Luzi Stamm (66) ist in der Nacht nach einer Lobby-Veranstaltung in Bern unterwegs gewesen. Der SVP-Nationalrat lauscht einem Strassenmusiker, kommt mit ihm ins Gespräch und ist plötzlich mit der Frage konfrontiert, ob er Kokain kaufen wolle. Stamm, ein erfahrener Anwalt und Richter, geht nach eigener Erzählart spontan auf den Deal ein – und geht damit am nächsten Tag zur Polizei. Er will mit seiner Aktion die Politik wachrütteln und der Drogenmafia das Handwerk legen. Sein Vorgehen wirft aber Fragen auf – und könnte ihm bis zu drei Jahren Gefängnis einbringen.
Ja, der Aargauer SVP-Nationalrat Luzi Stamm ist praktizierender Anwalt und war zu Zeiten der Zürcher Platzspitz-Drogenhölle Gerichtspräsident und verurteilte damals Kleindealer. Er kennt das Betäubungsmittelgesetz und weiss, welche Strafen drohen.
Die Berner Kantonspolizei hat einen Schnelltest gemacht und bestätigt: Es handelt sich um Kokain oder ein Kokain-Gemisch.
Nein. Die parlamentarische Immunität schützt Politiker vor «prozessualer Verfolgung» im Rahmen ihres Amtes. Sie kommt nicht zur Anwendung, wenn ein Politiker eine Straftat begeht. Das ist hier der Fall.
Ja. Laut Betäubungsmittelgesetz (Art.19d): Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer: Betäubungsmittel unbefugt besitzt, aufbewahrt, erwirbt oder auf andere Weise erlangt. Ein Offizialdelikt muss von Amtes wegen verfolgt werden. Stamm ist sich dessen durchaus bewusst. Er sagt: «Zumindest das Recht, im Parlament abzustimmen, muss die Polizei mir gewähren.» Er scherzt, er könne frühestens heute, Donnerstag verhaftet werden.
Ein ähnlich gelagerter Fall dürfte Anwalt Stamm aber bereits bekannt sein: Der Genfer MCG-Politiker Eric Stauffer hat vor sechs Jahren ebenfalls auf der Strasse Kokain gekauft – und sich und seine Kollegen vom Mouvement citoyens genevois dabei gefilmt. Er wollte zeigen, wie leicht man in Genf Drogen kaufen kann. Die Erstinstanz verurteilte Stauffer zu einer Busse von 2500 Franken sowie zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 45 Tagen. Er habe gegen das Betäubungsmittelgesetz verstossen. Stauffer rekurrierte.
Vor einem Jahr sprach in das Bundesgericht frei. Das Vorgehen der MCG habe das Risiko verkleinert, dass die Drogen tatsächlich konsumiert würden, so die Lausanner Richter. Die Polizei sei sehr schnell benachrichtigt worden. Die Aktion habe dazu geführt, dass zwei Gramm Kokain beschlagnahmt werden konnten. Zudem wurde der Drogenhändler verhaftet.
Die Polizei klärt nun die Umstände genauer ab: Woher kommt das Kokain? Wann und wo kaufte Stamm das Kokain? Den Hinweisen des Politikers will die Polizei nun näher nachgehen. Auch ist die Strafanzeige noch nicht offiziell eingereicht. Die Polizei hat zwar die Erzählung von Luzi Stamm aufgenommen. Die Anzeige muss er aber auf einem Polizeiposten eingeben.
Fraktionschef Thomas Aeschi amüsiert die ganze Geschichte, er hat das Treffen mit den Polizisten sogar mit Foto festgehalten. Überhaupt löste die Polizeipräsenz in der Wandelhalle viele Reaktionen aus. Jean-Luc Addor (VS) wollte wissen, weshalb er mit Polizisten rede. Verena Herzog (TG) fragte, ob er nun abgeführt werde. Luzi Stamm liess sich nicht beirren.
Das ist unklar. Luzi Stamm hat eine sehr detaillierte Beschreibung eines Musikanten geliefert, der häufig am selben Ort spielt. Für die Polizei sollte die Person identifizierbar sein. Doch die Polizei gibt dazu keine Auskunft. (aargauerzeitung.ch)