Schweiz
Wirtschaft

Geheimer Bericht kritisiert Rahmenabkommen mit der EU

Carl Baudenbacher, ehemaliger Praesident des EFTA-Gerichtshofs, rechts, diskutiert mit Astrid Epiney, Professorin fuer Voelkerrecht, Europarecht und schweizerisches oeffentliches Recht, links, vor ein ...
Carl Baudenbacher (rechts) diskutiert mit Astrid Epiney, Professorin für Völkerrecht, Europarecht und schweizerisches öffentliches Recht vor einer Anhörung der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats (APK-N) zum institutionellen Abkommen Schweiz-EU im Januar 2019.Bild: KEYSTONE

«Vasallisierung»: Geheimer Bericht kritisiert Rahmenabkommen mit der EU

10.02.2019, 04:2818.03.2019, 09:49
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Kurz vor dem Jahreswechsel unterbreitete EU-Ratspräsident Jean-Claude Juncker der Schweiz einen neuen Vorschlag zum Rahmenabkommen. In Streitfällen soll ein Schiedsgericht zwischengeschaltet werden. Geht es allerdings um EU-Recht, so kommt der Europäische Gerichtshof zum Zuge – und dessen Urteil ist verbindlich. Der Bundesrat lenkte ein.

Corrado Pardini, SP-BE, spricht waehrend einer Debatte waehrend der Fruehlingssession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 13. Maerz 2018 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Corrado PardiniBild: KEYSTONE

SP-Nationalrat Corrado Pardini verlangte darauf von der Wirtschaftskommission des Nationalrats (WAK) zwei Gutachten zum Rahmenabkommen mit der EU. Folgende Fragen sollten geklärt werden:

  • Wie gross ist das Ermessen des Schiedsgerichts bei einer Anfrage der EU, den Europäischen Gerichtshof anzurufen?
  • Welchen Einfluss hat das Abkommen auf die Staatsbeihilfen?

Eines der Rechtsgutachten wurde vom ehemaligen Präsidenten des Efta-Gerichtshofs, Carl Baudenbacher, verfasst. Obwohl es geheim bleiben soll, wurde es der «SonntagsZeitung» zugestellt.

«Vasallisierung»

Baudenbachers Fazit lautet: Das Schiedsgericht «hat kein Ermessen». Somit würde sich «die Schweiz dem Gericht der Gegenpartei, dem die Unparteilichkeit fehlt, unterwerfen». Das vom Bundesrat als Zugeständnis der EU gelobte Schiedsgericht sieht er als wertlos an.

Mit dem Rahmenabkommen schwäche die Schweiz überdies ihre Position bei künftigen Verhandlungen. Es sei aus rechtsvergleichender Sicht eine unzulässige Bastelei («bricolage»), wenn ein Verfahren, das für Assoziierungsverträge von EU-Beitrittskandidaten entwickelt wurde, einem austrittswilligen Land wie Grossbritannien oder einem Land ohne Beitrittsabsicht wie die Schweiz, aufgedrückt werde.

Carl Baudenbacher, ehemaliger Praesident des EFTA-Gerichtshofs, rechts, diskutiert mit Astrid Epiney, Professorin fuer Voelkerrecht, Europarecht und schweizerisches oeffentliches Recht, links, vor ein ...
Carl BaudenbacherBild: KEYSTONE

Baudenbacher argumentiert weiter, dass die Formulierung im Schweizer Abkommen anders ausgelegt ist, als beispielsweise in den Abkommen zu Schiedsgerichten mit osteuropäischen Staaten oder Grossbritannien. Daraus schliesst er: «Man kann nicht annehmen, dass hier ein irgendwie geartetes Ermessen besteht».

In diesem Zusammenhang spricht er auch von «Vasallisierung». Es gäbe keine Anhaltspunkte, dass das Abkommen mit der Schweiz «drittstaatsfreundlich ausgelegt» werden würde. Ohnehin beanspruche der Europäische Gerichtshof eine Monopolstellung, wenn es um EU-Recht gehe.

Kritik an der Kritik

Das Gutachten kommt laut der «SonntagsZeitung» nicht bei allen gut an. Mitteparteien kritisieren, Baudenbacher urteile wegen seiner vorherigen Tätigkeit als Präsident des Efta-Gerichtshofs parteiisch. Deshalb stellen sie die Finanzierung des Berichts in Frage.

Fraktionpraesident und Nationalrat Thomas Aeschi (ZG) spricht an einer Medienkonferenz ueber das Parteiprogramm der SVP fuer die Legislatur 2019-2023, am Donnerstag, 10. Januar 2019, im Medienzentrum  ...
Thomas AeschiBild: KEYSTONE

Pardini hingegen findet den Bericht von Baudenbacher äusserst wichtig. Dieser Auffassung ist auch SVP-Nationalrat Thomas Aeschi: «Es ist meiner Ansicht nach gerechtfertigt, einen ausgewiesenen Experten wie Baudenbacher mit einem Gutachten zu beauftragen. Wer hätte das besser machen können, immerhin hat er mehr als 20 Jahre Erfahrung als Richter am Efta-Gerichtshof.» Der Schweizer EU-Chefunterhändler, Roberto Balzaretti, will sein Abkommen in der nächsten WAK-Sitzung verteidigen. (vom)

Wir erklären dir das institutionelle Rahmenabkommen:

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103 Kommentare
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walsi
10.02.2019 06:11registriert Februar 2016
So überraschend ist dieser Bericht nun auch nicht. Wann hat der grössere und vermeintlich mächtigere den kleineren nicht wie einen Vasall behandelt?

Das aktuelle Chaos um den Brexit geht ja auch nicht nur auf die Kappe der Briten. Die EU ist in der stärkeren Verhandlungsposition und lässt das die Briten nun knallhart spüren. Es geht darum ein Exempel zu statuieren, dass ja kein anderes Land auf die Idee kommt die EU verlassen zu wollen.
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N. Y. P.
10.02.2019 07:33registriert August 2018
-Das vom Bundesrat als Zugeständnis der EU gelobte Schiedsgericht sieht er (Baudenbacher) als wertlos an.

Wow, das muss man erst mal verdauen.


-Das Schiedsgericht «hat kein Ermessen»

Wie bitte ?


-Ohnehin beanspruche der Europäische Gerichtshof eine Monopolstellung, wenn es um EU-Recht gehe.

Was auch sonst.


Merz 2.0

Werden wir hier eigentlich so richtig hinters Licht geführt ? Ich muss leider sagen, dass ich dem Bundesrat, was die das Rahmenabkommen betrifft, nicht mehr über den Weg traue..

Und zieht endlich unseren EU - Fanboy - Chefunterhändler ab.
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Schneider Alex
10.02.2019 06:09registriert Februar 2014
Wie einschneidend wäre das Rahmenabkommen mit der EU für die Volksrechte und den Föderalismus? Laut dem Zürcher Staatsrechtsprofessor Andreas Glaser würde die Schweiz ein Wagnis eingehen und sich dem europäischen Schicksal ausliefern.
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