Der Fall sorgte im Frühjahr 2016 für Aufsehen: Eine Hausstürmung in Malters LU endete mit dem Suizid einer verschanzten Frau. Jetzt hat der ausserordentliche Staatsanwalt Christoph Rüedi entschieden, zwei Polizisten wegen fahrlässiger Tötung anzuklagen. Zuvor hatte der Sohn der Verstorbenen Anzeige eingereicht gegen die Verantwortlichen des Polizeieinsatzes.
Das brisante an dem Entscheid: Bei den angeklagten Polizisten handelt es sich um den Kommandanten der Luzerner Polizei sowie den Kripochef: Die beiden höchsten Ämter, die die Polizei zu besetzen hat.
Rechtsanwalt Gysler, Vertreter des Privatklägers, zeigt sich gegenüber watson zufrieden über den Entscheid, Anklage zu erheben. «Der Beschluss des Staatsanwaltes zeigt ganz klar, dass die beteiligten Polizisten beim Einsatz nicht korrekt gehandelt haben.»
Die beiden beschuldigten Polizeioffiziere reagierten in einem schriftlichen Statement mit «Unverständnis» auf die Anklageerhebung. Sie hätten den Einsatz in Malters nach «bestem Wissen und Gewissen» durchgeführt und sähen es als ihre Aufgabe, «in einer analogen Situation wieder gleich vorzugehen». Sie sähen sich durch die Reaktionen in der Bevölkerung in dieser Haltung bestärkt.
Die Polizeioffiziere erklärten in ihrem Statement weiter, dass sie insgesamt froh seien, dass beim Einsatz keine Polizisten verletzt worden seien. Es seien gefährliche Schüsse abgegeben worden. Sie erinnern an die Hausdurchsuchung von Rehetobel AR von letzter Woche, bei dem zwei Polizisten angeschossen und schwer verletzt worden waren.
Der Vorsteher des Justizdepartements, Paul Winiker (SVP), sagte in einer Stellungnahme am Dienstag, die Situation sei nicht nur für die angeklagten Polizisten, sondern für das gesamte Polizeikorps belastend. Bis zu einem rechtskräftigen Urteil gelte jedoch die Unschuldsvermutung. Die beiden Polizisten üben trotz laufenden Verfahrens weiterhin ihre Ämter aus, dürfen jedoch keine «heiklen Einsätze» mehr leisten. Diese Massnahme, die der Regierungsrat bei Aufnahme der Ermittlungen beschlossen hatte, werde auch jetzt beibehalten, so Winiker.
Mit diesem Entscheid hatte sich der Luzerner Justizdirektor von verschiedenen Seiten Kritik eingehandelt – Kritik, die so schnell nicht verebben dürfte. Rechtsanwalt Gysler spricht gegenüber watson von einer «de facto führerlosen Polizei». Und aus Polizeikreisen verlautet die Forderung nach einem klaren Bekenntnis zu den beiden höchsten Polizeioffizieren: Die aktuelle Regelung schaffe ein Klima des Misstrauens, sagt ein ehemaliger Polizeikommandant in der «Luzerner Zeitung».
Im Hinblick auf den Prozess gibt sich Gysler grundsätzlich zuversichtlich: «Es liegen handfeste Vorwürfe auf dem Tisch, die eigentlich zu einer Verurteilung führen müssten.»
Wann die Verhandlung gegen den Kommandanten und den Kripochef stattfinden wird, ist unklar. Der Staatsanwalt Rüedi sagt auf Anfrage, er erwarte, dass der Prozess noch dieses Jahr über die Bühne gehe. (wst)
Mit Material der sda