Damit wird die Verhandlung nach vier langen und anstrengenden Tagen angeschlossen. Am 9. Februar geht es weiter mit der Befragung von Andreas Etter, dem Mitgründer von Investnet. Er war wegen einer Corona-Infektion in Isolation.
Darum geht es beim Raiffeisen-Prozess:
Tag 3 im Vincenz-Prozess – Stocker bezeichnete Firma als «piece of shit»
Im Theatersaal des Zürcher Volkshauses findet seit Dienstag der grösste Wirtschafts-Prozess seit Jahrzehnten statt: der grosse Raiffeisen-Prozess. Einen Überblick findest du unten, den laufend aktualisierten Ticker hier:
So lief der zweite Prozesstag:
- Beat Stocker, Berater und Compagnon von Vincenz, zeigte sich empört über die Anklage: «Ich habe nie daran gedacht, mich persönlich zu bereichern.» Aber auch: «Ich bin jetzt geläutert.»
- Die Mitangeklagten Christoph Richterich, Stéphane Barbier-Mueller und Ferdinand Locher bestreiten alle Vorwürfe.
- Der Anwalt von Vincenz legte einen Präzedenzfall vor, der für einen Freispruch seines Mandanten sorgen soll. Das Gericht lässt aber die neuen Beweisanträge nicht zu.
- Plädoyer der Staatsanwaltschaft: Die Argumente von Vincenz und Stocker seien nicht nachvollziehbar. Bei den Luxusreisen fehlten es an geschäftlichen Anlässen. Die «Tour de Suisse durchs Rotlichtmilieu» sei privater Natur gewesen und die Spesen von Vincenz wurden verschleiernd deklariert. Für den Staatsanwalt handelten die beiden Beschuldigten arglistig.
Weiter geht es am 9. Februar
Damit wird die Verhandlung nach vier langen und anstrengenden Tagen angeschlossen. Am 9. Februar geht es weiter mit der Befragung von Andreas Etter, dem Mitgründer von Investnet. Er war wegen einer Corona-Infektion in Isolation.
Erni landete den einen oder anderen Treffer
Das betrifft etwa die Überweisung von 2,9 Millionen Franken von Beat Stocker an Pierin Vincenz. Ein anonymer Whistleblower hatte sie 2017 dem Portal Inside Paradeplatz zugespielt und den Stein ins Rollen gebracht. Ob es sich wie von der Anklage behauptet um Erlöse aus der heimlichen Beteiligung bei Investnet handelte oder um ein Darlehen für den Kauf eines Hauses, ist zumindest umstritten.
Deutlich kürzer und weniger überzeugend sprach Erni zu den Spesen. Die Behauptung, die «Tour de Suisse durch das Rotlichtmilieu» sowie die teuren Reisen des ehemaligen Topbankers hätten einen geschäftlichen Hintergrund gehabt, wirkten ähnlich gewunden wie die Ausführungen von Vincenz in der Befragung vom Dienstag. Und die mangelhaften Kontrollen durch Raiffeisen sind keine Rechtfertigung für das Bezahlen von privaten Spesen mit der Firmenkreditkarte.
Mastermind oder Investor?
Beat Stocker (im Bild mit seiner Frau) wurde von der Staatsanwaltschaft als «Hirn» bei den umstrittenen Transaktionen bezeichnet. Für seinen Anwalt aber war er ein Investor, der sich mit Risikokapital engagiert habe.
Anwalt von Stocker ist schockiert
Statt der ursprünglich geplanten Einleitung geht Blattmann sogleich in die Offensive. Er zeigt sich schockiert über die Argumentation der Staatsanwaltschaft. Er zieht praktisch deren gesamte Beweisführung in Zweifel: «Die blosse Behauptung einer Tatsache ist noch keine Tatsache.»
