In der Schweiz werden in der Nacht auf Donnerstag einige Leute schlecht geschlafen haben. Als US-Präsident Donald Trump am späten Mittwochabend unserer Zeit seinen Zollhammer auspackte und die Tabelle mit den betroffenen Ländern in die Kamera hielt, dürfte ihnen ein gehöriger Schreck in die Glieder gefahren sein. Denn der Hammer trifft die Schweiz besonders hart.
Ausfuhren in die USA werden ab nächstem Mittwoch mit einem Zoll von 31 oder gar 32 Prozent belegt. Das ist einer der höheren Werte der aufgelisteten Länder. Die Europäische Union, von Trump und vielen in der Schweiz inbrünstig gehasst, erhält mit 20 Prozent geradezu einen «Freundschaftspreis», auch wenn die EU alles andere als erfreut ist.
Hiesige Trump-Fans und EU-Feinde, also Leute wie Roger Köppel, Markus Somm oder Magdalena Martullo-Blocher, dürften laut aufgestöhnt haben. Trump hält die Schweiz für schlimmer als die EU? Eine Erklärung für die Diskrepanz liefert die «Handgelenk mal Pi»-Formel, mit der das Handelsbilanzdefizit gegen die Exporte in die USA verrechnet wird.
Ökonomisch ist das fauler Zauber, und die Schweizer Wirtschaft ist entsetzt. Für Economiesuisse handelt es sich um eine «handelspolitische Eskalation», heisst es in einer Mitteilung. Der Industrieverband Swissmem zeigt sich «schwer enttäuscht», und selbst Scienceindustries, der Dachverband der – noch – verschonten Pharmaunternehmen, ist besorgt.
Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin zeigten sich am Donnerstag vor den Medien ratlos und ernüchtert. Viel mehr als Durchhalteparolen konnten sie nicht bieten. Die Enttäuschung dürfte riesig sein, denn was hat Bundebern in den letzten Wochen nicht alles versucht, um die USA von Strafzöllen abzubringen!
Es begann mit dem «Le Temps»-Interview der Bundespräsidentin am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz, das SP-Nationalrätin Jacqueline Badran als «Einschleimen bei den USA» anprangerte. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) schilderte in einem nach Washington versandten «Bittbrief», wie vorbildlich sich die Schweiz verhalte, gerade im Vergleich mit der EU.
Die Schweiz habe ihre Industriezölle abgeschafft. Sie habe anders als Brüssel weder eine «schädliche» Regulierung für Künstliche Intelligenz noch Vorschriften für Online-Plattformen eingeführt und plane keinen CO2-Grenzausgleich. Auch verwies das Seco auf die vielen von Schweizer Firmen in den USA geschaffenen, gut bezahlten Jobs.
Die Schweiz sei «weit offen» für amerikanische Güter, Dienstleistungen und Investitionen, heisst es im Brief. Staatssekretärin Helene Budliger Artieda reiste im März nach Washington, was von einigen im geopolitisch häufig unbedarften Helvetien als Durchbruch gefeiert wurde. Dabei traf sie niemanden, der bei Trump etwas zu sagen hat.
Als klassischer Merkantilist interessiert sich der US-Präsident einzig für den Warenhandel. Und da sieht es für die Schweiz in einem heiklen Punkt nicht gut aus: der Landwirtschaft. Trumps Handelsbeauftragter Jamieson Greer verweist gemäss CH Media in seinem Bericht auf den eingeschränkten Zugang zum Schweizer Markt und die hohen Subventionen.
Nicht nur für den Agrarexporteur USA ist die Schweiz ein Problemfall. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist das Einkommen der Bauern in keinem Land so stark von Subventionen abhängig wie bei uns. Sie machen fast 50 Prozent aus. Auch beim Grenzschutz geht die Schweiz ans Limit des WTO-Abkommens.
Zu «verdanken» ist dies dem massiven Lobbying des Bauernverbands und ihres Präsidenten, Möchtegern-Bundesrat Markus Ritter. Wirtschaftsliberale aus der FDP, die ihn am 12. März nicht gewählt haben, können sich nun bestätigt fühlen. Wirtschaftsliberale aus der SVP, die den Mitte-Nationalrat gewählt haben, können mit dem Kopf gegen die Wand knallen.
Nationalrätin und Ems-Chefin Magdalena Martullo-Blocher behauptete in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger», sie sei in Trumps erster Amtszeit nahe am Abschluss eines Freihandelsabkommen mit den USA gewesen, und zwar ohne Landwirtschaft. Diese falle in der Schweiz unter «National Security». Diese Argumentation wirkt heute weltfremd.
Viel kann die Schweiz in dieser heiklen Lage nicht tun. Gegenzölle seien «noch nicht einmal ein Mückenstich für die USA», sagte Seco-Chefin Budliger Artieda am Dienstag gemäss dem «Tages-Anzeiger». Auftrieb erhalten dürfte deshalb das Verhältnis zur EU und damit das von Lästermäulern schon totgesagte neue Vertragspaket, auch Bilaterale III genannt.
Die SP, die sich bislang aus Rücksicht auf die Gewerkschaften eher bedeckt hielt, betont in einer Mitteilung die Notwendigkeit stabiler Beziehungen zur EU. Sie müssten «im Rahmen der Bilateralen III stabilisiert werden». Swissmem fordert eine rasche Regelung im Verhältnis zum mit Abstand wichtigsten Handelspartner: «Die Bilateralen III sind der Weg dahin.»
«Die Chancen für ein Ja zum geplanten Paket von Verträgen mit der Europäischen Union sind dank Trump gerade gestiegen», schreibt die NZZ. Sein Zollhammer ist ein Booster für die Bilateralen III. Ihre Hardcore-Gegner von Autonomiesuisse oder Kompass/Europa dürften in der Nacht auf Donnerstag ebenfalls nicht allzu tief geschlafen haben.
Was die USA nicht verkaufen kann schmerzt sie mehr als allfällige Gegenzölle. So isolieren sich die USA selber.
Es gibt nicht für alles Alternativen, ich werde aber vermehrt ein Auge darauf haben und Europa zu stärken.
Ein kleiner Tropfen nur, ich weiss. Aber genug Tropfen geben eine Pfütze, noch mehr einen See bis hin zu einem Ozean.