Nick Hayek nimmt sich selten mit markigen Worten zurück. Heftig fällt denn auch die Kritik des Chefs der Swatch Group an die Adresse der Uhren- und Schmuckmesse Baselworld aus. «Das Management ist der Ansicht, dass die Uhrenmarken nur zahlen sollen, aber nichts zu sagen haben», sagt der 63-Jährige an die Adresse der Verantwortlichen der Messe.
Am Sonntag liess Hayek die Öffentlichkeit über die «NZZ am Sonntag» wissen, dass die Swatch Group nächstes Jahr nicht mehr an der Baselworld teilnimmt. Der Bieler Uhrenkonzern war während Jahren mit fast allen seiner 18 Marken an der Messe präsent und somit der wichtigste Aussteller.
Kritik übte Hayek auch am Messe-Neubau, der 2013 fertiggestellt wurde: «Wir sind nicht dazu da, eine teure Halle von Herzog & de Meuron zu amortisieren». Und an die Adresse der Messebetreiberin MCH Group gerichtet: «Das Unternehmen beschäftigt sich zu sehr mit der Optimierung und Amortisierung seines neuen Gebäudes, statt den Mut zu echten Fortschritten und tiefgreifenden Veränderungen aufzubringen.»
Der Ärger Hayeks über das Management der MCH und der Baselworld muss gross sein. Dies zeigen auch Aussagen, die er gegenüber dem US-Wirtschaftssender CNBC gemacht hat. Er habe MCH-Präsident Ueli Vischer und sein Vize Christoph Brutschin zu einem Gespräch eingeladen. Brutschin vertritt als Regierungsrat den Kanton Basel-Stadt, der mit 33,5 Prozent am Unternehmen beteiligt ist. «Trotz der Kritik an der Messe haben die beiden mich nie um ein Treffen gebeten», sagte Hayek. Das sei doch etwas verwunderlich, da die Swatch Group der grösste Aussteller sei.
Er habe den beiden gesagt, dass sich die Baselworld öffnen müsse. Die Messe könne nicht mehr so weitermachen wie bisher. Was er damit meint, ergänzte er gleich selbst: «Etwas arrogant, etwas versnobt und nicht in der Lage, etwas Neues zu tun.» Trotz mehreren Versprechen habe das Management der Baselworld weiter gemacht wie bisher.
Anfang Juli habe die Messe das neue Programm vorgestellt, ohne es zuvor mit den wichtigsten Ausstellern zu besprechen, bemängelt Hayek. «Weshalb sollen wir bei einer Messe mitmachen, die überhaupt nicht performt?» Die Swatch Group sei zusammen mit anderen Uhrenherstellern bereit, den Messe-Verantwortlichen zu helfen. «Aber für 2019 sind wir definitiv nicht dabei.»
Die unzimperliche Kritik mag überraschen, ganz neu ist sie allerdings nicht. Schwester Nayla Hayek, Verwaltungsratspräsidentin der Swatch Group, legte bereits im März vor. Sie habe den Eindruck, dass es hier nicht mehr um die Uhrenindustrie gehe. «Wir können auch ohne Messe überleben. Die Messe braucht uns, nicht wir sie», sagte sie dem «Blick». Die Messe sei zur Geldmaschine verkommen. Händler könne man auch an anderen Orten treffen.
Für die Baselworld und die Betreiberin MCH ist dies innert weniger als einem Jahr der zweite, massive Rückschlag. Vergangenen November gab die Messe bekannt, dass sich die Zahl der Aussteller von 1300 auf 650 halbieren wird. Zudem wurde die Baselworld um zwei Tage verkürzt. Zum Schluss der Messe gab sich Leiterin Sylvie Ritter zuversichtlich. Die Schlankheitskur sei der Baselworld gut bekommen. «Die meisten Aussteller waren zufrieden, und die grossen werden auch 2019 dabei sein.»
Mit dem Rückzieher der Swatch Group könnte sich nun sogar die Existenzfrage stellen. Uhrenanalyst René Weber von der Bank Vontobel sagt zwar, dass das das letzte Wort in Sachen Swatch Group möglicherweise noch nicht gesprochen sei: «Vielleicht findet die MCH eine Lösung, um den Uhrenkonzern zurückzuholen.» Sollten etwa Rolex, Chopard oder Patek Philippe beschliessen, an den Uhrensalon in Genf zu wechseln, so sieht Weber für die Baselworld schwarz. In diesem Fall werde sie kaum noch weiter bestehen können. Die Aktien der MCH sackten gestern um 11.3 Prozent ab.
Nach ihren Absichten befragt, geben sich die anderen, grossen Uhrenhersteller wortkarg. Rolex etwa wollte keinen Kommentar abgeben, Patek Philippe antwortete bis Redaktionsschluss nicht. Ein Sprecher der Baselbieter Uhrenmarke Oris sagte nur, man stehe mit der Baselworld in Verhandlungen. Mehr könne er dazu nicht sagen.
Immerhin haben die Uhrenmarken des französischen Luxusgüterherstellers LVMH (Bulgari, Tag Heuer, Hublot, Zenith) ihre Teilnahme für 2019 zugesichert. Jean-Claude Biver, Chef der LVMH-Uhrendivision, wollte sich gestern nicht äussern, da er sich von zwei Rückenoperationen erholt. In der «NZZ am Sonntag» sagte er einzig, dass LVMH vorläufig in Basel bleibe. Aber die Messe müsse sich deutlich verändern.
Biver äusserte sich bereits im März zum Thema. «Es braucht mehr Diskussionen, Konferenzen, Animationen und Foren». Die Messe solle mehr unternehmen, um das Publikum anzusprechen. Zudem sei der Eintrittspreis von 60 Franken überrissen.
Und was macht jetzt die Swatch Group? Sie hatte bisher pro Jahr 50 Millionen für Messeaktivitäten ausgegeben. Werden sie nicht einfach eingespart, stehen diese Mittel rein rechnerisch für andere Aktivitäten zur Verfügung. Ein für Marketingevents geeignetes Gebäude an bester Lage hat Swatch bereits: Das Grieder-Haus an der Bahnhofstrasse in Zürich mit Geschossflächen von insgesamt 7500 Quadratmetern. Dort sind zahlreiche Luxusmarken versammelt wie Max Mara, Valentino, D&G, Armani und Zegna.
Swatch könnte in der Liegenschaft das eine oder andere Geschäft für Luxusuhren domizilieren oder eine Messeplattform errichten. Konzernchef Nick Hayek sagte damals zum Kauf, dass eine solche Gelegenheit äusserst selten sei und dass man da einfach zugreifen müsse. Börsenanalysten sprachen von einem «strategischen Schritt» für Swatch.