Im Spital zählt oft jede Minute. Zum Beispiel, wenn Speichel- oder Blutproben eines Patienten analysiert werden müssen. Dafür sind in gewissen Fällen Spezialuntersuchungen nötig, die nicht im spitalinternen Labor durchgeführt werden können. Bisher transportierten Autos die Proben so schnell wie möglich von A nach B. Bei verstopften Strassen kann das jedoch schnell zur Zerreissprobe werden.
Deshalb fliegen neu Drohnen der Post die Proben zum Labor und zurück – und sparen damit kostbare Zeit. So soll der Flugweg nur 4 Minuten anstatt der üblichen 8-10 Minuten im Auto in Anspruch nehmen. Der einjährige Test startet am Donnerstag.
Dass nun mit Viren gefüllte Reagenzgläser 2,5 Kilometer lang über die Stadt fliegen, verunsichert aber auch.« Ich sehe sehr plastische Katastrophenszenarien vor mir, wenn da irgendein mit Viren gefülltes Reagenzglas über der Stadt explodiert», sagt eine Zürcherin. Auch auf den sozialen Medien und in Artikel-Kommentarspalten zum Thema zeigt sich Verunsicherung. Was passiert, wenn die Drohne über einem Quartier abstürzt?
Die Post gibt sich auf Anfrage beschwichtigend. Sprecherin Léa Wertheimer: «Die Laborproben hängen nicht einfach in einem Säckli von der Drohne herab, sondern werden in einer bruchsicheren Sicherheitsbox transportiert.» Die Box sei zertifiziert für Transporte biologischer Stoffe und halte einen ungebremsten Absturz aus rund zehn Metern aus.
Dass die Drohne eine Flughöhe von 100 Meter über Boden und gut 70 Stundenkilometer erreiche, ändere nichts an der Tatsache, dass alle nötigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden seien. «Im Fall eines technischen Versagens bremst ein Fallschirm den Fall der Drohne deutlich ab.» Die Drohne der kalifornischen Firma Matternet sei ausserdem mit einem Kollisions-Warnsystem ausgestattet, um die Menschen am Boden mit Blinken und Hornen zu warnen. Sie sei vom Bundesamt für Zivilluftfahrt auch für Regen zertifiziert, bei starkem Wind darf sie aber nicht fliegen.
Proben mit hohem Gefahrenpotenzial soll das unbemannte Luftfahrzeug zudem nicht befördern. Patrick Benz, Abteilungsleiter Services am Universitätsspital Zürich: «Solche Proben unterliegen besonderen Vorschriften und werden gesondert transportiert.» Die gängigen medizinischen Proben, die nun auf dem Flugweg transportiert werden, enthielten keine Erreger, denen man nicht auch sonst im Alltag ausgesetzt sein könnte, zum Beispiel in öffentlichen Verkehrsmitteln.
Bei der Routenwahl der Drohne sei eine vorsichtige Risikoanalyse einbezogen worden, sagt Post-Sprecherin Léa Wertheimer: «Wir fliegen wenn immer möglich über unbewohntes Gebiet.» Deshalb fliege die Drohne nicht die kürzeste Strecke, sondern mache einen Umweg über ein Waldstück. Bewohnte Gebiete wird sie jedoch auch überfliegen.
Léa Wertheimer: «In Lugano läuft auch ein Drohnenprojekt der Post. Dort hätte die kürzeste Strecke über den Uni-Campus geführt, auf dem sich durch den Tag viele Menschen aufhalten – das wollten wir vermeiden.» Ganz so sicher ob der Sicherheit der Drohnen scheint man sich also nicht zu sein. Wertheimer sagt: «Wir halten alle Vorgaben ein, um die Risiken so klein als möglich zu halten.».
Auch zu Konflikten mit Flugzeugen, die am Flughafen Kloten starten oder landen, sollte es nicht kommen: «Wir fliegen ausserhalb des Flughafen-Perimeters auf rund 100 Meter über Grund, da befindet sich kein Verkehrsflugzeug», so Wertheimer. Trotzdem sei Skyguide aber über den neuen Service informiert worden. Das immer etwas passieren kann, zeigt jedoch ein Vorfall am 29. September: Es kam zu einem Beinahe-Zusammenstoss zwischen einem Swiss-Flieger und einer Drohne. Der Abstand zwischen den zwei Maschinen betrug gerade mal 20 Meter.
Sowohl beim Unispital als auch beim Labor befindet sich der Start- und Landeplatz der Drohne auf einer Dachterrasse. Mit der Nachbarschaft und den Quartiervereinen stehe man in Kontakt. Eine Kamera enthält die Drohne nicht, aber die Quadrocopter sind wegen ihres Surrens unbeliebt. Bei einer Testphase der Post mit Labor-Drohnenkurieren diesen Sommer hat es Reklamationen wegen des Lärms gegeben. Darauf sind Start- und Landeplatz verschoben worden. Die 4,5 Kilometer lange Route führte über den Zürichsee und verband die Klinik im Park mit dem Zürcher Zentrallabor. Sie soll demnächst auch in Betrieb gehen.
Auf der Route zwischen Unispital und Campus Irchel sollen nun täglich fünf bis zehn Flüge zwischen 7.30 Uhr und 16.45 Uhr stattfinden. Verläuft der einjährige Versuch positiv, ziehen die Beteiligten in Betracht, die Drohne dort definitiv zu installieren.
Pro Transport per Drohne zahlen die Auftraggeber Unispital und Uni einen Fixbetrag, den sie nicht beziffern wollen. Die Post übernimmt sämtliche Kosten für die Entwicklung und die Etablierung der neuen Route. Wie hoch diese sind, gibt sie nicht bekannt. Wertheimer sagt, der Post gehe es nicht um einen lukrativen Auftrag, sondern darum, Erfahrungen mit der Drohne zu machen und zu prüfen, ob eine solche Dienstleistung für die Spitäler Sinn mache.
Auch in Lugano und Bern läuft ein Drohnenprojekt der Post im Medizinalbereich. Ob die Drohnen fixer Bestandteil des künftigen Post-Zukunftsmodels sind, ist unklar. Wertheimer: «Wir führen Gespräche mit anderen Interessenten.» Die Drohnen würden aber ein Nischengeschäft für die Post bleiben: «Wir werden keine Pizzas per Drohne vertragen oder alle Pakete auf dem Flugweg liefern – unsere Postboten werden nicht durch Drohnen ersetzt.»