Schweiz
International

Soe Win: General aus Myanmar besuchte die Schweiz

epa06569766 Myanmar's vice senior general Soe Win (L) arrives at the Joint Implementation Coordination Meeting (JICM) on the Nationwide Ceasefire Agreement in Naypyitaw, Myanmar, 28 February 2018 ...
Mitverantwortlich für die Verbrechen an den Rohingya: General Soe Win aus Myanmar.Bild: EPA/EPA

Erst stürzte er Hunderttausende ins Elend – dann besuchte Soe Win offiziell die Schweiz

Ein Uno-Bericht verdeutlicht das Ausmass der Gräueltaten, welche die Armee Myanmars begangen hat. Genannt werden auch die Hauptverantwortlichen. Einer davon besuchte erst kürzlich die Schweiz. 
28.08.2018, 20:5329.08.2018, 09:49
Corsin Manser
Mehr «Schweiz»

Am 25. August 2017 brach für Hunderttausende Rohingya die Hölle los. 

«Dieser Tag fühlte sich an wie der letzte Tag dieser Welt, als ob die ganze Welt zusammenbrechen würde. Ich dachte, der Tag des jüngsten Gerichts sei gekommen.»
Augenzeuge im UNO-Bericht zu Myanmar

Gemäss eines am Montag veröffentlichten UNO-Berichts hat die Militärführung Myanmars beispiellose Vergehen gegen die Rohingya zu verantworten. So wird dem Oberbefehlshaber und fünf weiteren Personen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zu Last gelegt. 

Mindestens 10'000 Personen seien getötet worden, schreiben die Menschenrechtsexperten. Es kam zu Massenvergewaltigungen, Folter, Versklavung und Gewalt gegen Kinder. 700'000 Rohingya wurden in die Flucht gezwungen und mussten das Land verlassen. Oberbefehlshaber Min Aung Hlaing sprach selber von einer «Säuberungs-Aktion».

epa04942550 Senior General Min Aung Hlaing, commander in chief of the Myanmar Army talks during the meeting with journalists at Commander in Chief office in Naypyitaw, Myanmar, 21 September 2015. Myan ...
Ihm werden Krirgsverbrechen angelastet: Myanmars Oberster Armeekommandant Min Aung Hlain. Bild: EPA/POOL

Folgende Ausschnitte aus dem Bericht zeigen, welches Leid die muslimische Minderheit über sich ergehen lassen musste:

«Massenmorde wurden in den Dörfern Min Gyi, Maung Nu, Chut Pyin und Gudar Pyin begangen. In einigen Fällen starben Hunderte von Menschen. Sowohl in Min Gyi als auch in Maung Nu mussten sich die Dorfbewohner versammeln. Dann wurden die Männer und Jungen getrennt und getötet. In Min Gyi wurden Frauen in nahegelegene Häuser gebracht, vergewaltigt, dann getötet oder schwer verletzt. Die Häuser wurden verschlossen und dann in Brand gesetzt.»
«Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt wurden massenhaft begangen. In mindestens zehn Dörfern des Rakhine-Staates fanden grossangelegte Massenvergewaltigungen statt. Manchmal wurden bis zu 40 Frauen und Mädchen vergewaltigt. Eine Überlebende sagte: ‹Ich hatte Glück, ich wurde nur von drei Männern vergewaltigt.›»
«Kinder wurden schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt und wurden Zeuge von Tötung, Verstümmelung und sexueller Gewalt. Kinder wurden vor den Augen ihrer Eltern getötet und junge Mädchen wurden Opfer von sexueller Gewalt. »

Angriffe auf Rohingya lange geplant

Die «Säuberungs-Aktion» endete gemäss der Regierung Myanmars im September 2017. Wahrscheinlich ging sie jedoch weiter bis in den Oktober, schreiben die Ermittler der UNO.

Die Angriffe auf die Rohingya seien von langer Hand geplant gewesen, heisst es im Bericht weiter. Min Aung Hlaing habe die Rohingya öffentlich als «Bengali-Problem» bezeichnet und kündete an, «das Problem» zu lösen. 

Die Ermittler der UNO verlangen nun, dass dem Oberbefehlshaber und fünf weiteren namentlich genannten Kommandanten des Militärs der Prozess gemacht wird.

epa06973610 Rohingya refugees walk on a road along a makeshift camp in Kutubpalang, Cox Bazar district, Bangladesh, 26 August 2018. The day before marked the first anniversary of neighboring Myanmar&# ...
Über eine halbe Million Rohingya leben heute in Flüchtlingslager in Bangladesch.Bild: EPA/EPA

«Wir sind kein Gericht», betonte am Montag der australische Menschenrechtsanwalt Christopher Sidoti, einer der drei Leiter der Untersuchungskommission. «Wir hebeln die Unschuldsvermutung nicht aus. Aber wir haben aber genügend Beweise für Elemente eines Völkermordes gefunden, dass wir Ermittlungen und Anklagen vor einem internationalen Tribunal empfehlen.»

Nach den Verbrechen zu Besuch in der Schweiz

Einer der namentlich genannten Generäle ist Soe Win. Er ist die Nummer zwei in der Hierarchie, gleich unter Min Aung Hlaing.

