Verlobungsringe für 1.50 Franken, iPhone-Ladegeräte für 90 Rappen, Ohrringe für 70 Rappen und das alles inklusive Versandkosten: Willkommen bei Aliexpress, dem Onlinemarktplatz des chinesischen Internetgiganten Alibaba. Die chinesische Version von Amazon sorgt in der Schweiz für eine wahre Flut an Päckchen aus Übersee, wie die Handelszeitung berichtet. Der Grund dafür ist simpel: Die ultratiefen Preise. In der Schweiz muss man etwa für ein vergleichbares Ladekabel auf Amazon mindestens 7.50 CHF plus Versandkosten bezahlen.
Ein original iPhone-Ladegerät von Apple beim Online-Anbieter Digitec kostet gar 19 Franken. Doch: «Solche ‹Original-Produkte› sind kaum mit solchen, die bei Aliexpress zu kaufen sind, zu vergleichen», sagt E-Commerce-Experte Malte Polzin. «Denn hinter diesen Produkten stehen Konzerne, die ein gewisses Mass an Qualität garantieren, andere Infrastrukturen wie z.B. die Apple Stores unterhalten und eine saftige Marge für sich selbst beanspruchen.» Sprich: Apple und Co. geben ihre Geräte bereits teuer an die Detailhändler weiter.
Doch wie kann zum Beispiel ein Mp3-Player für 80 Rappen produziert, verpackt und von China aus in die Schweiz geliefert werden? Eines ist sicher – bei der Hardware wird wenig bis gar nichts gespart. «Der grosse Preisunterschied bei Elektrogeräten entsteht nicht primär in der Produktion. Produktionskosten werden oft überschätzt», sagt Polzin.
So hat zum Beispiel ein Technik-Blogger der Risikokapital-Gesellschaft «Bolt» herausgefunden, dass die Produktionskosten von echten Beats-Kopfhörern nur etwa drei Dollar über denen von Gefälschten liegen. Die Produktion des Originals kostet etwa 20 Dollar, die von Gefälschten 17 Dollar. Bei günstigeren Elektrogeräten dürfte dieser Preisunterschied noch kleiner sein.
Bei der Produktion liegt der Hund also nicht begraben. Bleibt das Angebot und der Versand. «Bei Ricardo und Co. gibt es viele Privatpersonen und Handelsfirmen, die ihre Geräte von chinesischen Händlern einkaufen und auf Amazon weiterverkaufen, also als Zwischenhändler fungieren», sagt Polzin. Diese Zwischenhändler wollen auch etwas an diesem Geschäft verdienen, also wird das Produkt teurer.
Weiter sind die Versandkosten von Paketen aus Deutschland in die Schweiz teurer als aus China. «Es ist absurd, aber wenn Aliexpress/Alibaba, wie jüngst berichtet wurde, ein Lager in Bulgarien einrichten würde, wären die Versandkosten aktuell trotzdem teurer, als wenn sie die Waren direkt aus China schicken», so Polzin weiter. Der Grund dafür ist, dass China vom Weltpostverein als Entwicklungsland eingestuft wird und somit günstiger in die Schweiz liefern kann als zum Beispiel Deutschland oder Bulgarien.
Die tatsächlichen Kosten der Versendung übersteigen aber die von China an die Schweizer Post bezahlten Vergütungen. «Die Schweizer Post und damit indirekt die Schweizer Händler müssen den chinesischen Online-Handel subventionieren», sagt Patrick Kessler, Präsident des Versandhandelsverbands, zur Handelszeitung. Dies soll aber nicht mehr lange so bleiben. Bis 2021 sollen auf Drängen der westeuropäischen Postverbunde die Posttarife angeglichen werden.
Doch um Spottpreise wie 80 Rappen für ein Ladekabel erzielen zu können, muss weiter an den Kosten geschraubt werden. So sehr sogar, dass die Anbieter dabei möglicherweise Verluste einfahren. «Solche Angebotsplattformen wie Alibaba und Amazon funktionieren mit einem Bewertungssystem. Je besser und zahlreicher die Bewertungen eines Anbieters sind, desto weiter oben wird er bei der Suche gelistet», sagt Polzin. «Es ist also denkbar, dass ein Anbieter ein Produkt für kurze Zeit noch günstiger anbietet, um bessere Bewertungen einzufahren und in Zukunft besser gelistet zu werden.»