Freispruch und Entschädigung gefordert
«Striplokal der Zürcher Banker»
Anders als von der Staatsanwaltschaft behauptet könne man zumindest in einigen Fällen aus den Kreditkartenabrechnung sehr wohl die Natur dieser Etablissements herauslesen. Vincenz habe davon ausgehen können, dass seine Spesen vom VR-Präsidenten gedeckt wurden. Einen Vorsatz zur unrechtmässigen Bereicherung könne man ihm auch in diesem Fall nicht vorwerfen, was zu einem Freispruch führen müssen.
Reisen als Teil des Networking
Nur weil Raiffeisen in erster Linie auf dem heimischen Markt tätig sei, seien Vincenz' Auslandsreisen nicht per se privat gewesen, argumentiert Erni. «Die internationale Dimension ist genauso wichtig», zitiert er aus der Befragung seines Mandanten. Dies habe Verwaltungsratspräsident Johannes Rüegg-Stürm in seiner Befragung als Zeuge bestätigt. Er verbietet sich aus Sicht des Verteidigers der Schluss, der CEO habe Raiffeisen geschädigt oder sich willentlich bereichert.
Vincenz räumte irrtümliche Verrechnung ein
Bei den Reisen sei es ebenfalls zu einer irrtümlichen Belastung gekommen, räumt Erni ein. Dies könne aber mit einer gewissen Nachlässigkeit bei der Kontrolle erklärt werden. Die Reparatur eines demolierten Hotelzimmers im Zürcher Hotel Park Hyatt sei aus der Kreditkartenabrechnung nicht hervorgegangen.
Der Nicht-Kauf der Arena Thun
Er basiert unter anderem Chats und Emails zwischen Locher und Beat Stocker. Sie zeigten jedoch, dass Vincenz von Spekulationen über eine mögliche Provision keine Kenntnis gehabt habe. Entsprechende Spekulationen der Staatsanwaltschaft seien ein Beleg für deren Voreingenommenheit, sagt der Staranwalt.
Mittagspause nach mehr als vier Stunden
Kein Beweis für Beteiligung an Eurokaution
Beat Stocker habe in der Anfangsphase daran gedacht, Vincenz als strategischen Investor zu gewinnen, räumt Erni ein. Er sei aber davon abgekommen. Bemerkungen von Stocker in einem Mail an GCL-Miteigentümer Stéphane Barbier-Mueller seien kein Beweis für eine Beteiligung. Daran würden auch Aussagen von Ferdinand Locher nichts ändern. Er habe selbst eingeräumt, es handle sich um «vage Erinnerungen, eigene Gedanken und Spekulationen».
Was macht Vincenz?
Der Anwalt kommt jetzt auf die angebliche Beteiligung am Mietkautions-Versicherer Eurokaution, der von Aduno übernommen wurde. Auch die habe es nicht gegeben, sagt Erni kurz und bündig. Es treffe zu, dass Vincenz den Kauf befürwortet habe, doch dabei habe er sich auf die Beurteilung durch die Geschäftsleitung von Aduno verlassen. Er habe sich dabei nicht besonders eingemischt.
«Wo käme man denn hin, Vincenz laufen zu lassen?»
Bei GCL erst nach der Übernahme eingestiegen
Die Beteiligung von Vincenz an GCL sei unbestritten, räumt Erni ein, doch sie sei erst 2013 erfolgt, mehr als ein Jahr nach Abschluss der Verträge. Sein Mandat habe nie unrechtmässig gehandelt und zu keinem Zeitpunkt eine rote Linie überschritten. Anders als von der Staatsanwaltschaft behauptet habe er sich vor Vertragsabschuss keine Gewinnbeteiligung zusichern lassen.
Das Investnet-Fazit: Nur Spekulation, keine Beweise
Entlastende Passagen «nicht transkribiert»
Der Schmiergeld-Vorwurf der Anklage
In der Notiz sei wiederholt von Darlehen die Rede. Es gehe nicht um die Verteilung von Schmiergeld, wie die Anklage behaupte. Vincenz habe vielmehr seine Sorge ausgedrückt, er könne das Darlehen nicht zurückzahlen. Auch das spricht laut Erni gegen eine klandestine Beteiligung an Investnet.
Wer ist Lorenz Erni?
