wir haben uns mit dem Automatischen Informationsaustausch vom Bankgeheimnis verabschiedet. Mit Gerede von Gegenspionage wärmt man das alles jetzt aber wieder auf und rechtfertigt damit indirekt das Bankgeheimnis. So bricht man ohne Not den alten Streit wieder vom Zaun.»
Das Schweizer Aussendepartement versucht derweil, die Wogen zu glätten. «Der deutsche Staatssekretär und Botschafterin Schraner tauschten Informationen aus», sagt Informationschef Jean-Marc Crevoisier lapidar auf die Frage, was die Einbestellung der Botschafterin ergeben habe. Solche Vorgänge seien nicht aussergewöhnlich. In der Regel gehe es darum, durch direkten Austausch Eskalationen in zwischenstaatlichen Beziehungen zu verhindern, und das sei auch vorliegend der Fall.
«Von einer Krise zwischen den beiden Ländern kann nicht die Rede sein», beteuert Crevoisier. «Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern haben sich beträchtlich verbessert, seit die Schweiz den Automatischen Informationsaustausch in Steuersachen übernommen hat. Dies zeigt auch die Einladung von Deutschland an die Schweiz, im Financial Track des G-20-Gipfels dabei zu sein.»
Ganz so harmlos ist die Sache laut Ex-Botschafter Guldimann nicht: «Das Einbestellen einer Botschafterin an sich ist nicht ungewöhnlich. Wenn man das aber gleichzeitig offiziell den Medien mitteilt, dann will man ein politisches Zeichen setzen.» (aargauerzeitung.ch)