Vom bedeutenden Finanzplatz zum Finanzplätzchen: Durch den jüngsten Bankendeal bleibt der Schweiz nur noch eine Grossbank übrig, wenn auch eine Monsterbank. Unzählige Fragen sind noch offen – wie etwa jene, wie die Integration der Credit Suisse in die UBS im Detail vonstattengehen soll. Klar ist aber: Nach der Übernahme droht beiden Banken ein grosser Jobabbau.
Die Rettung der Credit Suisse werde voraussichtlich zu einem Abbau von Zehntausenden von Arbeitsplätzen führen, schreibt die «Financial Times» am Dienstag, die an den ganzen Geschehnissen in den letzten Tagen nahe dran war und die offenkundig weiterhin mit Insiderinformationen gefüttert wird. Auch jetzt beruft sich die Wirtschaftszeitung auf Personen, die mit den Plänen vertraut seien.
Weltweit zählt die UBS aktuell 74'000 Vollzeitstellen, die Credit Suisse 50'000. Gemeinsam kommen die beiden Banken rund um den Globus also auf über 120'000 Stellen, wovon gut 35'000 in der Schweiz sind. Genauso viele Stellen könnten laut der «Financial Times» zusammengestrichen werden. Demnach könnte es bis zu einen Drittel der Jobs treffen – wobei das Inlandgeschäft und die Investmentbank der CS wohl die Hauptlast tragen müssten.
Bei den Angestellten ist die Nervosität entsprechend gross, insbesondere bei jenen der pulverisierten Credit Suisse. «Es wird intern eine blutige Schlacht um die zu besetzenden Stellen geben. Diese wird sich über alle Funktionen ziehen. Vom Assistenten bis zur Beraterin», erzählt ein Angestellter gegenüber dem Onlineportal «Watson».
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Die Newsagentur Bloomberg schreibt, CS-Banker würden Headhuntern regelrecht die Türen einrennen. «Personalvermittler auf der ganzen Welt erhalten eine noch nie dagewesene Flut von Anrufen von Bankern der Credit Suisse.» Doch auch das Gegenteil ist zu hören vom Schweizer Finanzplatz. Mitarbeitende, die nicht wissen, was kommt, und darum einfach weitermachen wie bisher.
Um den Schaden für das Personal möglichst klein zu halten, hat der Schweizerische Bankenpersonalverband (SBPV) mit Unterstützung des Bundes und des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB) nun eine Taskforce gefordert, die unter anderem einen Kündigungsstopp bis Ende 2023 fordert (siehe Kasten unten).
Der Niedergang der CS ist auch für die Stadt Zürich ein harter Schlag. Sie ist stolz darauf, ein wichtiger Teil der globalen Finanzindustrie zu sein. Erst im Januar veröffentlichte die kantonale Finanzdirektion einen Bericht, der detailliert aufzeigte, wie wichtig Banken und Versicherungen für die Region sind.
So sorgt die Branche mit 97'300 Vollzeitstellen für jeden zehnten Arbeitsplatz in der Region und erwirtschaftet jeden sechsten Wertschöpfungsfranken. Die beiden Grossbanken zählen in der Region Zürich etwa 15'000 Vollzeitstellen, in der ganzen Schweiz sind es laut Zahlen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) 23'000.
Die Differenz zu den Zahlen der Banken erklärt sich dadurch, dass in den Zahlen der SNB nicht alle Tochtergesellschaften der Banken inkludiert sind, sondern nur die UBS AG, die UBS Switzerland AG, die Credit Suisse AG und die Credit Suisse (Schweiz) AG.
Im Vorwort des Berichts würdigte die kantonale Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker-Späh (FDP) die Branche: In den Pandemiejahren habe sich der Finanzplatz als «sehr robust erwiesen», so Walker-Späh. «Er hat die Zürcher Wirtschaft massgeblich gestützt.»
Allerdings ist das Gewicht der Grossbanken deutlich gesunken – in der Schweiz wie in Zürich, dem wichtigsten hiesigen Finanzplatz. Die Zürcher Wirtschaft hat sich stark diversifiziert, was nach der Finanzkrise 2008 auch das Ziel der Politik war. Mit Ansiedlungen im Informatikbereich, etwa des US-Riesen Google, war in diesem Bereich das Wachstum besonders stark. Mittlerweile dürften im Kanton Zürich mehr Menschen in der IT-Branche beschäftigt sein als in der Erbringung von Finanzdienstleistungen.