Erni attackiert die «Sonntagszeitung»
Keine Unterbeteiligung, sondern ein Darlehen
Bei den 2,9 Millionen Franken, die Beat Stocker an Pierin Vincenz überwies, habe es sich nicht um eine Unterbeteiligung gehandelt, sondern um ein Darlehen, sagt Erni mit Bezug auf einen Chatverlauf. Es sei bekannt, dass sein Mandat zum damaligen Zeitpunkt, also im Sommer 2015, Stocker um ein Darlehen von fünf Millionen gebeten habe. Es ging um ein Haus in Morcote (TI), das Vincenz nach seinem geplanten Abgang bei Raiffeisen kaufen wollte.
«Staatsanwalt ist voreingenommen»
Spekulationen und falsche Interpretationen
Commtrain-Kauf ausschliesslich im Interesse von Viseca
Bei einem späteren Verkauf wäre der Kaufpreis höher gewesen als die bezahlten sieben Millionen Franken, und Stocker und Vincenz hätten einen höheren Profit erzielt. Mit ihrem Einverständnis zum Kauf hätten sie somit im Interesse von Viseca gehandelt, meint Erni. Das ist starker Tobak für die Staatsanwaltschaft.
Vincenz hat sich passiv verhalten
«Vollumfänglich freizusprechen»
Schon bei der ersten umstrittenen Übernahme des Kartenterminal-Providers Commtrain durch Aduno (heute Viseca) bezichtigt er die Staatsanwaltschaft, sich auf sehr dünnem Eis zu bewegen. Erni bestreitet nicht, dass Vincenz und Beat Stocker sich über die iFinance an Commtrain beteiligt hatten. Damals aber sei eine Übernahme durch Aduno noch kein Thema gewesen.
«Rechtswidrige Beweismittel»
Er prangert die wiederholten Leaks an die Medien an, inklusive gesamte Untersuchungsakten, und bezichtigt Raiffeisen mehr oder weniger offen, dafür verantwortlich zu sein. Damit geht Erni gleich mit Vollgas in die Offensive. Sein Plädoyer ist auf viereinhalb Stunden angesetzt.
Der Auftritt des Staranwalts
Nach Raiffeisen folgt das erste Plädoyer der Verteidigung
Nun folgt Privatklägerin Raiffeisen
Dass Pierin Vincenz als CEO bei Interessenkonflikten in den Ausstand getreten ist, sei auch schon vorgekommen, erzählt der Anwalt. Als Raiffeisen den Skilift in Andiast GR finanziell unter die Arme greifen wollte, nahm Vincenz nicht an der Abstimmung teil. Weshalb? Weil er in seinem Heimatdorf eine Ferienwohnung besitzt und auch an den Bergbahnen via Familie beteiligt ist.
«Pierin Vincenz wusste also, was ein Interessenkonflikt ist», so der Anwalt. Seine Ausrede, die er bei der Befragung vorgebracht hat, er sei halt jung und unerfahren gewesen, seien deshalb nichtig. (Roman Schenkel, CH Media)
Stocker spricht von «Piece of shit», treibt den Kauf aber dennoch voran
Dennoch liess er es als Aduno-Verwaltungsrat zu, dass diese Firma nicht nur übernommen, sondern gar noch vergoldet wurde, kritisiert der Aduno-Anwalt. Der Grund liegt auf der Hand: Beat Stocker hat als geheimer Aktionär von Eurokaution mitprofitiert.
Zwecks Täuschung von Aduno haben Stocker und Locher ohne zu zögern das Aktienbuch von Eurokaution gefälscht. (Roman Schenkel, CH Media)
Schleppender Verlauf - die Angeklagten kämpfen
Stocker und Vincenz sitzen zuvorderst. Sie wollen beim Gericht wohl nicht den Eindruck wecken, die ganze Angelegenheit interessiere sie nicht. Doch ab un zu tippen auch sie auf ihren Laptops herum. (Roman Schenkel, CH Media)
Nun folgen die Privatkläger - sie wollen Geld von Stocker und Vincenz
Nach seinem Plädoyer ist der Anwalt von Raiffeisen an der Reihe. Die beiden Unternehmen haben zusätzlich eine sogenannte Adhäsionsklage eingereicht.
