Katharine Hamnett, Sie engagieren sich schon lange für faire Mode. Was hat ursprünglich den Ausschlag gegeben?
Katharine Hamnett: Ich habe mich schon sehr früh – in den 80er-Jahren – angefangen zu fragen, ob man im Mode-Zirkus überhaupt nach ethischen Grundsätzen arbeiten kann. Ob ich überhaupt Mode entwerfen und produzieren kann, ohne jemandem damit ernsthaft zu schaden.
Und was war die Erkenntnis?
Ich musste feststellen, dass genau das Gegenteil zutrifft: Mode beutet grundsätzlich sehr viele Leute aus. Das verdeutlicht nur schon die Zahl von 27 Millionen Kleidernäherinnen, die praktisch als Sklavinnen arbeiten müssen. Von den Baumwoll-Bauern reden wir da noch gar nicht.
Dennoch ist Fair Fashion immer noch ein Nischenprodukt. Wie können Sie der fair produzierten Mode endlich zum Durchbruch verhelfen?
Ich versuche es ständig ...
Die Konsumenten würden inzwischen sehr wohl fair produzierte Mode tragen wollen – wenn sie zum gleichen Preis wie die «normale» Mode zu haben wäre. Aber um das zu erreichen, brauchen wir bessere Gesetze. Auf freiwilliger Basis ist das nicht hinzukriegen.
Was würden wir mit Gesetzen gewinnen?
Wir müssen garantieren können, dass die Textilien, die wir heute billig aus Bangladesch, Kambodscha oder China nach Europa importieren, unter menschenwürdigen Umständen hergestellt werden. Dafür müssten die Arbeitsgesetze in diesen Ländern die gleichen sein wie die in der EU.
Zurück zu Ihnen: Was können Sie als Designerin tun?
Ich habe versucht, mit grossen Firmen zusammenzuarbeiten. Angefangen bei Marks & Spencer (eine grosse britische Supermarktkette, Anm. d. Red.), mit dem italienischen Coop und sogar mit dem US-Rapper Kanye West.
Was ist dabei herausgekommen?
Nichts. Es hat alles nichts gebracht. Ich bin kläglich gescheitert.
Warum?
Nehmen Sie Marks & Spencer: Die haben sich geweigert, die Fair-Fashion-Kollektion entsprechend zu vermarkten. Am Ende wollten sie die Kleider nicht labeln und schreiben, dass sie das erste grosse englische Modeunternehmen sind, das eine Kollektion aus Bio-Baumwolle macht.
Weshalb nicht?
Weil sie Angst hatten, dass die Leute fragen: «Was ist mit der anderen, normalen Baumwolle?»
Was war mit Kanye West?
Er sagte, er wolle den Baumwoll-Bauern helfen, aber er hat am Ende nichts dafür getan. Deshalb arbeite ich mit Helvetas zusammen: Die wissen, wovon sie reden und helfen den Bauern wirklich.
Warum hat es Fair Fashion in der Modewelt so schwer?
Weil die grossen Marken und die wichtigen Designer sich immer noch nicht um die sozialen und ökologischen Auswirkungen ihrer Produkte kümmern. Sie tun einfach nichts!
Warum macht Fair Fashion immer den Eindruck, nicht sexy zu sein?
Weil sie es meistens tatsächlich nicht ist. Aber es braucht mehr junge Designer und grosse Marken, die nachhaltig produzierte Materialien verwenden. Es gibt langsam wirklich keine Entschuldigung mehr.
Was erwarten Sie von den grossen Modeketten und Modeschöpfern?
Nichts. Leider. Hingegen sollte jeder modeinteressierte Mensch selber in Aktion treten und seiner bevorzugten Marke – Gucci, Prada, Roberto Cavalli, Burberry, wer auch immer das ist – einen Brief schreiben und nachhaltig produzierte Kleider verlangen.
Sie verlangen, dass die Konsumenten auf die Barrikaden gehen?
Ja. Ich rufe alle Fashion-Victims auf: Sag deinem bevorzugten Designer, dass du sein Zeugs zwar liebst, aber dass du aufhören wirst, es zu kaufen, bis sie Materialien dafür verwenden, die weder Menschenleben noch den Planeten zerstören!
Wer sind aus Ihrer Sicht die engagiertesten Designer, was Fair Fashion angeht?
Viele junge Designer engagieren sich bereits sehr. Zum Beispiel People Tree oder Eileen Fisher.
Aber das sind weder die ganz grossen noch die bekannten Marken ...
Ja, aber H&M, für die ich übrigens auch schon eine Kollektion entworfen habe, steigt jetzt auch gross ein. Und in der Schweiz darf man Hess Natur natürlich nicht vergessen.
Was muss man als Modeschöpfer beachten, wenn man Fair Fashion machen will?
Man darf den sozialen und ökologischen Fussabdruck, den man hinterlässt, nie vergessen. Bei allem, was man tut.
Wie kamen Sie überhaupt dazu, mit Helvetas zusammenzuarbeiten?
Wir sind beide überzeugt davon, dass der Weg zu fair produzierter Mode bei den Baumwollbauern anfangen muss. Wir wollten beide die Bauern dazu bringen, biologische Baumwolle zu produzieren. Das hat uns von Anfang an verbunden und ist bis heute so geblieben.
Warum steht «LOVE» auf den T-Shirts, die Sie für die «Slow Fashion Container»-Kampagne entworfen haben?
Liebe ist das, worum es immer und überall geht. Die Liebe zum Planeten Erde, die Liebe zum Leben auf Erden, einander zu lieben. Ich will, dass die Erde überlebt und bin überzeugt, dass die Zivilisation auseinanderfällt, wenn die Menschen aufhören, füreinander da zu sein.
>>> Die von Katharine Hamnett designten T-Shirts kannst du hier bestellen.
Von den 100'000 T-Shirts aus dem Slow-Fashion-Container haben wir 50 Stück bestellt, die ein eigenes watson-Design verpasst bekommen.
Wir sammeln eure Design-Vorschläge. Wenn genügend Ideen bei uns eingegangen sind, wird ein Modell ausgewählt – anschliessend verlosen wir die 50 watson-T-Shirts unter den Usern.