Am 25. August 2017 brach für Hunderttausende Rohingya die Hölle los.
Gemäss eines am Montag veröffentlichten UNO-Berichts hat die Militärführung Myanmars beispiellose Vergehen gegen die Rohingya zu verantworten. So wird dem Oberbefehlshaber und fünf weiteren Personen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zu Last gelegt.
Mindestens 10'000 Personen seien getötet worden, schreiben die Menschenrechtsexperten. Es kam zu Massenvergewaltigungen, Folter, Versklavung und Gewalt gegen Kinder. 700'000 Rohingya wurden in die Flucht gezwungen und mussten das Land verlassen. Oberbefehlshaber Min Aung Hlaing sprach selber von einer «Säuberungs-Aktion».
Folgende Ausschnitte aus dem Bericht zeigen, welches Leid die muslimische Minderheit über sich ergehen lassen musste:
Die «Säuberungs-Aktion» endete gemäss der Regierung Myanmars im September 2017. Wahrscheinlich ging sie jedoch weiter bis in den Oktober, schreiben die Ermittler der UNO.
Die Angriffe auf die Rohingya seien von langer Hand geplant gewesen, heisst es im Bericht weiter. Min Aung Hlaing habe die Rohingya öffentlich als «Bengali-Problem» bezeichnet und kündete an, «das Problem» zu lösen.
Die Ermittler der UNO verlangen nun, dass dem Oberbefehlshaber und fünf weiteren namentlich genannten Kommandanten des Militärs der Prozess gemacht wird.
«Wir sind kein Gericht», betonte am Montag der australische Menschenrechtsanwalt Christopher Sidoti, einer der drei Leiter der Untersuchungskommission. «Wir hebeln die Unschuldsvermutung nicht aus. Aber wir haben aber genügend Beweise für Elemente eines Völkermordes gefunden, dass wir Ermittlungen und Anklagen vor einem internationalen Tribunal empfehlen.»
Einer der namentlich genannten Generäle ist Soe Win. Er ist die Nummer zwei in der Hierarchie, gleich unter Min Aung Hlaing.
Und nun wird es brisant: Denn der Vize-Oberkommandant besuchte zusammen mit fünf weiteren Armeeangehörigen im Oktober 2017 die Schweiz. Also einen Monat nach dem die «Säuberungen» offiziell beendet waren und Soe Win zusammen mit seinen Mitstreitern Hunderttausende Personen ins Elend stürzte.
Publik wurde die Reise vergangenen Herbst durch die NGO Amnesty International. Sie kritisierte den Besuch der sechsköpfigen Delegation damals scharf. «Die Schweiz hätte diesen Besuch annullieren müssen», sagte Amnesty-Sprecher Beat Gerber. Die EU hatte zu diesem Zeitpunkt bereits alle offiziellen Besuche aus Myanmar abgesagt.
Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) bestätigte auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA, dass die Gruppe für eine «Studienreise zum Föderalismus» vom 16. bis 21.Oktober in die Schweiz gekommen sei. Auf dem Programm stand ein Treffen mit der Bundesverwaltung und Vertretern des IKRK.
Zu einer Absage führten die Gräueltaten in Myanmar nicht. Allerdings habe man das Reiseprogramm angepasst, teilte das EDA damals mit. Den Gesprächspartnern sei mitgeteilt worden, dass die Schweiz die bewaffnete Gewalt in Rakhine verurteilt, hiess es aus Bern.
Zudem seien die Besucher darauf hingewiesen worden, dass es die Pflicht eines jeden Staates sei, die völkerrechtlichen Verpflichtungen zu respektieren und insbesondere Verstösse gegen die Menschenrechte zu verhindern.
Der Hinweis des EDA kam jedoch für Hunderttausende Rohingya zu spät. Zum Zeitpunkt der «Studienreise» hatte der Gast aus Myanmar zusammen mit weiteren Armeekader bereits die totale oder partielle Zerstörung von 392 Dörfern veranlasst.
Durch den am Montag veröffentlichten Bericht der UNO wird klarer denn je: Die offizielle Schweiz hat einen mutmasslichen Kriegsverbrecher beherbergt. Nicht nur für einige Stunden, sondern für fast eine Woche.