Lieber Valentin
Ich bin einer deiner grössten Bewunderer. Und das werde ich auch bleiben.
Wie du dich seit Jahren in den Medien als Anwalt von Leuten ausgibst, die erst seit einer Stunde in U-Haft sitzen und noch gar nichts davon wissen, dass du ihr Anwalt bist! Wie du die armen Tröpfe dank deiner guten Beziehungen zu «Blick», «Tages-Anzeiger» und TeleZüri über die Medien in der öffentlichen Meinung wieder rausgehauen hast, noch bevor die im Knast das erste Nachtessen kriegen! Und wie dich die Leis, Mosers, Mörgelis und anderen gefallenen Helden danach auch noch engagieren und du pro bono für sie arbeitest! Juristisch, aber vor allem im Reputationsmanagement! Und wie du dank deiner Medienpräsenz deine Kanzlei von Akkord-Anwälten ganz ohne die für Anwälte ohnehin verbotene Werbung mit Dutzendfällen füllst und an jedem einzelnen davon mitverdienst! Und das alles unter dem romantischen Label eines «Milieu-Anwalts»!
Chapeau, das ist grosses Kino.
Aber vor allem ist es ein sehr cleveres Geschäftsmodell, von dem alle etwas haben. Du verdienst viel Geld, die Öffentlichkeit kriegt tolle Geschichten zu sehen und zu hören, und deine Kunden kriegen dort einen guten Anwalt, wo es wirklich einen braucht: In den Gerichtshöfen der Moral, wo es bekanntlich keine Prozessordnung gibt. Leute, eben noch als Parias verstossen, steigen dank deines Einflusses und deiner Gewandtheit in den Medien wie Phönixe aus der Asche. Oder werden wenigstens nicht völlig fertiggemacht.
Das ist dein Vermächtnis, aber es reicht dir offenbar nicht mehr. Es muss noch mal was kommen. Für die gebeutelte Stadtzürcher SVP im Kreis 7+8 willst du in den Kantonsrat? Ich dachte, ich höre nicht recht. Und zwar nicht einmal wegen der Partei, die ist ja vom Entertainmentfaktor her ein perfekter Match.
Aber gescheit ist es trotzdem nicht.
Du kannst das gut an deinem künftigen Parteikollegen Roger Köppel beobachten, der auch aufs Alter hin noch mal etwas anderes machen will. Als Journalist war der richtig gut. Weil er das sein Leben lang gemacht hat. Weil er das konnte. Zu seinen besten Zeiten hat der mit der «Weltwoche» die Agenda kantonaler und nationaler Sozialpolitik diktiert, Regierungsrätinnen, Bundesratskandidaten und Nationalbankpräsidenten gestürzt. Nun macht er für die SVP den «Arena»-Tanzbär und die «Weltwoche» ist darob journalistisch auch noch weitgehend wertlos geworden.
Mach es lieber wie der andere Roger. Der bleibt als Radiomacher, Talkshow-Host und Buchautor seiner lebenslangen Rolle treu. Man mag das für wenig innovativ und unbeweglich halten. Aber dank seiner von dieser Kontinuität herrührenden Glaubwürdigkeit nimmt Schawinski im Herbst seiner Karriere auf den öffentlichen und damit auch auf den politischen Diskurs der Schweiz den viel grösseren Einfluss, als er es in der Politik je gekonnt hätte.
Das Gleiche könnte für dich gelten. Aber nur, wenn du bei deinem Geschäftsmodell bleibst und weiterhin als «Milieu-Anwalt» hinter den Kulissen die Fäden ziehst.
Lieber Gruss
Maurice