Zuerst die Entwarnung: Die Flüchtlingszahlen haben bis Mitte Mai nur «moderat» zugenommen. Noch immer erwartet der Bundesrat, dass die Zahl der Asylbewerber bald rasant steigen wird – insbesondere an der Südgrenze, wo über die Mittelmeerroute vor allem Eritreer, Gambier und Nigerianer in die Schweiz kommen. Das Staatssekretariat für Migration rechnet damit, dass 2016 ähnlich viele Asylgesuche wie 2015 gestellt werden: gegen 40 000.
Gleichzeitig prognostiziert der Bundesrat in einem gestern veröffentlichten Bericht, dass sich der Flüchtlingsstrom von Syrien über Griechenland verlangsamen wird – sofern die Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei zur Rückübernahme von Flüchtlingen umgesetzt wird. Wie viele Asylsuchende trotzdem nach Europa kommen werden und welche Auswegroute sich abzeichnet, lasse sich nicht vorhersagen.
Nur so viel: Für Syrer sei die Schweiz nach wie vor lediglich ein Transitland. «Für Migranten aus Irak und Afghanistan dürfte die Schweiz allerdings unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Flüchtlingsrouten vermehrt zum Zielland werden», schreibt der Bundesrat.
Nachdem im vergangenen Jahr Hunderttausende Menschen nach Europa geflüchtet waren, forderten die Grenzregionen Verstärkung. Mehrere Vorstösse sind auf nationaler Ebene eingegangen: aus Basel, aus der Ostschweiz und dem Tessin. Gestern hat nun der Bundesrat festgelegt, dass er das Grenzwachtkorps (GWK) auf 2073 Stellen aufstocken will.
Konkret werden 84 Vollzeitstellen geschaffen: Sieben Teams à 12 Personen (siehe Grafik). Zwei Teams kommen fix ins Tessin und eines nach Genf, um das Korps vor Ort zu verstärken. Die übrigen vier Teams agieren als mobile Einsatzgruppen. Eines ist in Lausanne stationiert und kontrolliert die Simplonlinie zwischen Italien und Frankreich (Domodossola-Vallorbe). Zwei Teams verstärken die Grenze im Raum Basel, wo sie vom Jura entlang des Rheins bis an den Bodensee eingesetzt werden. Das vierte Team ist an der Ostgrenze stationiert, um den Reisebusverkehr aus dem Balkan zu filtern.
Alle mobilen Teams sollen auch bei Einbruchswellen im Jura, entlang der Nord- und Ostgrenze bis in die Bündner Südtäler eingesetzt werden. Zudem hat der Bundesrat nach den Anschlägen in Paris acht Stellen geschaffen, um die Terrorabwehr zu verstärken.
Trotz der Aussicht, dass das «Sicherheitsumfeld in absehbarer Zeit herausfordernd bleiben wird», erinnert der Bundesrat daran, dass die Schweiz vergleichsweise gut aufgestellt ist: Weil sie nicht der Zollunion der EU angehört, hat sie die Grenzinfrastruktur samt Personal nie gänzlich abgebaut. Auch wenn also andere Staaten die Grenzkontrolle wieder einführen, könnten sie kaum eine grössere Kontrolldichte erreichen als die Schweiz, so der Bundesrat.
Dabei gehen die Sparübungen, die sich der Bund in den kommenden Jahren auferlegt, auch nicht spurlos an den Zollausgaben vorbei: Gemäss gestern verabschiedeten Stabilisierungsprogramm will der Bundesrat das Budget ab 2017 um eine Milliarde entlasten.
Die Zollverwaltung muss rund 20 Millionen Franken sparen, sieben davon beim Personal. Das sind 52 Vollzeitstellen. Obwohl die Sparpläne des Bundes das Grenzwachtkorps nicht berühren, könne eine Beeinträchtigung der Sicherheitsleistung nicht ausgeschlossen werden, so der Bundesrat. Die Kürzungen bei Infrastruktur, Logistik, Informatik bei der Zollverwaltung betreffe alle Abteilungen – auch die Grenzwache. Auch kontrolliere der zivile Zoll allerlei Schmuggel, von Drogen, über gefälschte Produkte bis zu Lebensmitteln. Auch dies trage zur Sicherheit bei.
Anfang Jahr liess der Bundesrat abklären, wie die Armee der Grenzwache aushelfen könnte, wenn nicht ein paar hundert, sondern mehrere tausend Migranten pro Tag in die Schweiz reisen. Obwohl maximal 2000 Armeeangehörige eingesetzt werden könnten, würden laut Bundesrat schon deren 50 den entscheidenden Unterschied machen.