Das Imperium ist so gross wie der Mann selbst. Der südafrikanische Unternehmer Johann Rupert und seine Familie investieren in alles, was Rendite bringt. Luxusuhren, Banken, Versicherungen, Lebensmittel, Fernsehsender. Interessenkonflikte nimmt der Clan offenbar bereitwillig in Kauf. Wie aus den Geschäftsberichten der Investmentgesellschaften der Ruperts hervorgeht, verdient die Familie in der Schweiz gutes Geld mit zwei Geschäftszweigen, die man so nicht zusammen erwarten würde: Spitäler und Zigaretten.
Im Jahr 2007 wurde der Clan mit der von ihm kontrollierten Investmentgesellschaft Remgro Hauptaktionär der internationalen Klinikgruppe Mediclinic, die Muttergesellschaft der Schweizer Hirslanden-Gruppe. Damit wurde eine Tabakdynastie zu einem der wichtigsten Akteure im Schweizer Gesundheitssektor.
Ein Blick in die Familiengeschichte zeigt, wie die Ruperts im 20. Jahrhundert mit dem Tabakverkauf reich geworden sind. Der vor zehn Jahren verstorbene Patron Anton Rupert begann in den 1940ern in seiner Garage mit der Produktion von Zigaretten und machte daraus ein Milliardengeschäft. Der Legende nach betrug seine Anfangsinvestition nur zehn britische Pfund.
Bis heute besitzt die Familie einen bedeutenden Anteil am Tabakkonzern British American Tobacco (BAT), dem Hersteller von Zigarettenmarken wie «Parisienne» und «Lucky Strike». 2015 zahlte BAT knapp 150 Millionen Franken Dividenden an die Investmentgesellschaft Reinet aus. An dieser ist die Familie mit einer Mehrheit der Stimmrechte sowie einem Viertel der Aktien beteiligt.
Gleichzeitig verdienen die Ruperts Geld damit, dass über ein Dutzend Ärzte an den Hirslanden-Standorten Aarau, Bern und Zürich in «Lungenzentren» Patienten mit schweren Raucherkrankheiten behandeln und Nikotinentwöhnungstherapien durchführen. Das Lungenzentrum Hirslanden in Zürich betreibt sogar eine Website mit dem Namen Rauchstoppzentrum.ch. Ein Interessenkonflikt?
Gegenüber der «Nordwestschweiz» schweigt Milliardär Rupert. Seine Assistentin in London richtet per E-Mail aus: «Mr Rupert hat mich gebeten, ihnen mitzuteilen, dass er keinen Kommentar zu Ihren Fragen abgeben möchte.» Dass Rupert in der BAT- und der Hirslanden-Investition ein Problem sieht, darf man aber als sehr unwahrscheinlich bezeichnen.
In einem seiner seltenen Interviews fragte ihn das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» im Jahr 2005, warum er seine Anteile am Tabakgeschäft nicht verkaufe, zwischen Lungenkrebs und Luxusgütern gebe es ja keine Synergien. Rupert antwortete unverblümt: «Ich bin froh, dass ich das Tabakgeschäft als Lebensversicherung habe. Die einzige Industrie, die in der Grossen Depression von 1929 nicht Bankrott ging. Ich will nicht mehr bei null anfangen. Ich bin nicht reich aufgewachsen; als das Geschäft meines Vaters erstmals Geld abwarf, war ich 28. Ich will nicht zurück auf null, sorry!»
Der Journalist, der die Frage gestellt hatte, konnte damals nicht ahnen, dass die von Rupert geführte Investmentgesellschaft Remgro mit dem Kauf der Hirslanden-Gruppe zwei Jahre später eine Investition tätigen würde, die, so verrückt das klingt, sehr wohl Synergien mit Lungenkrebs mit sich bringt.
Die «Nordwestschweiz» wollte auch von Hirslanden-Geschäftsführer Ole Wiesinger erfahren, wie er die Nähe seiner Besitzer zum Tabakgeschäft beurteilt. Doch auch Wiesinger schweigt. Seine Pressestelle liess vergangene Woche eine Interviewanfrage während zweier Tage unbeantwortet. Nach mehrmaligen Nachfragen teilte die Klinik in einer schriftlichen Stellungnahme mit, Remgro, die Hauptaktionärin der Hirslanden-Mutter Mediclinic, sei selber nicht im Tabakgeschäft tätig. «Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir zu Fragen zu Remgro und Reinet keine Stellung beziehen können.» Weitergehende Fragen seien bitte an die entsprechenden Medienstellen zu richten.
Deutliche Worte findet dafür die Direktorin der Lungenliga Schweiz, einer Organisation, die schweizweit mehr als 80 000 lungenkranke Menschen mit Sauerstoffgeräten versorgt und betreut, darunter viele Ex-Raucher. «Aus ökonomischer Sicht habe ich ein gewisses Verständnis für den Investor, der nur am Geld interessiert ist. Ich finde es aber extrem störend, wenn man gegenläufige Interessen im gleichen Haus vereint», sagt Sonja Bietenhard. Die Investorenfamilie Rupert verdiene Geld mit Zigaretten und profitiere mit der Hirslanden-Gruppe von der Betreuung der Opfer des Tabakkonsums. «Das ist zynisch und widerspricht sich ethisch im höchsten Mass.»
Bietenhard sagt, sie würde gerne wissen, ob sich die Führung der Hirslanden-Gruppe dieser problematischen Konstellation bewusst sei. «Kann sie sich seit der Übernahme immer noch uneingeschränkt für Nikotinprävention und den Rauchstopp engagieren? Darf sie die Tabakhersteller weiterhin kritisieren? Auf diese Fragen hätte ich gerne eine Antwort.» Eine Antwort, die bis jetzt ausgeblieben ist.