Damit wollen die mutmasslich geschädigten Firmen ihre Geldforderungen direkt in den Strafprozess integrieren. Sie machen Pierin Vincenz und Beat Stocker für einen Schaden von insgesamt rund 25 Millionen Franken verantwortlich. Das Geld wollen sie zurück. (Roman Schenkel, CH Media)
Der Prozess wird bis 13:30 Uhr unterbrochen
Staatsanwaltschaft fordert 6 Jahre Gefängnis
Bei ihren Machenschaften sei die Rolle von Pierin Vincenz zentral gewesen. «Er nutzt seine Machtposition bei Raiffeisen zum eigenen Vorteil aus. Dieses Vergehen wiegt schwer.» Vincenz verfügte über die entsprechende Position und zudem noch über ein Naturell, andere Leute zu überzeugen.
Beat Stocker sei das eigentliche Hirn der Operation gewesen. «Er arbeitete die Pläne aus und führte sie auch aus.» Dabei habe er sein Doppelspiel perfektioniert. Der Staatsanwalt sagt: «Er legte eine erheblich kriminelle Energie an den Tag.»
Schuldmindernde Punkte seien nicht in Sicht. Die Staatsanwaltschaft fordert deshalb je sechs Jahre für Beat Stocker und Pierin Vincenz. Auch bei den anderen Angeklagten Andreas Etter, Stéphane Barbier-Mueller, Ferdinand Locher und Christoph Richterich bleibt die Staatsanwaltschaft beim geforderten Strafmass. Einzig beim schwer erkrankten Peter Wüst sieht die Staatsanwaltschaft von der geforderten Strafe ab. (Roman Schenkel, CH Media)
Aduno-CEO: «Ich kann nicht anders»
Er sei direkt nach der Sitzung auf den Aduno-CEO Martin Huldi zugegangen und gesagt: «Huldi, wie könnt ihr für einen solche Firma einen solchen Preis empfehlen!». Huldi habe sich im Raum umgeschaut und in Richtung Vincenz und Stocker gedeutet: «Ich kann nicht anders.» (Roman Schenkel, CH Media)
Bei der Eurokaution-Transaktion flogen Vincenz und Stocker fast auf
Statt ihre Aktienstellung wie immer diskret und geheim zu behandeln, liessen sie ihr Investmentvehikel ReImagine ins Aktienregister von Eurokaution eintragen. So hätte Aduno sofort auffallen können, wer hinter dieser Beteiligung steckt. Als Beat Stocker dies realisierte, reagierte er sofort: Er erwirkte, dass das Aktienbuch gefälscht und rückdatiert wurde. Dafür seien auch mehrere Verträge rückdatiert worden. (Roman Schenkel, CH Media)
Die Staatsanwälte Oliver Labhart, Thomas Candrian und Marc Jean-Richard-dit-Bressel (von links) in der Verhandlungspause.
Vincenz hat auf beiden Seiten gemischelt
Gleichzeitig spielte Vincenz das Raiffeisen-interne Memo über die Zweifel in Sachen Investnet der Gegenseite zu. Darauf sei dort grosse Nervosität aufgekommen. Hier übernahm dann Beat Stocker das Beschwichtigen: «Take it easy. Pierin kann gut damit umgehen», schrieb er in einem Mail.
Als Team haben Vincenz/Stocker perfekt funktioniert, will der Staatsanwalt dem Gericht klar machen. Ob dieses den Ausführungen der Staatsanwaltschaft Glauben schenkt, lässt es sich nicht anmerken. (Roman Schenkel, CH Media)
Pause bis 10:45
Auch heute nutzen Vincenz und Stocker die Pause für ein kurzes Gespräch. Sie sitzen heute auch quasi Tisch an Tisch.
