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Mit Semih Yavsaner lässt das SRF heute Abend erstmals den Berner Komiker mit Künstlernamen Müslüm ran. Seine Serie «Müslüm Television» ist Teil der Nachfolgeregelung im Comedy-Bereich für die Nach-«Giacobbo/Müller»-Ära. Und natürlich soll Müslüm, einst mit unerreicht lustigen Scherztelefonen berühmt geworden, eine jüngere Generation ansprechen.
Eine der ersten Einstellungen ist bereits die lustigste der ersten Folge. Kenner seines Frühwerks sind sofort an Müslüms Qualitäten als Telefonscherzer erinnert, wenn das Schweizer Fernsehen anruft und ihn fragt, ob er für SRF eine Sendung für den ausländischen Bevölkerungsteil machen könne. Müslüm wirft den Abfallsack in Nachbars Vorgarten, klaut dessen «Tages-Anzeiger» und geht danach zum Kaffeetrinken über. Die Frage, ob er vor eine Kamera stehen könne, beantwortet Müslüm gewohnt schnoddrig-unkompliziert: «Ja sicher chanich vor eine Chamera stehe. Aber bruch ich Bezahlung im Voraus.»
Der Klischee-Türke ist eingeführt.
Im Leutschenbach angekommen, arbeitet Müslüm die Problematik des Unterfangens «Müslüm Television» heraus: Der Solokünstler wandert im Rahmen einer Führung durch die Katakomben der Studios und lässt sich vom Gästebetreuer erklären, dass Fernsehen Teamwork sei. Das passt ihm natürlich nicht. Der bunte Egomane Müslüm leidet inmitten der geballten Biederkeit seines «Führers», der Studiobesucher und des Ambientes. Müslüm bringt ein erstes Mal subtil die Absurdität der Übungsanlage auf den Punkt. Man will eine Sendung machen, die die jungen Secondos abholt, aber alles so machen, wie man es immer gemacht hat. Schwierig.
Müslüms Unterfangen, im Alleingang als Klischee-Türke eine klassische TV-Reportage aus dem Klischee-Türkenviertel Kleinbasel zu machen, scheitert denn auch. Zwar gelingen lustige Strassenumfrage-Szenen auf Kosten von eher prekariatsstämmigen Bewohnern des Kleinbasels, aber Müslüm erkennt zu Recht, dass der Kalauer auf Kosten des einfachen Mannes seinem Ziel zuwiderläuft, die sogenannten Ausländer und die sogenannten Schweizer in ein harmonischeres und verständnisvolleres Zusammenleben zu führen. Formal macht Müslüm für das Scheitern seines Alleingangs technische Pannen, unscharfe Bilder und abgeschnittene Aufnahmen verantwortlich, aber es wird klar: Den Türkensimpel zu geben, der sich über andere Türkensimpel lustig macht, das war nicht Müslüms Plan. Im Kleinbasel braucht es ihn nicht, da braucht er keine Brücken zu schlagen zwischen Schweizern und Ausländern.
Den SRF-Auftrag weiter persiflierend, begibt sich Müslüm folgerichtig in Behandlung einer Kommunikationstrainerin, die, vermutlich wider Willen, eine Karikatur ihrer Gattung abgibt, und macht sich gemäss deren Ratschlag an die Marktforschung in der Zielgruppe. Hier leitet Müslüm die Dialektik des Vorhabens «Müslüm Television» ein. In Migranten-Wohnzimmern von Bern-Bethlehem fragt er nach, was «die Ausländer» sehen wollen. «Drama», «mehr Sexyness wie auf Youtube» und «Luschtig sii», sagen Leute, die ein Maximum an ungespielter Offenheit, Ehrlichkeit, Anständigkeit und Liebenswürdigkeit ausstrahlen.
Der Wunsch nach mehr «sexy Lüüt» im Programm sorgt für ein Missverständnis, das Müslüm ans Zürcher Sechseläuten bringt. Hier läuft er zur Hochform auf, denn sein Werk steht jetzt kurz vor der Vollendung: Die Auflösung des vorurteilgetränkten Widerspruchs zwischen den guten, rechten Schweizern und den hilfsbedürftigen Ghetto-Ausländern, denen ein Programm von SRFs Gnaden zu Teil werden soll.
Müslüm führt die alten, fetten und bornierten Zoifter in ihrer Sechseläuten-Hochstimmung vor, deren Antworten auf seine Frage, ob er auch mitmachen dürfe, ihren Herren-Habitus, ihren Chauvinismus und ihren unterschwelligen Rassismus schonungslos entlarven.
Die Versuche, Berufs-Schweizer wie Christoph Mörgeli, Toni Brunner und Roger Köppel ins Lächerliche zu ziehen, misslingen hingegen. Diese Spezies ist selbst für einen Müslüm zu schlagfertig und zu abgebrüht, um sich eine Blösse zu geben.
Nachdem es Müslüm nicht gelingt, in eine Zunft aufgenommen zu werden, gründet er kurzerhand seine «Zumpft für Alle» und bringt seine Kernbotschaft in bester marxistisch-dialektischer Manier auf den Punkt: Die innergesellschaftlichen Gräben verlaufen nicht entlang der Kategorien Ausländer/Schweizer, sondern zwischen der herrschenden Klasse am Sechseläuten und allen anderen – insbesondere denjenigen im Kleinbasel und Bern-Bethlehem.
Denjenigen, über die wir am Anfang der Sendung noch gelacht haben.