Schweiz
Wirtschaft

Trumps Zölle gegen die Schweiz nützen den Bilateralen III

Swiss Federal President Karin Keller-Sutter, right, talks with Ursula von der Leyen, president of the European Commission, left, prior to a bilateral meeting on the sideline of the 55th annual meeting ...
Karin Keller-Sutter (r.) mit EU-Chefin Ursula von der Leyen am WEF in Davos. Bislang zeigte sich die Bundespräsidentin gegenüber den EU-Verträgen eher reserviert.Bild: keystone
Analyse

Trumps Zollhammer ist ein Booster für die Bilateralen III

Donald Trump bestraft die Schweiz mit seinen Zöllen härter als die Europäische Union. Für die hiesigen EU-Gegner ist das ein Schock. Und ein Steilpass für das neue Vertragspaket.
03.04.2025, 20:0503.04.2025, 20:05
Mehr «Schweiz»

In der Schweiz werden in der Nacht auf Donnerstag einige Leute schlecht geschlafen haben. Als US-Präsident Donald Trump am späten Mittwochabend unserer Zeit seinen Zollhammer auspackte und die Tabelle mit den betroffenen Ländern in die Kamera hielt, dürfte ihnen ein gehöriger Schreck in die Glieder gefahren sein. Denn der Hammer trifft die Schweiz besonders hart.

Ausfuhren in die USA werden ab nächstem Mittwoch mit einem Zoll von 31 oder gar 32 Prozent belegt. Das ist einer der höheren Werte der aufgelisteten Länder. Die Europäische Union, von Trump und vielen in der Schweiz inbrünstig gehasst, erhält mit 20 Prozent geradezu einen «Freundschaftspreis», auch wenn die EU alles andere als erfreut ist.

Hiesige Trump-Fans und EU-Feinde, also Leute wie Roger Köppel, Markus Somm oder Magdalena Martullo-Blocher, dürften laut aufgestöhnt haben. Trump hält die Schweiz für schlimmer als die EU? Eine Erklärung für die Diskrepanz liefert die «Handgelenk mal Pi»-Formel, mit der das Handelsbilanzdefizit gegen die Exporte in die USA verrechnet wird.

«Handelspolitische Eskalation»

Ökonomisch ist das fauler Zauber, und die Schweizer Wirtschaft ist entsetzt. Für Economiesuisse handelt es sich um eine «handelspolitische Eskalation», heisst es in einer Mitteilung. Der Industrieverband Swissmem zeigt sich «schwer enttäuscht», und selbst Scienceindustries, der Dachverband der – noch – verschonten Pharmaunternehmen, ist besorgt.

Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin zeigten sich am Donnerstag vor den Medien ratlos und ernüchtert. Viel mehr als Durchhalteparolen konnten sie nicht bieten. Die Enttäuschung dürfte riesig sein, denn was hat Bundebern in den letzten Wochen nicht alles versucht, um die USA von Strafzöllen abzubringen!

Schweiz schwärzt EU an

Es begann mit dem «Le Temps»-Interview der Bundespräsidentin am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz, das SP-Nationalrätin Jacqueline Badran als «Einschleimen bei den USA» anprangerte. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) schilderte in einem nach Washington versandten «Bittbrief», wie vorbildlich sich die Schweiz verhalte, gerade im Vergleich mit der EU.

Staatsekretaerin Helene Budliger Artieda, Direktorin des Staatssekretariats fuer Wirtschaft SECO, spricht waehrend einer Medienkonferenz des Bundesrates zum Lohnschutz, am Mittwoch, 19. Februar 2025,  ...
Seco-Chefin Helene Budliger Artieda lobbyierte in Washington – offenbar ohne Erfolg.Bild: keystone

Die Schweiz habe ihre Industriezölle abgeschafft. Sie habe anders als Brüssel weder eine «schädliche» Regulierung für Künstliche Intelligenz noch Vorschriften für Online-Plattformen eingeführt und plane keinen CO2-Grenzausgleich. Auch verwies das Seco auf die vielen von Schweizer Firmen in den USA geschaffenen, gut bezahlten Jobs.

Seco-Chefin läuft auf

Die Schweiz sei «weit offen» für amerikanische Güter, Dienstleistungen und Investitionen, heisst es im Brief. Staatssekretärin Helene Budliger Artieda reiste im März nach Washington, was von einigen im geopolitisch häufig unbedarften Helvetien als Durchbruch gefeiert wurde. Dabei traf sie niemanden, der bei Trump etwas zu sagen hat.

Als klassischer Merkantilist interessiert sich der US-Präsident einzig für den Warenhandel. Und da sieht es für die Schweiz in einem heiklen Punkt nicht gut aus: der Landwirtschaft. Trumps Handelsbeauftragter Jamieson Greer verweist gemäss CH Media in seinem Bericht auf den eingeschränkten Zugang zum Schweizer Markt und die hohen Subventionen.