Telefonabhörung von Vincenz und Stocker
Vincenz hatte offenbar Angst, dass ihn Peter Wüst, den Mitbeteiligten bei Investnet, verraten könnte. «Weisst du, wenn Wüst einen Seich herauslässt, dann haben wir ein Risiko!» Vincenz am Telefon: «Wir müssen uns sauber halten, dann können sie uns nicht knacken.» (Roman Schenkel, CH Media)
Darlehen an Vincenz waren nur «Scheindarlehen»
Für die Staatsanwaltschaft sind die angeblichen Darlehen von Stocker an Vincenz, keine solchen, sondern in Tat und Wahrheit Beteiligungen an den diversen Übernahmetransaktionen. «Das ist ein Leitmotiv, dass auch in anderen Transaktionen zu finden ist», so der Staatsanwalt. Es seien nur «Scheindarlehen». (Roman Schenkel, CH Media)
Vincenz verfolgt das Plädoyer regungslos
Mit Händen und Füssen gegen die Entsiegelung von Notizbüchern und Emails gewehrt
Auch die Aussagen des Genfer Unternehmer Stéphane Barbier-Mueller bekommen Risse. Er hatte sich in der gestrigen Befragung weit von Vincenz und Stocker distanziert, dabei pflegte er mit ihnen einen sehr freundschaftlichen Umgang, wie die Staatsanwalt ausführt.
So schrieb er Briefe an seinen «Freund Pierin», in dem er ihm bei einem Jahreswechsel für die gute Zeit dankt und die guten Deals dankt. «Machen wir im nächsten Jahr mehr!». Auch schenkte er Vincenz eine Uhr im Wert von 38'000 Franken. (Roman Schenkel, CH Media)
Staatsanwalt: «Stocker kam bei der Einvernahme in die Bredouille»
Die Staatsanwaltschaft knüpft sich nun die Schattenbeteiligungen von Beat Stocker und Pierin Vincenz bei der Privatkreditfirma Genève Credit & Leasing (GCL) vor. Der beschuldigte Stocker habe sich da in der Befragung «arg in die Bredouille» gebracht.
Dies, weil sich die Aussagen des Besitzers von GCL, Stéphane Barbier-Mueller, mit denen von Stocker stark widersprachen. «Barbier-Mueller entzog der Verteidigungsstrategie Stockers komplett den Boden», sagt Labhart. (Roman Schenkel, CH Media)
Start in den dritten Verhandlungstag
Geplant ist, dass zuerst die Staatsanwaltschaft ihr unterbrochenes Plädoyer abschliessen wird. Danach folgen die beiden Privatkläger Raiffeisen und Aduno. Läuft alles nach Plan, wird am Ende des heutigen Tages der Verteidiger des Mitbeschuldigten Ferdinand Locher plädieren.
Nachdem gestern die «Tour de Suisse durchs Rotlichtmilieu» und die exorbitanten Spesen der beiden Hauptangeklagten im Fokus standen, geht es heute weiter mit der trockenen Materie. Die Staatsanwaltschaft versucht in ihrem unterbrochenen Plädoyer aufzuzeigen, dass sich Pierin Vincenz und Beat Stocker, arglistig verschworen haben, um ihre Arbeitgeber zu täuschen. (Roman Schenkel, CH Media)
Fazit des zweiten Tags
Am Nachmittag stand der leitende Staatsanwalt Marc Jean-Richard-dit-Bressel im Mittelpunkt. Er schilderte die umstrittenen Transaktionen und kompensierte die zähe Materie mit einem engagierten Votum. Für ihn steht die Arglist als Voraussetzung für gewerbsmässigen Betrug ausser Frage. Es ist eine hohe Hürde. Wer das Gericht mehr überzeugt, wird sich zeigen.
Morgen wird das Plädoyer der Staatsanwaltschaft fortgesetzt. Es dürfte sich nochmals über etwa drei Stunden hinziehen. Danach folgen die Privatklägerinnen mit je eineinhalb Stunden. Die Verteidiger der beiden Hauptangeklagten dürften am Freitag plädieren.
