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Die SVP und die Grenzen des neoliberalen Populismus

Nationalraete der SVP halten Plakate mit der Aufschrift "Verfassungsbruch" und "Massenzuwanderung geht weiter" hoch, bei der Schlussabstimmung ueber die Masseneinwanderungsinitiati ...
Protest SVP-Parlamentarier gegen Nichtbeachtung des Volkswillens. Wie wird sich die Partei nach dem Nein zur USR III verhalten?Bild: KEYSTONE
Kommentar

Die SVP und die Grenzen des neoliberalen Populismus

Das Nein zur Unternehmenssteuerreform III trifft vor allem die SVP – nicht nur weil Ueli Maurer Finanzminister ist.
13.02.2017, 13:1314.02.2017, 07:28

«Einige Menschen kann man immer belügen, die Mehrheit der Menschen kann man eine Zeitlang hinters Licht führen. Aber man kann nicht alle Menschen immer verar...en», lautet eine bekannte amerikanische Redewendung. Das bekommt die SVP derzeit zu spüren. Das wuchtige Nein zur USR III ist mehr als eine Niederlage für Blocher & Co.

Es zeigt die Grenzen einer Politik auf, die auf eine Mischung aus neoliberaler Wirtschaftspolitik und Anti-Zuwanderung-EU-Islam setzt. Die Widersprüche dieser Politik sind zu offensichtlich geworden – auch für die Basis der SVP.

Swiss Finance Minister Ueli Maurer attends a news conference after the vote on the Corporate Tax Reform Act III in Bern, Switzerland February 12, 2017. REUTERS/Pierre Albouy
Gescheitert: SVP-Bundesrat Ueli Maurer.Bild: PIERRE ALBOUY/REUTERS

Lange ist es gut gegangen. Mit kerniger Rhetorik gegen Ausländer warb man der SP Stimmen ab, mit dem Versprechen auf immer noch tiefere Steuern hielt man Gewerbe und Bauern bei der Stange. Mit dieser Kombination schaffte die SVP den Aufstieg vom Junior-Partner der FDP zur mächtigsten Volkspartei der Schweiz.  

Die Basis hat die SVP-Elite im Regen stehen lassen

Bei der USR III hat es nicht mehr geklappt. Das wuchtige Nein vom vergangenen Sonntag ist weniger ein triumphaler Sieg der Linken als eine schwere Schlappe für die SVP. Nicht nur entstand die Vorlage unter der Federführung ihres Bundesrats Maurer, sie wurde auch von Blocher und der «Weltwoche» vehement unterstützt. – und sie ist gescheitert, weil die SVP-Basis nicht mitgezogen hat.  

Mit tiefen Steuern lockt man nicht nur finanzstarke Unternehmen und hochqualifizierte Fachkräfte ins Land. Es kommen nicht nur deutsche Ärzte und IT-Spezialisten aus dem Osten, sondern auch portugiesische Bauarbeiter und polnische Krankenschwestern. Mit einer neoliberalen Wirtschaftspolitik begibt man sich deshalb unweigerlich auf den Weg in Richtung «Zehn-Millionen-Stadtstaat-Schweiz». Genau das will die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer und ganz speziell die SVP-Wähler nicht.

Aufruhr im Steuerparadies

Die Schweiz kann auch nicht gleichzeitig Steuerparadies sein und die Zuwanderung wirksam eindämmen. Das hat die Umsetzung der MEI gezeigt. Sie ist bekanntlich zahnlos ausgefallen, nicht weil der Bundesrat es so wollte, sondern weil es anders nicht geht. Das Versprechen der SVP, die Personenfreizügigkeit zu begrenzen, ohne die bilateralen Verträge zu gefährden, hat sich als Illusion erwiesen und gehört mittlerweile zur Kategorie «alternative Fakten».  

Gleichzeitig hat sich die SVP in jüngster Zeit selbst ins Bein geschossen. Mit freundlicher Unterstützung von so profunden Denkern wie Gölä und mit intellektuellem Flankenschutz des NZZ-Feuilletons haben Blocher und Köppel eine Kampagne gegen eine «Scheinelite» losgetreten. Sie haben dabei übersehen, dass sich auch ihre eigene Partei verändert hat. Die SVP lädt immer noch zu Puure Zmorge und ins Albisgüetli ein. Doch sie veranstaltet mittlerweile auch Anlässe im Prime Tower oder im Hyatt Hotel. Dort besteht das Publikum nicht aus Bauern und Gewerblern, sondern aus Managern und Bankern. Diese Elite ist von der Basis in den Regen gestellt worden.  

Das wuchtige Nein bringt die SVP in eine missliche Lage. Gemäss ihren eigenen Ansprüchen muss sie den Volkswillen zügig umsetzen. Sie muss ihre neoliberalen Prinzipien teilweise fallenlassen und Hand bieten für eine Vorlage, die mehr Rücksicht auf den Mittelstand nimmt. Werden Blocher & Co. diese Kröte schlucken?

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172 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Dan Rifter
13.02.2017 16:50registriert Februar 2015
Wer auch immer der Urheber dieses Zitats ist, es fasst die ganze Geschichte zusammen:

"Wenn die Oberschicht leidenschaftlich für eine Steuerreform ist, sollte die Mittelschicht kurz nachdenken."
Die SVP und die Grenzen des neoliberalen Populismus
Wer auch immer der Urheber dieses Zitats ist, es fasst die ganze Geschichte zusammen:

"Wenn die Oberschicht leidenschaftlich für eine Steuer ...
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piedone lo sbirro
13.02.2017 16:00registriert November 2016
ausländische firmen und ihre mitarbeiter werden massenweise die schweiz verlassen, drohten FDP und SVP bei einem nein zur USR III.

so hätten wir ja plötzlich eine massen-auswanderung, und die MEI wäre auf wundersame weise umgesetzt... :-)
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piedone lo sbirro
13.02.2017 15:49registriert November 2016
in den letzten jahren wurden zehntausende von Ü50ern von den unternehmen in die sozialhilfe entsorgt und durch ausländer ersetzt.

obwohl dank den dumpingsteuern immer mehr unternehmen in die schweiz kamen, finden sie keine stelle. viele schweizer haben nichts davon, dass ausländische firmen in die schweiz kommen, die dann jedes jahr zehntausende von billigarbeitern importieren.

im gegenteil: da die firmen immer weniger steuern zahlen, darf dann der mittelstand die milliardenkosten für den durch die zuwanderung nötigen infrastrukturausbau berappen.

WELCOME TO FDP/SVP!
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