Die Flugüberwachungsspezialisten im Tower des Zürcher Flughafens lassen sich nicht von Kleinigkeiten ablenken. Die Firma Skyguide hat das Radarsystem so eingestellt, dass nur Bewegungen mit einer Geschwindigkeit von über 30 Knoten eine Warnung auslösen. Ein Heissluftballon wird auf dem Bildschirm als hellbrauner Punkt dargestellt, er fällt den Fluglotsen nicht auf. Sie registrieren nicht, wenn er unerlaubt in den Zürcher Luftraum eindringt. Sie merken auch nicht, wenn er sich in der Anflugschneise eines Jumbolino der Swiss befindet.
Vor zwei Jahren kam es deshalb zu einer Beinahe-Katastrophe. In letzter Minute entdeckten die Swiss-Piloten den Ballon und korrigierten ihren Kurs, im Abstand von nur 130 Metern brausten sie über den Ballon hinweg.
Nun hat die Schweizer Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) ihren Bericht publiziert. Das Fazit ist alarmierend. Seit Jahren bestünden systematische Sicherheitsdefizite. Die Sust hat schon früher darauf hingewiesen, doch die Luftfahrtbranche setzte die Sicherheitsempfehlungen damals nicht um. Auch die soeben abgeschlossene Untersuchung bewirkte bisher wenig. Die Sust nennt in ihrem Bericht den Grund: «Die beteiligten Verkehrskreise wiesen sich gegenseitig die Verantwortung für die noch immer bestehenden Sicherheitsdefizite und die schleppende Umsetzung von Verbesserungen zu.»
Die Gefahr geht von Heissluftballonen und Segelflugzeugen aus, die den Jets gefährlich nahe kommen. Die Konflikte häufen sich, weil der Verkehr der Grossen ständig zunimmt. Die Kleinen sind hingegen immer seltener unterwegs, weil die Zahl der Ballonfahrer und Segelflugpiloten stetig sinkt. Sie sehen sich deshalb nur bedingt in der Pflicht, das Problem zu lösen. Mittendrin stehen Skyguide und das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl).
Das Konfliktwarnsystem von Skyguide ignoriert auch zwei Jahre nach dem Beinahe-Crash langsam fliegende Luftfahrzeuge. Das soll sich ändern. Bei Skyguide heisst es dazu: «An der Umsetzung arbeiten wir noch.» Skyguide fordert, dass alle Heissluftballone und Segelflugzeuge mit einem Transponder ausgerüstet werden. Damit werden sie auf Radarsystemen sichtbar. Heute sind diese Geräte nur in speziellen Zonen obligatorisch. Die Segelflugpiloten wehren sich jedoch dagegen, weil sie unnötiges Gewicht vermeiden wollen. Ballonfahrer stören sich an den Kosten von bis zu 6000 Franken pro Gerät.
Das Bazl lehnt eine Transponderpflicht ebenfalls ab. Anstatt das bestehende System zu optimieren, suche es «eine ganzheitliche Lösung». Das Bundesamt arbeitet an einer neuen Organisation des Schweizer Luftraums, damit sich die Kleinen und die Grossen nicht mehr in die Quere kommen. Zu Luftraumverletzungen kommt es fast täglich: 2016 wurden 262 Vorfälle registriert.
Die Sust drängt darauf, dass endlich vorwärtsgemacht wird. Untersuchungsleiter Florian Reitz sagt: «Das Bazl und die Luftfahrtbranche sollten jetzt reagieren, bevor eine weitere Katastrophe wie in Überlingen passiert.» 2002 kollidierten dort zwei Flugzeuge in der Luft, 71 Menschen starben.