Der Zürcher Sergio Rigert will viel. Als er 30 war, hatte er bereits seine Autobiografie geschrieben und blickte auf eine Vergangenheit als Nachtclubbesitzer zurück. Den Club musste er aus finanziellen Gründen nach einem knappen Jahr wieder schliessen. Nun ist Rigert zurück, mit genauso vielen Ambitionen, allerdings in einer anderen Branche: Der 32-Jährige tüftelt an seiner Sex-Dienstleistungs-App «Gingr», die Freier und Prostituierte zusammenbringen soll. «Vereinfacht gesagt: Wie Uber, einfach mit Sex», erklärt Rigert seine Idee.
«Gingr» funktioniert wie eine herkömmliche Buchungsplattform, allerdings sind zusätzliche Funktionen eingeplant. «Statt einfach eine Prostituierte zu buchen, kann der Freier die ‹Insta-Fuck-Option› nutzen», erklärt Rigert – ein Tool, das in der momentanen Beta-Version noch nicht funktioniere, aber in der definitiven Version vorgesehen sei. Damit soll der Freier via Filter seine Vorlieben angeben können. Wenn die Frau also grosse Brüste haben und blond sein soll, könne der Kunde diese Attribute anwählen, die Insta-Fuck-Option nutzen und die App schicke all den Prostituierten, die in der Nähe sind und auf seine Vorlieben passen, eine Anfrage. «Dadurch hat der Freier ein virtuelles Bordell, in dem alle Sexarbeiterinnen seinen Wünschen entsprechen und auch Zeit für ihn haben», sagt Rigert.
Dass Freier Sexarbeiterinnen auf Online-Portalen teilweise fragwürdig beurteilen, ist nichts Neues. Auf Gingr soll der Spiess aber zumindest zum Teil umgedreht werden: So können auch Sexarbeiterinnen ihre Freier bewerten. Diese Bewertungen werden dann ausschliesslich anderen Sexarbeiterinnen angezeigt.
Rebecca Angelini von der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration sieht im Tool eine Chance, ist aber noch nicht überzeugt: «Das klingt erstmal positiv. Denn so können Sexarbeiterinnen bei schlechten Erfahrungen mit Freiern, oder wenn im Extremfall Gewalt vorgefallen ist, die anderen Frauen warnen. Für eine Beurteilung ist es aber noch zu früh. Wir haben noch keine Rückmeldungen von unseren Klientinnen, ob sich diese Funktion in der Praxis bewährt», sagt sie gegenüber watson.
Gingr verlinkt auf der eigenen Webseite auf Anlauf- und Beratungsstellen für Sexarbeiterinnen. Grundsätzlich, so Rigert, wolle man mit der App Prostituierte darin unterstützen, selbstständig und legal Geld verdienen zu können.
Ein ähnliches Projekt – die Berliner App «Peppr» – scheiterte schon einige Monate nach dem Launch. Laut eigenen Angaben, seien die Macher mit dem medialen Rummel nicht zurecht gekommen und hätten sich zerstritten. Gerüchte erzählen eine andere Geschichte: So sei «Peppr» unter starken Druck aus dem Sex-Milieu geraten. Pia Poppenreiter, die damalige Mitgründerin der Peppr-App, war gegenüber watson zu keiner Stellungnahme bereit.
Rigert macht sich nur bedingt Sorgen, dass seine App im Milieu auf Ablehnung stossen wird. «Unsere einzige Konkurrenz sind andere Online-Portale.», sagt er. Patrick, von girlsbooking.ch, möchte seinen Nachnamen nicht genannt sehen, erklärt aber, warum er glaubt, dass Gingr keinen wirklichen Erfolg auf dem Markt haben wird.
«Wir denken, dass Gingr ein Potenzial im Bereich der ‹Privaten Girls und Callboys› mitbringt, jedoch die Anforderungen für Sex-Clubs, Bordelle und Escort-Agenturen nicht erfüllt», sagt er. Weiter spreche das Design eher Frauen an – das von den potenziellen Inserenten gewünschte Segment seien aber klar Männer. «Wir denken, dass sich der Erfolg in Grenzen halten wird, da die Freier zu viele persönliche Daten bekannt geben müssen. Gerade Kunden von ‹privaten Frauen› wollen maximale Anonymität und buchen deswegen eher über Inserate-Seiten wie XDate, Figgä, SexABC oder And6», sagt er gegenüber watson.
Ob sich Gingr auf dem Markt bewähren wird, lässt sich frühestens nach dem definitiven Launch der App Ende Februar abschätzen.