Das Glarner Stimmvolk hat Nein
gesagt zu einem Verhüllungsverbot. Wie überraschend ist das
Ergebnis?
Man muss dazu sagen, dass man keine
exakten Zahlen hat. Es wird nur geschätzt. Offiziell fiel das
Resultat mit einem Stimmenverhältnis von zwei zu eins relativ klar
aus. Aus meiner Perspektive – ich sass etwas
oberhalb auf einer Tribüne – war es aber nicht so
deutlich. Allzu überraschend ist das Resultat nicht, die
Pro-Stimmen entsprechen ungefähr dem Stimmvolumen der SVP, aus
deren Reihen das Begehren kam. Trotzdem hätte ich gedacht, dass die
Nein-Stimmen zahlreicher sind.
Sie haben eine deutlichere Ablehnung erwartet? Immerhin wurde doch aber das Minarett-Verbot seinerzeit deutlich angenommen ...
Ja, aber das war eine nationale Vorlage, die an der Urne entschieden wurde. Bei der Landsgemeinde spielen
andere Faktoren als bei einer Urnenabstimmung. Die Abstimmung ist
öffentlich und es wird nur über kantonale Vorlagen und Begehren
abgestimmt. Diese betreffen den Bürger in der Regel mehr als
nationale Vorlagen. Das führt dazu, dass es ideologisch-symbolische
Anliegen im Ring schwerer haben als an der Urne. An der Urne kann man
eher Dampf ablassen, an der Landsgemeinde wird das nicht so gerne
gesehen, da setzt man auf eine Art Common Sense. Ich würde behaupten, dass öffentliches Abstimmen vernunftbasiertes Verhalten fördert – zumindest mehr als geheimes Abstimmen.
Sie erwähnten den Common Sense, der Stimmbevölkerung an der Landsgemeinde leite. Ist der Kanton besonders liberal?
Nein, im Gegenteil. Bei praktisch allen
nationalen Vorlagen liegt man nahe bei den konservativen
Innerschweizer Kantonen. Im gesamtschweizerischen Verhältnis ist der
Glarus sogar stockkonservativ. Es ist der Faktor Öffentlichkeit, der
entscheidend ist. Und der ist halt nun einmal bei Landsgemeinden
speziell gegeben.
Sowohl Gegner als auch Befürworter
führen das Ergebnis darauf zurück, dass zuerst eine nationale
Vorlage abgewartet werden soll, anstatt in Eigenregie vorzupreschen.
Ja, das war sicher einer der Hauptgründe für das Nein. Zudem waren Regierung und Parlament dagegen, das
spielte ebenfalls eine gewichtige Rolle.
Das Egerkinger-Komitee um
SVP-Nationalrat Walter Wobmann sammelt gegenwärtig Unterschriften
für eine nationale Volksinitiative. Welches Zeichen wurde mit dem
deutlichen Nein am Sonntag gesetzt?
Das ist schwer zu beurteilen. Ein
klares Ja hätte man sicherlich als Auftrieb für eine nationale
Initiative interpretieren können. Jetzt ist es eher neutral. Aber
fragen Sie mich in zwei, drei Jahren nochmals, wenn die Initiative
tatsächlich bevorsteht. Bei emotional aufgeladenen Themen wie einem
Verhüllungsverbot spielen dutzende Faktoren mit, die wir jetzt noch gar
nicht beurteilen können. Stellen Sie sich vor, kurz vor einer
Abstimmung in der Schweiz wird in einem Nachbarland ein
Selbstmordattentat von einer Burkaträgerin ausgeübt. Dann ist ein Ja an der Urne so sicher wie das Amen in der Kirche.
Das Tessin hingegen hat das Burkaverbot im vergangenen Jahr angenommen – obwohl schon absehbar war, dass eine nationale Initiative lanciert werden würde.
Ja, aber das
Tessin ist auch bei anderen Fragen ausgeschert, bei der
Ausschaffungsinitiative etwa, oder bei der
Masseneinwanderungs-Initiative, wo man schweizweit den höchsten
Ja-Anteil hatte. Dafür, dass das Tessin vor 30 Jahren ein
europhiler, liberaler Kanton war, ist es in den letzten Jahren in ein
völlig anderes Feld abgedriftet. Um auf Ihre Frage zurückzukommen:
Das Tessin ist also nicht mit Glarus zu vergleichen?
Nein, beim Thema Burka noch
weniger als anderswo. Es ist einfach zu weit weg, geographisch,
wirtschaftlich, kulturell und gesellschaftlich. Im Glarus
orientiert man sich eher an den Innerschweizer Kantonen oder an
Zürich. Wenn Zürich ja zu einem Burkaverbot gestimmt hätte, wer
weiss, wie das Resultat in Glarus ausgefallen wäre. Aber man muss auch sehen, dass Burkas in Glarus effektiv kein Thema sind. Selbst wer das Tragen einer Burka aus ideologischen Gründen ablehnt, muss feststellen, dass es im Kanton kaum Burkaträgerinnen gibt.
SVP-Mitglied Rolland Hämmerli, der
den Antrag eingereicht hatte, betonte vor allem Sicherheitsaspekte. Mit dem Verhüllungsverbot hätte man eine
Handhabe gegen Hooligans, Vermummte und Chaoten. Ein Fehler?
Es war ein Versuch, die Vorlage breiter
abzustützen, weg von der islamophoben Schiene, hin zu
Sicherheitsargumenten. Im Ring selber wurde dieses Argument aber
gekontert, ein Votant brachte das mit einer einfachen Formel auf den
Punkt: ‹Wenn wir ja schon ein griffiges Hooligankonkordat haben,
wieso brauchen wir auch noch ein Vermummungsverbot, das ebenfalls
gegen Fussballfans gerichtet ist?› Die starke Betonung der
Sicherheitsfrage war eher ein Eigengoal, ja.
Wenige Wochen vor der Abstimmung
formierte sich in einer Hauruckübung ein Bürgerkomitee der Operation Libero, die entscheidend zum DSI-Nein
beigetragen hatte. Hatte das Komitee einen entscheidenden Einfluss
auf die Abstimmung?
Schwierig zu beurteilen. Ich habe das
Grüppchen im Vorfeld der Abstimmung getroffen, das waren 20, 30
Leute. Rein numerisch spielten sie keine Rolle. Aber es ist gut
möglich, dass sie dazu beigetragen haben, dem Thema medial mehr
Aufmerksamkeit zu verschaffen, und dass sie ein paar Junge mobilisiert
haben, überhaupt an die Landsgemeinde zu kommen. Schlussendlich ist
das nämlich entscheidend: Wer reist an einem regnerischen,
nebelverhangenen Sonntagmorgen nach Glarus und wer nicht?