Abgeschottete Landwirtschaft

Nicht nur für den Agrarexporteur USA ist die Schweiz ein Problemfall. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist das Einkommen der Bauern in keinem Land so stark von Subventionen abhängig wie bei uns. Sie machen fast 50 Prozent aus. Auch beim Grenzschutz geht die Schweiz ans Limit des WTO-Abkommens.

epa12006196 US President Donald Trump speaks during a tariff announcement in the Rose Garden of the White House in Washington, DC, USA, 02 April 2025. Trump plans to roll out tariffs on global trading ...
Trump wedelt mit dem Zollbericht, in dem die Schweizer Landwirtschaftspolitik kritisiert wird.Bild: keystone

Zu «verdanken» ist dies dem massiven Lobbying des Bauernverbands und ihres Präsidenten, Möchtegern-Bundesrat Markus Ritter. Wirtschaftsliberale aus der FDP, die ihn am 12. März nicht gewählt haben, können sich nun bestätigt fühlen. Wirtschaftsliberale aus der SVP, die den Mitte-Nationalrat gewählt haben, können mit dem Kopf gegen die Wand knallen.

SP für Bilaterale III

Nationalrätin und Ems-Chefin Magdalena Martullo-Blocher behauptete in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger», sie sei in Trumps erster Amtszeit nahe am Abschluss eines Freihandelsabkommen mit den USA gewesen, und zwar ohne Landwirtschaft. Diese falle in der Schweiz unter «National Security». Diese Argumentation wirkt heute weltfremd.

Viel kann die Schweiz in dieser heiklen Lage nicht tun. Gegenzölle seien «noch nicht einmal ein Mückenstich für die USA», sagte Seco-Chefin Budliger Artieda am Dienstag gemäss dem «Tages-Anzeiger». Auftrieb erhalten dürfte deshalb das Verhältnis zur EU und damit das von Lästermäulern schon totgesagte neue Vertragspaket, auch Bilaterale III genannt.

Die SP, die sich bislang aus Rücksicht auf die Gewerkschaften eher bedeckt hielt, betont in einer Mitteilung die Notwendigkeit stabiler Beziehungen zur EU. Sie müssten «im Rahmen der Bilateralen III stabilisiert werden». Swissmem fordert eine rasche Regelung im Verhältnis zum mit Abstand wichtigsten Handelspartner: «Die Bilateralen III sind der Weg dahin.»

«Die Chancen für ein Ja zum geplanten Paket von Verträgen mit der Europäischen Union sind dank Trump gerade gestiegen», schreibt die NZZ. Sein Zollhammer ist ein Booster für die Bilateralen III. Ihre Hardcore-Gegner von Autonomiesuisse oder Kompass/Europa dürften in der Nacht auf Donnerstag ebenfalls nicht allzu tief geschlafen haben.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die ganze Liste: Diese Zölle verteilt Trump
1 / 6
Die ganze Liste: Diese Zölle verteilt Trump
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Donald Trump erweitert seinen Handelskrieg
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
206 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Bynaus
03.04.2025 20:44registriert März 2016
Vielleicht ist das genau der heilsame Schock, den viele hierzulande brauchen, um ihre irrationale Angst und Ablehnung gegenüber der EU zu überwinden. Kein anderer Wirtschaftsblock vertritt gegenwärtig klassische liberale Werte wie Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Völkerrecht so vehement wie die EU. Alles Werte, die auch wir uns doch gerne auf die Fahne schreiben... (Böse Zungen würden sagen: zumindest so lange das Geld dabei nicht in den Weg gerät...)
21943
Melden
Zum Kommentar
avatar
Liebu
03.04.2025 20:29registriert Oktober 2020
Jeder kann für sich seinen Anteil leisten und Alternativen wo möglich zu Produkten aus den USA suchen und US Güter meiden.
Was die USA nicht verkaufen kann schmerzt sie mehr als allfällige Gegenzölle. So isolieren sich die USA selber.
Es gibt nicht für alles Alternativen, ich werde aber vermehrt ein Auge darauf haben und Europa zu stärken.
Ein kleiner Tropfen nur, ich weiss. Aber genug Tropfen geben eine Pfütze, noch mehr einen See bis hin zu einem Ozean.
1368
Melden
Zum Kommentar
avatar
ImmerMitderRuhe
03.04.2025 20:35registriert Februar 2023
Jeder schaut nach SVP Doktrin nur noch unabhängig für sich. Können unsere 9 Mio zwar nicht selber mit Nahrung und Energie versorgen, aber es kommt hoffentlich schon gut. Naiv sowas.
405
Melden
Zum Kommentar
206
    Schweizer zögern bei USA-Reisen: So reagiert die Swiss
    Die Lufthansa-Tochter hofft, mit Billigpreisen ihre Flüge in die Vereinigten Staaten zu füllen. Derweil entwickelt sich ein Flugzeug vom einstigen Hoffnungsträger zum Flop-Flieger.

    Das Gebaren von US-Präsident Donald Trump hält zunehmend Touristen vom Flug nach New York, San Francisco oder Miami ab. Meldungen über Handy-Durchsuchungen bei der Einreise, stundenlange Verhöre oder gar Rückweisungen wirken für viele abschreckend. Flugreisen aus Kanada und Mexiko sind deshalb zuletzt laut dem «National Travel and Tourism Office» um bis zu 23 Prozent zurückgegangen.

    Zur Story