«Spuren verwischen»
Umstrittene Herausgabepflicht
Schmiergeld im Spiel
Die verdeckten Beteiligungen
VR-Präsident «in die Irre geführt»
«Jenseits von Gut und Böse»
Er zerpflückt weiter die Behauptung des Beschuldigten, seine Abrechnung auf Firmenkosten – auch beim zertrümmerten Hotelzimmer in Zürich – sei «ein Versehen» gewesen. Er habe die Begleichung auf Geschäftskosten zumindest in Kauf genommen. Dies gelte auch für die Verrechnung von Anwaltskosten. Nach einer «empfindlichen» Lohnreduktion 2009 habe Vincenz entschieden, sein Vermögen auf Kosten von Raiffeisen zu schonen.
Private Vergnügen im Rotlichtmilieu
Jetzt plädiert die Anklage
Fazit des Vormittags
Nun ist Mittagspause bis 15 Uhr. Das Gericht wird bis dann über die Beweisanträge entscheiden. Falls sie abgelehnt werden, geht es weiter mit dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft.
Hausdurchsuchung gefordert
Die Befragung ist beendet
Die Verteidiger reichen nun weitere Beweisanträge ein, die entlastend für ihre Klienten wirken sollen. Während Vincenz-Anwalt Lorenz Erni einen Präzedenzfall erwähnt, verweist Stockers Verteidiger Andreas Blattmann auf angebliche Ungereimtheiten im Fall GCL.
Die Reise nach Dubai
Er sei davon ausgegangen, als Dank für seine Arbeit von Vincenz eingeladen worden zu sein, sagt Richterich. Dazu habe er sich keine Gedanken gemacht, auch nicht zur Frage, wie die Reise verrechnet werde. Er fühlt sich unschuldig. Wenn er nur den geringsten Zweifel daran gehabt hätte, hätte er den Strafbefehl akzeptiert, betont Richterich.
Maintenant on parle français
Barbier-Mueller hatte im Vorfeld versucht, seine Namen aus den Medien herauszuhalten. Zuletzt verklagte er den Ringier-Verlag auf 600'000 Franken Schadenersatz. Die Vorwürfe gegen ihn bestreitet er «plus que jamais» (mehr denn je). Vincenz sei ihm vor der Übernahme kein Begriff gewesen («er war vor allem in der Deutschschweiz bekannt»), er habe ihn nur einmal getroffen, im August 2011.
In seinem Schlusswort betont Barbier-Mueller, man kenne ihn in Zürich nicht, in Genf aber geniesse er einen ausgezeichneten Ruf und sei bekannt als integre Person. Er sei vollkommen unschuldig und bestehe darauf, von den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft reingewaschen zu werden. Diese fordert für ihn zwei Jahre Gefängnis.
Bestechung beim Thuner Stadion?
Die Vorwürfe drehen sich um mögliche Kommissionen für Vincenz und Stocker. Im Schlusswort betont Stocker, er habe nie die Absicht gehabt, jemanden aktiv zu bestechen. Er sei wegen der Anklage «völlig perplex». Wegen der Anklage sei er aus den Verwaltungsräten von 14 Firmen ausgetreten. Er wolle keiner Firma durch seine Person Schaden zufügen. Er fühle sich unschuldig. Die Staatsanwaltschaft beantragt für Locher 2,5 Jahre Gefängnis.
Jetzt ist Pause bis 10.45, dann findet die Befragung von Stéphane Barbier-Mueller statt.
«Ich habe mich nie bereichert»
Beat Stockers Auftritt zeigte, dass er sich intensiv auf den Prozess vorbereitet und sich in den Aktenberg mit mehr als 500 Bundesordnern eingelesen hat. Er antwortete auf fast alle Fragen, korrigierte das Gericht und streute auch mal einen Spruch ein. Für ihn steht einiges auf den Spiel. Er soll wie Vincenz sechs Jahre ins Gefängnis und 16 Millionen Franken zurückzahlen. Im Fall von Pierin Vincenz sind es «nur» 9 Millionen.
Eine stille Partnerschaft
Stocker wirkt ruhig und souverän
Kleines Zwischenfazit: Beat Stocker hinterlässt bislang einen besseren Eindruck als sein einstiger Kompagnon Pierin Vincenz gestern. Er antwortet ruhig, ist aber selbst in den komplizierten Details äusserst sattelfest und kann die Fragen des Gerichts jederzeit kontern.
