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Mit neuer App: Migros greift Viehhändler an und will Bauern zu Direktlieferanten machen

Mit neuer App: Migros greift Viehhändler an und will Bauern zu Direktlieferanten machen

Eine simple App, doch sie hat das Potenzial, den Schweizer Fleischmarkt nachhaltig zu verändern: Ab Februar ist es Landwirten möglich, ihr Schlachtvieh direkt über eine App bei Micarna, der Fleischverarbeiterin der Migros, anzumelden.
06.01.2018, 11:18
Philipp Felber / Schweiz am Wochenende
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Bis jetzt übernahm dies jeweils ein Zwischenhändler. Die Bauern sollen dadurch mehr verdienen.

Für die Viehproduzenten wird die neue App einiges einfacher machen, verspricht Micarna. «Dank Micarna E-Direct werden alle Schweine- und Rindvieh-Lieferanten der Micarna zu Direktlieferanten», heisst es in einer Medienmitteilung, die der «Schweiz am Wochenende» vorliegt, aber noch nicht veröffentlicht wurde. Der Vorteil für die Bauern, laut Micarna: Sie seien damit nicht mehr zeitlich und finanziell von einer Zwischenstation abhängig.

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Bauern verdienen mehrPeter Bosshard, Geschäftsleiter des Schweizerischen Viehhändlerverbands, sieht in der App eine ernst zu nehmende Gefahr. «Micarna will dadurch den Viehhandel und somit auch den Wettbewerb ausschalten», sagt Bosshard. Man dürfe daher als Verband die App nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Wenn der Zwischenhandel faktisch ausgeschaltet ist, stellt sich eine Frage: Verdienen die Landwirte in Zukunft mehr? Ja, sagt Deborah Rutz, Mediensprecherin bei Micarna. Die Landwirte bekommen den Preis, den vorher die Viehhändler erhielten. Nur dass sie diesen nicht teilen müssen. Dass Micarna versucht, den Wettbewerb auszuschalten, sieht Rutz nicht: «Die Landwirte können ja auch andere Apps runterladen und beim Konkurrenten verkaufen.» Zudem gehe man nicht davon aus, dass ab 2018 gleich alle Landwirte die App nutzen werden. «Wir schauen mal, wie die Bauern reagieren», so Rutz.

Zudem arbeite man bei der Pouletmast seit Jahrzehnten direkt mit den Bauern zusammen und dort gäbe es weiterhin Wettbewerb. Denn: «Es greift zu kurz, bei engen Partnerschaften auf fehlenden Wettbewerb zu schliessen», heisst es von Micarna. Wenn die Zusammenarbeit mit einem anderen Partner für einen Bauern lukrativer sei – egal ob aus finanziellen Gründen oder wegen der Betreuung – dann könnten sie mit diesem zusammenarbeiten. Die Erfahrungen aus der Geflügelmast würden sich sicher nicht 1:1 auf andere Gattungen übertragen lassen, sagt Rutz. Das sei auch nicht das Ziel der App.

Neben Micarna hat auch der direkte Konkurrent Bell ebenfalls eine App zur Schlachtviehanmeldung lanciert. Ein Blick in die App-Stores zeigt: Die Downloadzahlen sind bis jetzt noch sehr bescheiden. Peter Bosshard vom Viehhändlerverband sagt, er habe erste Erfahrungen mit Apps gemacht und dabei festgestellt, dass die Landwirte durch eine App nicht in die Abhängigkeit einzelner Abnehmer gelangen möchten.

Ein gewichtiger Unterschied zur Micarna-App: Bell hat ihre App zusammen mit dem Viehhändlerverband ausgearbeitet. Etwas, worauf Micarna bewusst verzichtet hat. «Wir haben die App für die Landwirte und uns entwickelt. Wir wollen näher mit der Landwirtschaft zusammenarbeiten.» Weil Micarna verspricht, dass die Bauern mehr verdienen werden, könnte der Micarna-App mehr Erfolg beschieden sein.

Geschäftsfeld wird sich ändern

Das Betätigungsfeld der Viehhändler werde sich etwas ändern, das sei richtig, sagt Deborah Rutz. Aber wohl nicht im nächsten Jahr. «Wir schaffen die Viehhändler ja nicht ab», sagt Rutz. Gerade bei den Transporten werden die Viehhändler eine wichtige Rolle spielen, so Rutz. Trotz ernstzunehmender Ausgangslage sieht Bosshard seinen Berufsstand dennoch als gut aufgestellt: «Wenn Viehhändler ihre Arbeit gut machen, dann sind sie auch in Zukunft unersetzbar.» (aargauerzeitung.ch)

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27 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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w'ever
06.01.2018 11:55registriert Februar 2016
die bauern werden wohl mehr verdienen, gut so.
die migros wohl auch weil mehr marge.
und der endkonsument bezahlt weiterhin gleich viel, wenn nicht sogar noch mehr, weil aus gründen.
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atomschlaf
06.01.2018 14:27registriert Juli 2015
Die Bauern werden wohl mit höheren Preisen gelockt werden und dadurch vorübergehend profitieren.
Wenn die Viehhändler erst mal ausgeschaltet sind, dann wird die Migros in gewohnter Art mit ihrer ganzen Marktmacht auf die Ankaufspreise drücken.
Dass die Konsumenten profitieren werden, halte ich für sehr unwahrscheinlich.
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Skip Bo
06.01.2018 13:27registriert August 2014
Finde es gut, dass es möglich wird direkt zu liefern.

Ein Viehhändler verlangt pro Rindvieh 50 bis 100 Franken Vermittlungsgebühr, die Transportkosten kommen nach dazu. Der Koordinationsaufwand pro Tier dürfte unter 5 Minuten liegen.

Habe mal versucht herauszufinden wie viel die Micarna dem Viehhändler für meine Tiere bezahlt hat. Das dürfe man mir nicht sagen. Ich gehe davon aus, das der Schlachthof ebenfalls eine Koordinationspauschale bezahlt hat.
Habe dann einen transparenteren Viehhändler gefunden.

Bei Labelproduktion ist man aber nach wie vor auf einen Händler angewiesen.
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