Heinz Tännler kann es nicht fassen. Der Zuger Finanzdirektor (SVP) sagt: «Hätte mir jemand beim Ausbruch der Coronakrise gesagt, dass der Kanton Zug eineinhalb Jahre später finanziell so gut dasteht, hätte ich ihm gesagt: ‹Du solltest zum Psychiater.›»
Der Kanton rechnete 2020 mit hohen Ertragsrückgängen; in der Finanzdirektion folgte eine Krisensitzung auf die andere. Und nun? «Die Situation ist jetzt anders», meint Tännler.
Der Überschuss wird in diesem Jahr rund 130 Millionen Franken betragen; vielleicht ist es auch mehr. Die Kantonsrechnung fällt in jedem Fall viel besser aus als budgetiert. Der Finanzdirektor erklärt das so: «Für grosse Unternehmen ist die Pandemie nicht von grosser Bedeutung – die Steuererträge unseres Kantons sind stabil. Und einige Unternehmen bauen aus und beschäftigen mehr Leute. Die Annahmen, die wir im Frühling 2020 trafen, waren falsch.»
Eine Umfrage unter den Kantonen ergibt: Die Budgets für das Jahr 2021 waren zu pessimistisch. Fast alle rechnen nun mit besseren Abschlüssen. Konkrete Zahlen für das laufende Jahr nennen nur wenige Kantone. Aber den Trend bestätigen auch so gut wie alle Stände, die sich nicht auf eine konkrete Zahl für 2021 festlegen.
Die Differenzen sind eindrücklich: Die budgetierten Defizite von Luzern und Solothurn verwandeln sich in ein Plus. Der Aargau rechnet nicht länger mit einem Defizit von 114 Millionen, sondern mit einem Überschuss von rund 40 Millionen Franken. Und der Kanton Schwyz wird nicht eine rote Null erzielen – sondern ein sattes Plus von 180 Millionen Franken.
Für die Menschen in Schwyz sind die Folgen erfreulich: «Der Regierungsrat wird dem Parlament eine Steuerfusssenkung beantragen», teilt Finanzdirektor Kaspar Michel (FDP) mit .
In anderen Kantonen sieht es ähnlich aus: Die Regierungen oder die Parlamente bereiten Steuersenkungen vor. In Zug dürfte eine eigentlich befristete Reduktion weitergeführt werden.
Zürich und Bern hatten beide ein Defizit von einer halben Milliarde Franken für 2021 budgetiert. Aus beiden Kantonen hört man, dass die Rechnung besser abschliessen werde. Für genaue Angaben sei es aber noch zu früh.
Warum diese positive Entwicklung? Warum senken nun Kantone die Steuern, die wegen der Pandemie mit riesigen finanziellen Ausfällen rechneten?
Es gibt drei Gründe, warum die Haushalte der Kantone im Lot bleiben. Erstens: «Die ertragsstarken Branchen in der Schweiz verzeichnen keinen starken Einbruch», sagt Ständerat Benedikt Würth (Mitte), der in der Finanzkommission sitzt. Von den Lockdowns wurden der Tourismussektor und die Gastronomie hart getroffen – beide tragen aber prozentual nicht besonders viel bei zum Bruttoinlandprodukt der Schweiz.
Die Industrie, die Pharmabranche, der Finanzsektor litten weniger unter der Coronakrise. Die Arbeitslosigkeit blieb relativ tief. Die Steuern, welche Personen und Unternehmen abliefern, brechen nicht ein. Die Finanzdirektoren wappneten sich für Einbussen und stellen nun fest: Es gibt sie nicht.
Zweitens erhalten die Kantone viel mehr Geld von der Schweizerischen Nationalbank. Sie erreichte 2020 einen hohen Bilanzgewinn, folglich stieg die Ausschüttung an Bund und Kantone massiv. Der Kanton Freiburg zum Beispiel bekam im Vorjahr 100 Millionen Franken von der Nationalbank, nun sind es 150 Millionen.
Der Verteilschlüssel, den das Eidgenössische Finanzdepartement und die Nationalbank festgelegt haben, gilt bis ins Jahr 2025. Wie viel Geld effektiv fliesst, ist aber vom Gewinn der Bank abhängig. Und der hängt wiederum mit dem Kurs des Schweizer Frankens zusammen. Die Kantone können also nicht damit rechnen, dass sie in den kommenden Jahren weiterhin so viel Geld von der Nationalbank bekommen.
Drittens trägt der Bund die Hauptlasten für die finanzielle Bewältigung der Coronakrise und nicht die Kantone. Ins Gewicht fallen hier vor allem die Beträge, die für die Kurzarbeit und den Erwerbsersatz aufgewendet werden.
«Die Aufwendungen der Kantone liegen im tiefen einstelligen Prozentbereich ihrer Haushaltsbudgets», sagt Benedikt Würth. Der Bund gibt hingegen rund 40 Prozent eines Jahresbudgets - von rund 80 Milliarden Franken - zusätzlich aus, um Corona abzufedern.
Trotzdem bleibt die Verschuldung des Bundes insgesamt tief im internationalen Vergleich. Und die Schweizer Wirtschaft wächst stark - das Wachstum dürfte in diesem und im kommenden Jahr über 3 Prozent betragen.
Nach grossen Defiziten in den Jahren 2020 und 2021 wird der Bund darum im kommenden Jahr voraussichtlich wieder einen Überschuss erzielen. Der Präsident der ständerätlichen Finanzkommission, Peter Hegglin (Mitte), rechnet damit, dass der Bund die in der Pandemie angehäuften Schulden ohne grössere Sparübungen abtragen kann.
Unter den Kantonen gibt es allerdings zwei Ausreisser: Die beiden Basel teilen mit, dass sie schlechtere Jahresabschlüsse erwarten als budgetiert. Diese Prognosen gegen den nationalen Trend könnten allerdings damit zusammenhängen, dass die Finanzdirektionen in Basel und Liestal nicht loskommen wollen von der habituellen Schwarzmalerei. Oder sie haben neue Finanzdaten, die ein positiveres Bild ergeben, noch nicht aufbereitet. (aargauerzeitung.ch)