Beteiligung an Commtrain
Striplokale als lukrative Kunden
Auf Nachfrage von Referent Rok Bezovsek nach den Gründen für die Besuche in Cabarets und ähnlichen Etablissements betont Stocker, dies seien «lukrative Kunden» von Aduno gewesen. Für die dortigen Besuche habe es immer gute Gründe gegeben.
Beat Stocker wird befragt
Stocker verweist zu Beginn auf sein MS-Leiden, das er seit zehn Jahren habe und sich ständig verschlechtere. Sein einziges Einkommen seit der Festnahme 2018 habe er mit Aktienverkäufen erzielt. Daraus erzielte er «ein paar Millionen.» Aus seiner Beratertätigkeit beziehe er kein Einkommen. Sein Vermögen beziffert er auf rund 30 Millionen Franken, nach Abzug der Schulden.
Das war Tag 1 des Vincenz-Prozesses
«Ich bin unschuldig»
Beat Stockers Darlehen
Die Commtrain-Übernahme
Bewerbung via Tinder?
Die teuren Reisen
Auf Aepplis Frage, ob der VR-Präsident darüber Bescheid wusste, antwortet er ausweichend. Seine heutige Partnerin war ebenfalls in Dubai dabei. Die Belastung ihrer Kosten an Raiffeisen sei «ein Versehen» gewesen.
Wie ist das mit den Spesen?
Vincenz bleibt also bei seiner bisherigen Linie. Er bestätigt die Frage von Aeppli, dass die Besuche in Bars und Striplokalen der Beziehungspflege gedient hätten. Darüber habe er auch mit Verwaltungsratspräsident Johannes Rüegg-Stürm gesprochen. Seine Reisen ins Ausland hätten ebenfalls einen geschäftlichen Hintergrund gehabt, sagt Vincenz. Er habe sich dort mit Bankern und anderen Leuten getroffen.
Jetzt wird Vincenz befragt
Er ist von seiner Ex-Frau Nadja Ceregato geschieden und in einer neuen Beziehung. Sein Wohnsitz sei «etwas flexibel», er pendelt zwischen Graubünden und dem Tessin, ist aber nach wie vor in Teufen (AR) angemeldet. Er bestätigt, hohe Darlehen von Dölf Früh, dem ehemaligen Präsidenten des FC St.Gallen, sowie vom Mitangeklagten Beat Stocker erhalten zu haben. Mit Stocker habe er «sporadisch» Kontakt.
Prozess wird nicht vertagt
Der Prozessbeginn in Kürze
Ende des ersten Teils
Damit ist der erste Teil mit den Vorfragen abgeschlossen. Das Gericht wird die Anträge über Mittag prüfen. Um 16 Uhr wird der Entscheid verkündet. Wenn der Abbruch der Verhandlung abgelehnt wird, was zu erwarten ist, beginnt im Anschluss die Befragung von Pierin Vincenz.
Kein faires Verfahren erhalten
Jetzt ist Pause
Ein weiterer Staranwalt tritt auf
Der Staatsanwalt argumentiert, das Gericht müsse entscheiden, ob die Forderungen in einem Zivilprozess geklärt werden sollten. Der Raiffeisen-Vertreter beantragt Nichteintreten auf den Antrag und betont die Zuständigkeit des Strafgerichts für zivilrechtliche Ansprüche.
Zu krank für den Prozess?
Anwalt Fatih Aslantas argumentiert ebenfalls mit einer ungenügenden Aktenlage und bezieht sich primär auf fehlende Protokolle von Audiofiles aus Telefonüberwachungen. Der Vertreter der Anklage beantragt trotz des «bedauerlichen» Gesundheitszustands von Wüst die Weiterführung des Verfahrens. Das Gericht müsse prüfen, ob der Beschuldigte verhandlungsfähig sein. Der Vertreter der Privatklägerin Raiffeisen schliesst sich dieser Argumentation an.
