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Sterbehilfe: Wie viel Geld darf man für den assistierten Suizid verlangen?

Sterbehilfe boomt: Doch wie viel Geld darf man für den assistierten Suizid verlangen?

Nach dem assistierten Freitod des australischen Forschers David Goodall in der Schweiz wird Exit International von Anfragen überschwemmt – in Zürich wird Suizidhilfe nun zum Gerichtsfall.
12.05.2018, 13:3812.05.2018, 13:43
Andreas Maurer / Schweiz am Wochenende
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104-year-old Australian scientist David Goodall speaks during his press conference a day before his assisted suicide in Basel, Switzerland, on Wednesday, May 9, 2018. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
David Goodall reiste in die Schweiz, um dort Sterbehilfe zu erhalten. Bild: KEYSTONE

Fiona Stewart sitzt im Sterbezimmer in Liestal an ihrem Laptop. Sie ist eine Leiterin der australischen Freitodorganisation Exit International und organisierte David Goodalls (†104) Reise in die Schweiz. Ihre E-Mail-Postfächer überquellen. Weisse Zahlen in roten Feldern zeigen an, dass mehrere tausend Mails ungelesen sind.

Stewart scrollt durch Journalistenanfragen und durch Schreiben von christlichen Fundamentalisten in Grossbuchstaben. Dazwischen stösst sie auf 50 Anfragen von Leuten, die sich, inspiriert von Goodall, ebenfalls das Leben nehmen wollen.

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David Goodall: Bis fast zuletzt wollte er die Medien dabeihaben (Beitrag vom 10. Mai 2018)

Alles andere als ruhig ging es in den Räumlichkeiten der Sterbehilfeorganisation Eternal Spirit am Donnerstagvormittag in Liestal zu und her. David Goodall starb am Mittag im Beisein von Familienmitgliedern. Bis fast zuletzt begleitete ihn eine Gruppe von Journalisten aus aller Welt.  Video: © bz/Simone Morger

Einige Mails sind sehr lang und fassen Biografien und gescheiterte Suizidversuche zusammen. Andere sind ganz kurz. Jemand stellt sich als 17-Jähriger vor und fragt, wie man als Minderjähriger zu tödlichen Medikamenten komme.

Stewart schickt allen die gleiche Antwort: Sie verweist auf das Handbuch. «Wir wollen niemanden dazu ermutigen», sagt sie. Das Handbuch erhält allerdings detaillierte Suizid-Anleitungen. Als Alternative wird die «Schweizer Option» vorgestellt.

Auch Exit Deutsche Schweiz wird von Anfragen überrannt. Die Organisation, die mit Exit International einzig den Namen teilt und nur für Schweizer Freitodbegleitungen anbietet, schaltete eine «wichtige Mitteilung» auf ihrer Website auf. Exit könne Personen, die noch nicht Mitglied seien, im Monat Mai nicht beim Freitod begleiten. Der Grund: «Der Verein stösst derzeit personell an seine Kapazitätsgrenzen.»

Fast tausend Schweizer sterben gemäss dem Bundesamt für Statistik in einem Jahr an einem assistierten Suizid. Vor 15 Jahren waren es weniger als 200.

Wie teuer darf es sein?

Der Anstieg führt dazu, dass Freitod-Organisationen regelmässig mit einer unangenehmen Frage konfrontiert werden: Bereichern sie sich mit ihrem Geschäft? Beihilfe zu Suizid aus selbstsüchtigen Motiven wird gemäss Strafgesetz mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. Doch welcher Preis ist für die Dienstleistung angemessen?

Eternal Spirit und Dignitas verrechnen für Ausländer 10'000 und für Schweizer 4000 Franken. Exit verlangt einen Mitgliederbeitrag von 1100 Franken.

Am Freitag wird sich erstmals ein Gericht mit der Frage nach dem richtigen Preis beschäftigen. Die Zürcher Staatsanwaltschaft strebt einen Musterprozess gegen Dignitas-Chef Ludwig Minelli an. Sie wirft ihm «mehrfache Beihilfe zum Selbstmord aus selbstsüchtigen Motiven» und Wucher vor. Bisher lief das Verfahren allerdings nicht mustergültig.

Dignitas-Gruender Ludwig A. Minelli auf dem Weg ins Bezirksgericht anlaesslich seiner Anklage zur Flyer-Aktion gegen Regierungsraetin Silvia Steiner, aufgenommen am Freitag, 6. April 2018 in Zuerich.  ...
Ludwig Minelli: Der Zürcher Anwalt gründete Dignitas 1998. Nun steht er vor Gericht.Bild: KEYSTONE

Im November wies das Bezirksgericht Uster die Anklageschrift zurück. Der Staatsanwalt besserte sie nach; nun soll der Prozess im zweiten Anlauf starten. Minelli bezeichnete die Vorwürfe als «haltlos und nicht nachvollziehbar». Es gilt die Unschuldsvermutung.

Im Strafprozess geht es um einen assistierten Suizid einer 80-jährigen Deutschen im Jahr 2003 und einen assistierten Doppelsuizid einer 84-jährigen Mutter und einer 55-jährigen Tochter 2010. Das Verfahren zog sich in die Länge, da Minelli bis vor Bundesgericht dafür kämpfte, die Geldflüsse nicht offenlegen zu müssen. Erfolglos.

Der Staatsanwalt wirft Minelli vor, von der 80-Jährigen 100'000 Franken entgegengenommen zu haben. Die Kosten hätten nur 6000 Franken betragen. Um an die Spende zu kommen, habe er vier Ärzte angefragt, bis einer das Rezept ausstellte. Drei lehnten ab, unter anderem weil die Frau nicht todkrank war. Zudem habe Minelli die Asche nicht wie versprochen nach Deutschland geschickt, sondern in den Zürichsee geworfen.

Mutter und Tochter hätten je rund 10'000 Franken bezahlt, wobei sie nur Kosten von je der Hälfte verursacht hätten. Dass der Rest für den «ideologischen Kampf» eingesetzt worden sei, habe ihnen nichts genützt.

Bei Goodall lief alles korrekt ab

Mit ähnlichen Vorwürfen war Eternal-Spirit-Präsidentin Erika Preisig 2015 konfrontiert. Die Basler Staatsanwaltschaft stellte entsprechende Ermittlungen jedoch bald ein. Die Abteilung für Wirtschaftsdelikte kam zum Schluss, die Stiftung habe sogar weniger Geld verlangt, als gerechtfertigt wäre.

Auch bei David Goodalls Tod hielt sich Eternal Spirit an die Gesetze. Thomas Lyssy, Sprecher der Baselbieter Staatsanwaltschaft, fasst die Ermittlungen zusammen: «Es lief alles korrekt ab.» (aargauerzeitung.ch)

Sterbehilfe für gesunde Menschen?

Video: srf
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