Und nun wird es brisant: Denn der Vize-Oberkommandant besuchte zusammen mit fünf weiteren Armeeangehörigen im Oktober 2017 die Schweiz. Also einen Monat nach dem die «Säuberungen» offiziell beendet waren und Soe Win zusammen mit seinen Mitstreitern Hunderttausende Personen ins Elend stürzte. 

Publik wurde die Reise vergangenen Herbst durch die NGO Amnesty International. Sie kritisierte den Besuch der sechsköpfigen Delegation damals scharf. «Die Schweiz hätte diesen Besuch annullieren müssen», sagte Amnesty-Sprecher Beat Gerber. Die EU hatte zu diesem Zeitpunkt bereits alle offiziellen Besuche aus Myanmar abgesagt.

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) bestätigte auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA, dass die Gruppe für eine «Studienreise zum Föderalismus» vom 16. bis 21.Oktober in die Schweiz gekommen sei. Auf dem Programm stand ein Treffen mit der Bundesverwaltung und Vertretern des IKRK.

Zu einer Absage führten die Gräueltaten in Myanmar nicht. Allerdings habe man das Reiseprogramm angepasst, teilte das EDA damals mit. Den Gesprächspartnern sei mitgeteilt worden, dass die Schweiz die bewaffnete Gewalt in Rakhine verurteilt, hiess es aus Bern.

Zudem seien die Besucher darauf hingewiesen worden, dass es die Pflicht eines jeden Staates sei, die völkerrechtlichen Verpflichtungen zu respektieren und insbesondere Verstösse gegen die Menschenrechte zu verhindern.

Der Hinweis des EDA kam jedoch für Hunderttausende Rohingya zu spät. Zum Zeitpunkt der «Studienreise» hatte der Gast aus Myanmar zusammen mit weiteren Armeekader bereits die totale oder partielle Zerstörung von 392 Dörfern veranlasst.

Durch den am Montag veröffentlichten Bericht der UNO wird klarer denn je: Die offizielle Schweiz hat einen mutmasslichen Kriegsverbrecher beherbergt. Nicht nur für einige Stunden, sondern für fast eine Woche. 

340'000 Rohingya-Minderjährige in Chaos und Elend

1 / 11
340'000 Rohingya-Minderjährige in Chaos und Elend
Die furchtbaren Zustände in den Zufluchtsgebieten der aus Myanmar geflohenen Rohingya sind nach einem Bericht des UNO-Kinderhilfswerks UNICEF für Kinder und Jugendliche unzumutbar.
quelle: ap/ap / dar yasin
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Verbrechen gegen Menschlichkeit in Myanmar

Video: srf
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
23 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Joe Smith
28.08.2018 21:18registriert November 2017
Wie immer wäre bei Berichten über einen Bericht ein Link zum Originalbericht äusserst hilfreich.

Der Bericht (20 Seiten, englisch): https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/FFM-Myanmar/A_HRC_39_64.pdf

Ein paar Satellitenfotos dazu: https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/FFM-Myanmar/ImageryofRakhineState.pdf

Ich benutze das Wort «erschütternd» selten. Hier trifft es für einmal zu.
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Ehringer
28.08.2018 22:01registriert Februar 2015
Ich verurteile die Aktion in Myanmar auch. Ich verurteile jede einzelne Person, die an dieser Aktion mitgewirkt hat. Im Gegensatz zur EU sehe ich aber einen "Besuchs-Boykott" nicht als die richtige Lösung an.

Grundlegend mag ich den Weg, den die Schweiz eingeschlagen hat. Wenn schon ein Staatsbesuch vorgesehen ist, kann man den Nutzen, um denen gehörig die Meinung zu sagen. Nur gehe ich davon aus, dass die Schweiz wieder einmal nicht wirklich Stellung bezogen hat. Wahrscheinlich haben sie eher noch angeboten, Waffen dafür zu liefern (gehört ja offenbar zur humanitären Tradition der Schweiz).
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Weissbrot
29.08.2018 06:08registriert August 2018
Würde Gerechtigkeit was bedeuten, hätte man den Typen sofort einsperren und dann vor internationalen Gerichtshof bringen sollen.Lieber Waffen verkaufen!
00
Melden
Zum Kommentar
23
Futuristische Dyson-Händetrockner ärgern die Nutzer – jetzt reagiert der Flughafen Zürich
Der Swiss-Hub hat in manchen seiner WC-Anlagen moderne Händetrockner installiert, die bei den Passagieren offenbar nicht auf Anklang stossen, wie sich nun zeigt.

Die britische Firma Dyson ist darauf spezialisiert, etablierte Alltagsgeräte neu zu denken. So entstand beispielsweise der Staubsauger ohne Beutel oder das Airblade, ein starker Händetrockner mit einem Luftstrom so dünn wie ein Messer. Vor einigen Jahren präsentierte Dyson eine weitere Innovation für das öffentliche Badezimmer: den «Wash & Dry». Dabei handelt es sich um eine Kombination aus Wasserhahn und Händetrockner. Das Design erinnert an einen Velolenker, mit den beiden Luftdüsen auf der Seite.

Zur Story