«Keine vollständige Akteneinsicht»
Lorenz Erni verlangt Abbruch der Verhandlung
Es geht los

Vincenz ist da
Das Medieninteresse ist gross
Warten auf Pierin #Vincenz vor dem Volkshaus. Ist er vielleicht schon drin? pic.twitter.com/bJLl61kyDR
— Peter Blunschi (@PetBlun) January 25, 2022
Wir berichten live
Wer sind die Hauptbeschuldigten?
Ex-Bankchef Pierin Vincenz und sein Geschäftskollege Beat Stocker. Pierin Vincenz war von 1999 bis 2015 als CEO der Raiffeisen-Gruppe tätig. Zudem war er von 1999 bis 2017 Präsident der Kreditkartenfirma Aduno – der heutigen Viseca.
Beat Stocker ist Inhaber einer Beratungsfirma. Vincenz und Stocker lernten sich über die Kreditkartenfirma Aduno kennen, wo Stocker ein Mandat innehatte. Er war von 1999 bis 2015 im Verwaltungsrat tätig, davon zwischen 2006 und 2011 in der Funktion des CEO. Von 2011 bis 2015 fungierte er schliesslich als Vincenz' Berater bei Raiffeisen. Neben Stocker und Vincenz müssen sich fünf Mitbeschuldigte wegen Beihilfe verantworten.
Was wird ihnen vorgeworfen?
Gemäss Staatsanwaltschaft sollen der ehemalige Raiffeisenchef Pierin Vincenz und dessen Geschäftskollege Beat Stocker mit Firmendeals, bei denen sie sich verdeckt beteiligt hatten, sowie Besuchen in Rotlicht-Etablissements auf Geschäftsspesen einen unrechtmässigen Gewinn von insgesamt 25 Millionen Franken eingestrichen haben.
Welche Strafe droht ihnen?
Die Staatsanwaltschaft fordert für die beiden, die vor der Verhandlung zu verschiedenen Zeitpunkten die Vorwürfe zurückgewiesen hatten, eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Fünf Mitbeschuldigte stehen wegen Beihilfe vor dem Gericht.
Einer der Mitbeschuldigten muss seinen Auftritt im Volkshaus jedoch verschieben. Er ist an Corona erkrankt und sitzt in Isolation. Das Gericht hat seine Befragung deshalb erst auf den 9. Februar angesetzt.
Wie lange wird verhandelt?
Die Verhandlung gilt als «Monsterprozess». Dies nicht nur wegen der angehäuften Akten – auch zeitlich wird die Verhandlung, die heute Dienstag startet, den üblichen Rahmen sprengen. Die Plädoyers, welche Staatsanwaltschaft und die involvierten Anwälte angekündigt haben, sind so lang, dass der Richter diese um eine «Verdichtung» ihrer Vorträge – also eine Kürzung – gebeten hat.
Der Prozess rund um den langjährigen Chef der drittgrössten Schweizer Bankengruppe bringt das Zürcher Bezirksgericht auch in gewisse organisatorische Nöte. Die angesetzten Verhandlungstage in dieser Woche von Dienstag bis Freitag sowie am 9. Februar dürften kaum ausreichen. Es werden nun Zusatztermine gesucht, die allen Beschuldigten und Rechtsvertretern passen.
Wo findet die Verhandlung statt?
Zudem gibt es auch gewisse räumliche Einschränkungen. Da das Bezirksgericht angesichts des Publikumsinteresses – es sind mehrere Dutzend Medienvertreterinnen und Medienvertreter angemeldet – zu klein ist, tagt es extern im Volkshaus.
Dort steht am Dienstag und Mittwoch der grosse Theatersaal zur Verfügung. In diesem finden alle angemeldeten Journalistinnen und Journalisten Platz – allen stehen gar Tische zur Verfügung. Am Donnerstag und Freitag, wenn die Plädoyers im Blauen Saal und im Weissen Saal weitergehen werden, werden indes nur 15 beziehungsweise 25 Medienvertreter eingelassen. (saw)
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