Schweiz
Verbrechen

Schweizer Juweliere arbeiteten für die italienische Mafia

Schweizer Juweliere arbeiteten für die italienische Mafia – mit Geheimfächern in Autos

Die Bundesanwaltschaft klagt zwei ältere Schweizer an. Sie führten noble Geschäfte. Tatsächlich waren sie für die 'Ndrangheta tätig.
07.11.2024, 22:21
Andreas Maurer / ch media
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Es sind zwei Geldwäscher wie aus einem James-Bond-Film, weil sie fast jedes Klischee erfüllen. Beide führen in Zürich noble Firmen.

Michele (Name erfunden), 63 Jahre alt, führt ein gemäss eigenen Angaben florierendes Uhren- und Schmuckgeschäft mit mehreren Angestellten. Er bezeichnet es in einer Einvernahme als sein Lebenswerk, das er nach seiner Haftentlassung weiterführen möchte. Daniele (Name erfunden), 56 Jahre alt, ist im selben Metier tätig: Er kontrolliert zwei Uhren- und Schmuckgeschäfte.

Was sich hinter der schmucken Fassade abspielte, erfährt das Bundesamt für Polizei durch die italienischen Strafverfolgungsbehörden. Diese werden auf die beiden Männer durch Observationen der italienischen Mafia 'Ndrangheta aufmerksam. Dabei beobachten die Ermittler ein Auto mit Zürcher Nummernschild und fragen die Schweiz nach den Angaben des Halters. So wird sie Teil eines internationalen Ermittlungsteams, eines Joint-Investigation-Teams.

Spezielles Geschäft: Aus «weissem Gold» wird echtes Gold.
Spezielles Geschäft: Aus «weissem Gold» wird echtes Gold.symbolBild: Getty

Die Ermittlungen zeigen: Die beiden Schweizer waschen die Einnahmen der italienischen Mafia aus dem Kokainhandel. Aus dem «weissen Gold» machen sie echtes Gold. Von 2019 bis 2023 schmuggeln sie 34 Millionen Euro, eine Million Schweizer Franken und 830 Kilogramm Gold quer durch Europa.

Ihre Schweizer Geschäfte nutzen sie dabei, um die Spuren zu verwischen. Damit erzielen sie einen Gewinn von einer halben Million Franken.

Die Geschäftsautos haben Geheimfächer

Die beiden Juweliere haben eine klare Arbeitsteilung. Der Jüngere ist der Organisator. Der Ältere ist der Fahrer. Als Gold- und Schmuckhändler hat er in seinem Auto Geheimverstecke einbauen lassen – sogar in Absprache mit den Behörden. Er habe nämlich beim Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich angefragt, ob dieser Umbau bewilligt werden müsse, wie er aussagt.

Über Whatsapp erhält Michele jeweils eine Adresse. Nach Erhalt der Nachricht löscht er diese jeweils sofort. Dann fährt er mit dem Auto 1400 Kilometer nach Kalabrien oder zu einem Containerterminal in Belgien. Dort erhält er von einem ihm unbekannten Geldkurier eine Sporttasche mit Bargeld. Er zählt es nie.

Er versteckt das Geld in seinen Geheimfächern und fährt es zu einem Goldhändler in Mailand. Dort tauscht er die Scheine in Gold um und bringt diese über seine Firma auf den Markt. Auf den Fahrten legt er regelmässig Zwischenhalte bei Danieles Uhren- und Schmuckgeschäften ein. Wird er am Zoll kontrolliert, zeigt er die Ware und weist sich als offizieller Goldhändler aus.

Das Gold verkaufen Daniele und Michele als scheinbar normale Exportware. Sie besteigen damit in Zürich Flugzeuge nach Istanbul oder Dubai oder verschieben es per Auto und Lastwagen nach Deutschland und in die Türkei.

150 Polizisten schlagen in drei Ländern zu

Im Juni 2023 zerschlägt die Polizei das Business. Mehr als 150 Polizeikräfte schlagen in Italien, in der Schweiz und Deutschland zu. Sie nehmen zehn Verdächtige fest, die eine Schlüsselrolle in diesem internationalen Netzwerk spielen sollen.

In der Schweiz verhaftet die Polizei Daniele und Michele. In Untersuchungshaft versuchen es die beiden zuerst mit Ausreden. Sie geben die Geld- und Goldtransporte zwar sofort zu. Doch sie behaupten, keine Ahnung davon gehabt zu haben, woher das Geld stamme. Es handle sich um legale Geschäfte, die sie allerdings nicht korrekt deklariert hätten. Das sei ihr einziges Vergehen.

Die Bundesanwaltschaft führt gegen das Duo einen Indizienprozess. Sie hat nicht den einen Beweis, der die Ausreden entlarvt. Aber sie hat eine erdrückende Menge an Indizien.

Die Polizei hat ihre Telefone überwacht und in den Geschäftsfahrzeugen ebenfalls geheime Verstecke angebracht: Sie hat die Autos mit GPS-Sendern und Abhörgeräten überwacht. Zudem hat sie Videokameras des öffentlichen Raums ausgewertet. So rekonstruiert sie die Fahrten des Goldhändlers von Containerterminals zu Parkplätzen von Einkaufszentren.

Alle Geldscheine sind zudem mit Kokain kontaminiert. Auch in den Geheimfächern der Autos und am Schalthebel sowie am Lenkrad finden die Ermittler Drogenspuren.

Daniele hat als Organisator zudem ein Kryptohandy mit dem Chatprogramm Sky-ECC verwendet, das als «Whatsapp für Gangster» bekannt ist. Die organisierte Kriminalität meinte, damit einen vermeintlich sicheren Kommunikationskanal zu haben – bis die Polizei das System knackte.

Im aktuellen Fall wertete die Bundeskriminalpolizei 115'000 Chat-Nachrichten aus. Damit belegt sie, dass Daniele in Kontakt mit zwei bestens organisierten Kokainhändlern im grossen Stil stand. Diese seien Teil eines etablierten weltweiten Netzwerkes.

Riesiges Verfahren endet in kurzem Prozess

Das Strafverfahren hat für beide Seiten ein Risiko. Die Bundesanwaltschaft könnte daran scheitern, vor Gericht den Kokainhandel zu beweisen. Daniele und Michele könnten derweil lange in Untersuchungshaft sitzen – mit ungewissem Ausgang.

Nun haben sich die beiden Seiten in einem Kompromiss gefunden. Die Bundesanwaltschaft klagt den Fall im abgekürzten Verfahren an. Das bedeutet, dass sich die Parteien auf eine Strafe einigen und das Gericht den Deal nur noch grob prüft. Ob und wie lange die Zürcher Geldwäscher noch ins Gefängnis müssen, ist noch nicht bekannt. (aargauerzeitung.ch)

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8 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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MaribelH
07.11.2024 22:45registriert September 2023
Abgekürztes Verfahren ist ein Witz bei Mafiazugehörigkeit - Höchststrafe 5 Jahre!
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