War die Finanzbranche noch im Jahr 2014 die beschäftigungsstärkste im Kanton Zürich, ist sie mittlerweile auf Platz sechs abgerutscht – und wurde schon ganz ohne Credit-Suisse-Turbulenzen etwa von den Branchen Grosshandel, Gesundheitswesen oder Unternehmenshauptsitze und -beratung überholt. In Letzterer wurden im Kanton Zürich zwischen 2015 und 2020 fast 15'000 Vollzeitstellen neu geschaffen, der IT-Sektor legte um knapp 7000 zu. In der Branche der Finanzdienstleistungen wurden in dieser Periode hingegen fast 8000 Stellen abgebaut.
Das erklärt auch, dass die Zürcher Politik einigermassen gelassen auf das Verschwinden der Credit Suisse als eigenständige Bank reagiert. Der Kanton könne die wegfallenden Steuereinnahmen verkraften, sagte Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP) am Montag. Der Stadtzürcher Finanzvorsteher Daniel Leupi (Grüne) beschwichtigte am Dienstag, der Wirtschaftsraum Zürich habe sich in den letzten Jahren als «sehr attraktiv und stabil» erwiesen. Es werde aber noch wichtiger, die Wirtschaft zu diversifizieren, sagte er dem «Tages-Anzeiger». So solle die Tech- und Startup-Branche weiter gestärkt werden.
Die Banken als Stützpfeiler der Wirtschaft? Von dieser Erzählung ist mit dem Zusammenbruch der Credit Suisse nicht mehr viel übrig geblieben. Wie viele CS-Banker ihre Stelle verlieren werden, hängt von der Struktur der neuen Megabank ab. Gerade Jobs im sogenannten Backoffice wird die neue UBS nicht doppelt besetzen wollen. Kommt hinzu: Die beiden Grossbanken haben seit der Finanzkrise nicht nur in Zürich, sondern schweizweit bereits Tausende Stellen gestrichen oder ausgelagert.
Dennoch bleibt Christian Bretscher, Geschäftsführer des Zürcher Bankenverbands, vorsichtig optimistisch. «Die Arbeitslosigkeit in der Branche ist trotz Stellenabbaus seit Jahren auf sehr tiefem Niveau konstant», sagt er auf Anfrage. Sie liegt derzeit bei 2.1 Prozent. Die Entlassenen fanden demnach in den meisten Fällen bei anderen Banken oder Versicherungen eine Stelle - auch nach der Restrukturierungswelle 2016. Während die Grossbanken damals den Rotstift ansetzen, bauten die Konkurrenz sowie die Versicherungen Stellen auf.
Ob diese Dynamik auch nach dem Credit-Suisse-Kollaps spielen wird, ist offen. Für Christian Bretscher vom Bankenverband ist jedenfalls klar: «Auch in der Bankenbranche herrscht Fachkräftemangel.» Derzeit gebe es allein im Kanton Zürich 2200 offene Stellen.
Gross ist die Unsicherheit bei den Lernenden der Credit Suisse. Übernimmt die UBS den Bankennachwuchs? Oder müssen die schweizweit 400 CS-Lernenden bei einer anderen Bank anklopfen? Die Weiterbeschäftigung der Bankkaufleute werde hohe Priorität haben, sagen verschiedene Branchenkenner. Auch hier sind die Grossbanken gewissermassen «too big to fail»: UBS, CS und die Zürcher Kantonalbank stellen zusammen den Grossteil der 3000 Banklehrstellen in der Schweiz.
«Wenn der Staat schon Milliarden an Sicherheiten gewährt, braucht es auch eine Garantie, dass gerade Lernende ihre Ausbildung beenden können», fordert Natalia Ferrara vom Bankpersonalverband. Passiert dies nicht, wäre der Kanton Zürich am Zug. Das Berufsbildungsamt ist nämlich verpflichtet, Lernende zu unterstützen, die keinen Lehrbetrieb mehr haben. Ob und wie die UBS Lernende ihrer Rivalin übernehmen wird, ist offen. Auf Anfrage heisst es nur: «Diese Integration wird Zeit brauchen. Es ist noch zu früh, um Aussagen zu treffen.» (aargauerzeitung.ch)
Wir hätten dann wieder mehr gute Elektriker/innen, Ploymechaniker/innen, und Pflegefachleute.
Die Investmentbank sollte über genügend Liquidität verfügen, um niemals auf staatliche Hilfe angewiesen zu sein. Der Staat sollte niemals für risikoreiche Bankgeschäfte verantwortlich gemacht werden.
Das ist gut für die Banken, für die Schweiz und für die Mitarbeitenden.