Schweiz
Migration

Lehrer sollen Sans-Papiers-Kinder verpfeifen können – das sorgt für Entsetzen

epa04731600 A man holds a banner rading 'No One Is Illegal' during a protest for the regularization of all migrants without papers (sans-papiers) in Brussels, Belgium, 03 May 2015. The prote ...
«Niemand ist illegal»: Ein Demonstrant hält ein Schild während einer Kundgebung in Belgien, die für die Rechte von Sans-Papiers kämpft.Bild: EPA/EPA

Lehrer sollen Sans-Papiers-Kinder verpfeifen können – die Reaktionen sind heftig

Lehrer sollen Kinder von Sans-Papiers bei den Behörden verpfeifen können. Das fordert eine Motion der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit. Der Dachverband für Lehrerinnen und Lehrer bezeichnet die Forderung als enorm gefährlich. 
08.02.2018, 06:0508.02.2018, 18:56
Helene Obrist
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Die genaue Zahl der Menschen, die ohne geregelten Aufenthaltsstatus in der Schweiz leben und arbeiten, ist nicht bekannt. Laut einer Auswertung des Staatssekretariat für Migration (SEM) sind es zwischen 58'000 bis 105'000 Menschen. 

Obwohl sich Sans-Papiers illegal in der Schweiz aufhalten, haben sie gesetzlichen Anspruch auf gewisse Sozialversicherungen und eine Gesundheitsversorgung auch ohne Krankenkasse. Die grosse Mehrheit der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) des Nationalrats will dies nun ändern. 

«Wir Lehrer sind nicht Mitarbeiter der Migrationsbehörden.»
Beat W. Zemp, Zentralpräsident des Dachverbands für Lehrerinnen und Lehrer

In einer Motion fordert die Kommission beim Bundesrat eine Verschärfung der Gesetzte. Konkret sollen nur noch Personen mit einem geregelten Aufenthaltsstatus einen Rechtsanspruch auf AHV und Krankenversicherung haben. Zudem sollen Arbeitgeber, die Sans-Papiers illegal anstellen, härter bestraft werden.

Datenaustausch zwischen Lehrer und Behörden

Ein Punkt der Motion sorgt für besonders grosse Kritik: So schreiben die Motionäre, dass der Datenaustausch zwischen staatlichen Stellen betreffend Personen ohne geregelten Aufenthaltsstatus – beispielsweise für Schulbesuche und individuelle Förderung – erleichtert werden soll. Heisst konkret: Lehrer von Schülern, deren Eltern sich illegal in der Schweiz aufhalten, sollen diese bei den Behörden einfacher melden können. Gesetzlich ist dies momentan untersagt. Schulen und Lehrer dürfen Daten über Sans-Papiers nicht an die Behörden weitergeben. 

Beat W. Zemp, Zentralpräsident des Dachverbands für Lehrerinnen und Lehrer in der Schweiz, kritisiert die Forderung der Kommission scharf. «Wir Lehrer sind nicht Mitarbeiter der Migrationsbehörden und werden sicherlich auch nicht zu Spitzeln. Das Recht auf Bildung ist ein Grundrecht. Kinder und Jugendliche, die in der Schweiz sind, haben ein Recht darauf, absolut unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus.»  

«Lehrer sind keine Spitzel»

Zemp bezeichnet die Forderung zudem als gefährlich. «Es würde dem Vertrauensverhältnis zwischen Eltern, Schüler und Lehrer enorm schaden, wenn die Lehrer plötzlich damit beginnen, den Aufenthaltsstatus der Eltern auszuhorchen.»

Auch Bea Schwager von der Sans-Papiers-Anlaufstelle in Zürich ist schockiert über die eingereichte Motion. «Wir sind empört über diesen Vorschlag. Bis anhin wurde das Kindeswohl höher bewertet als deren Aufenthaltsstatus, eine Abkehr davon wäre verheerend und würde gegen die UN-Kinderrechtskonvention verstossen.» 

Kommissionspräsident verteidigt Motion

SVP-Nationalrat Thomas de Courten und Präsident der SGK kann die Kritik nicht verstehen: «Man verweigert sich dadurch einer Klärung und Lösung der allseits anerkannten Missstände. Damit stellt man sich auch gegen die Interessen der Betroffnen. Sie in einem rechtlich nicht existenten Rahmen einfach hängen zu lassen, ist unverantwortlich.» 

Die heutige Situation der Sans-Papiers sei völlig unbefriedigend, meint de Courten weiter. «Die Kommission will mit dieser Motion Klarheit schaffen und Verantwortung übernehmen und die Problematik mit einem breiten, ganzheitlichen Ansatz angehen.»

Der Nationalrat behandelt die Motion voraussichtlich in der Frühjahrssession. Dann wird sich zeigen, ob eine Verschärfung der Gesetze Chancen hat. 

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Video: srf
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164 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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praxis
08.02.2018 08:52registriert Mai 2015
Kinder zu verpfeifen, die lesen, schreiben und rechnen lernen wollen... Supervorschlag, wirklich. Wer hat den diesen Kommissionsmitgliedern das Herz herausgerissen?
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pun
08.02.2018 07:57registriert Februar 2014
Als Primarlehrer halte ich diesen Vorschlag für absolut inakzeptabel und die Argumentation von deCourten heuchlerisch. Jedes Kind hat das Recht auf Bildung. Das ist inhärenter Teil unserer Berufsethik.
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Sanchez
08.02.2018 08:35registriert März 2014
Vom Grundsatz „Kein Mensch ist illegal“ halte ich nichts. Jedes Land soll seine Migration selber steuern dürfen. Dass jedoch Lehrer Versäumnisse der Behörden bereinigen sollen und unschuldige Kinder verpfeiffen sollen, ist ja wohl der Gipfel.
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