Die Schweizer Politik bewegt sich langsam – und doch könnten die Parlamentswahlen grosse Auswirkungen haben: Die Mitte könnte die FDP an Wählerstärke überholen, die Grünen nach dem Höhenflug zurück auf dem Boden landen und die SP diverse Sitze im Ständerat verlieren. Und die SVP? Die dürfte ihre Position als stärkste Partei im Nationalrat weiter ausbauen.
Abgerechnet wird am 22. Oktober.
An der watson-Wahlbörse bilden wir die aktuellsten Trends in einem sogenannten Prognosemarkt ab. Dieser bedient sich des Phänomens der kollektiven Intelligenz und liegt oft nahe am tatsächlichen Ausgang der betroffenen Ereignisse, wie etwa Beispiele aus den USA zeigen.
Die watson-Wahlbörse prognostiziert, welche Partei wie stark abschneidet und wer die Wahl in den Ständerat schafft. Das Ganze ist wissenschaftlich fundiert – und mit exklusiven Zahlen für sämtliche Kantone.
Wahlprognose
Im Nationalrat dürfte gemäss der watson-Wahlbörse die SVP deutlich zulegen, aber auch die SP und die GLP dürfen mit leichten Gewinnen rechnen. Der Mitte winkt gar Historisches: Mit ihren leichten Gewinnen könnte sie die FDP überholen. Einstecken müssen die Grünen, die einen Teil der massiven Gewinne von 2019 wieder einbüssen.
Im Ständerat zeichnet sich ein kleiner Rechtsrutsch ab: Laut unserer Wahlbörse verlieren die Grünen und die SP je einen Sitz, während die FDP und die Mitte je einen zulegen. Doch Vorsicht vor voreiligen Schlüssen: Die zweiten Wahlgänge werden in vielen Kantonen für einige Dynamik sorgen.
FDP-Ständerat Thierry Burkart dürfte seinen Sitz klar verteidigen. Spannend ist das Rennen um den Sitz, der durch den Rücktritt von Hansjörg Knecht (SVP) frei wird. Hier zeichnet sich ein enger Zweikampf zwischen Marianne Binder (Mitte) und Benjamin Giezendanner (SVP) ab.
Ob SVP-Sicherheitspolitiker Werner Salzmann es ohne zweiten Wahlgang ins Stöckli schafft, ist unklar. Seine Wahl hingegen: sicher. Der zweite Sitz wurde durch den Rücktritt von Hans Stöckli (SP) frei. Kann Flavia Wasserfallen ihn verteidigen? Der Grüne Bernhard Pulver ist ihr hart auf den Fersen.
Céline Vara hat den Sitz für die Grünen erst 2019 erobert. Ob sie ihn gegen den Angriff von SP-Nationalrat Baptiste Hurni verteidigen kann, wird sich zeigen. In Neuenburg werden die Ständeräte nach dem Proporz gewählt, weshalb die Parteistärken einen grösseren Einfluss haben. FDP-Ständerat Philippe Bauer hingegen sitzt fest im Sattel.
Die grosse Frage im Kanton Schwyz ist: Gibt es einen Kampf um einen oder um zwei Sitze? Alex Kuprecht (SVP) tritt nicht mehr an. Um seinen Sitz streiten sich Ex-Parteipräsidentin Petra Gössi (FDP) und Pirmin Schwander, der den Sitz für die SVP sichern will. Doch auch der bisherige Ständerat Othmar Reichmuth (Mitte) ist nicht ganz unbestritten – er hinterliess in Bern keine grossen Spuren.
13 Jahre sass Roberto Zanetti (SP) im Ständerat. Ob Franziska Roth seinen Sitz für die Sozialdemokraten halten kann, ist fraglich. Mit dem langjährigen Regierungsrat Remo Ankli (FDP) hat sie einen starken Konkurrenten. Unbestritten ist Pirmin Bischoff (Mitte) – auch wenn er unter Umständen in einen zweiten Wahlgang muss.
Im Südkanton ist ein Sitz verwaist, seit Marina Carobbio (SP) im April in die Tessiner Kantonsregierung gewählt wurde. Ihr Sitz dürfte für die SP kaum zu halten sein. Die besten Chancen dürfen sich Fabio Regazzi (Mitte) und Alex Farinelli (FDP) ausrechnen. Auf eine Wiederwahl darf SVP-Präsident Marco Chiesa hoffen – aber auch er wird um einen zweiten Wahlgang nicht herumkommen. Insgesamt treten im Tessin ganze elf Kandidaten und Kandidatinnen an.
In der Waadt sind beide Sitze neu zu besetzen. Während die FDP ihren mit Pascal Broulis problemlos verteidigen dürfte, wird es für die Grünen mit Raphaël Mahaim ganz schwer: Er streitet sich mit SP-Schwergewicht Pierre-Yves Maillard um den zweiten Sitz.
Geteilte Welt im Kanton Zürich: Dass Daniel Jositsch (SP) seinen Sitz verteidigen wird, ist klar – wahrscheinlich bereits im ersten Wahlgang. Beim zweiten Sitz hingegen wird es unübersichtlich: Regine Sauter (FDP) startet in der Poleposition, doch auch Tiana Angelina Moser (GLP) und Gregor Rutz (SVP) sind nicht komplett abgeschlagen. Und dann lauern auch noch Philipp Kutter (Mitte, hier noch unter «Andere» geführt) und Daniel Leupi (Grüne) auf ihre Chancen. Sicher ist: Es wird spannend.
Eine Wahlbörse funktioniert wie eine Finanzbörse – mit dem Unterschied, dass keine Unternehmens-Aktien, sondern Aktien künftiger Ereignisse gehandelt werden. Ein Ereignis wäre in unserem Fall: «Politikerin XY wird in den Ständerat gewählt.» Das Ereignis erhält einen Startpreis, z. B. 50 Franken. Tritt das Ereignis ein, ist es 100 Franken wert; tritt es nicht ein, ist es wertlos. Die Teilnehmenden wollen Geld verdienen: Halten sie ein Ereignis für wahrscheinlich, kaufen sie dessen Aktien, wenn nicht, werden sie verkauft. Der so entstehende Kurs liefert einen Hinweis auf die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses.
Ja, durchaus. Prognosebörsen haben sich vorwiegend in den USA etabliert. Sie nutzen die kollektive Intelligenz der Teilnehmenden. Weil in der Zeit vor den Wahlen rund um die Uhr getradet werden kann, reagieren die Kurse sensibel auf politische Entwicklungen. Sie sind dynamischer als Wahlumfragen. Wahlbörsen ersetzen die Umfragen nicht, können aber eine wertvolle Ergänzung sein und das Prognosebild vervollständigen.
An der Börse machen rund 300 Personen mit, die durch Professor Oliver Strijbis rekrutiert wurden. Darunter sind viele ehemalige Studierende und andere Menschen, die sich beruflich oder aus privatem Interesse mit dem Schweizer Politbetrieb auseinandersetzen. Sie erhalten je 20 Franken, die sie an der Börse einsetzen können.
Ja, das könnte man denken. Aber weil die Teilnehmenden nicht äussern, wen sie wählen würden, sondern vielmehr, von wem sie glauben, dass er oder sie gewählt werden wird, muss die Auswahl der Teilnehmenden nicht repräsentativ sein. Viel wichtiger ist, dass sie etwas vom Politgeschäft in der Schweiz verstehen.
Scaros_2
Protestwahl ist auch dumm.
Und nicbt wählen genau so.
M.Ensch
Triumvir