Liebe Baslerinnen und Basler
Eines vorneweg, damit es nachher nicht heisst, es sei nicht deklariert gewesen: Mein Vater ist der Chef von TeleBasel, der Vater meines Chefs ist der oberste Chef der «bz Basel», ich bin seit vier Jahren bei watson und zuvor habe ich acht gute Jahre bei der Tamedia verbracht.
Ich bin also in alle Richtungen gleich befangen. Dafür weiss ich, wovon ich euch in diesem offenen Brief berichte.
Item.
Was habt Ihr geflucht über die «Basler Zeitung» seit Christoph Blocher sie 2010 gekauft, seinen Biographen Markus Somm als Chefredaktor und Rolf «Eisenfuss» Bollmann als Verlagsleiter eingesetzt hat. Zu Tausenden habt Ihr die BaZ abbestellt, zu Blochers Unmut noch linker abgestimmt als vorher und dann auch noch Baschi Dürr wiedergewählt. Und weiter geflucht.
Das alles hat seine Wirkung nicht verfehlt. Wollte man mit Chefredaktor Somm oder Verlagschef Bollmann eine Sitzung oder ein Mittagessen abhalten, dann wurde man in letzter Zeit dem Vernehmen nach in Zürich eher als in Basel empfangen. Da wollten sie eigentlich nicht mehr hin. Und Blocher? Der hat all seine politischen Hoffnungen in euch fahren lassen.
Nun kriegt Ihr also mit der Tamedia die nächste Zürcher Verlegerin, beziehungsweise die nächsten drei Zürcher Verleger: Verwaltungsratspräsident Pietro Supino, Ex-CEO und Verwaltungsrat Martin Kall und CEO Christoph Tonini. Die drei haben das behäbige einstige Zürcher Verlagshaus «Tages-Anzeiger für Stadt und Kanton Zürich AG» in den letzten zehn Jahren sehr zielstrebig zum grössten privaten Verlagshaus der Schweiz zusammenakquiriert und -fusioniert. Sie haben im ganzen Land «20 Minuten» verteilt, in Bern haben sie die Espace Media übernommen, in der Westschweiz die Edipresse, in Zürich alle Landzeitungen und im Internet die grossen Immobilien- und Jobportale.
Über die drei könnt Ihr nun fluchen und Baschi Dürr wiederwählen, solange Ihr wollt. Die drei sind gegen Anfeindungen und Lokalbefindlichkeiten weitgehend immun. Sie funktionieren nach rein kaufmännischen Prinzipien, streben zweistellige Umsatzmargen an und erreichen diese auch. Querfinanzierung von Journalismus gibt es nicht, jeder Unternehmensbereich muss für sich rentieren und wenn er das nicht mehr tut, wird er rentabel gemacht.
Das passiert derzeit grad im Bereich gedruckte Publizistik. Die einzelnen Zeitungen wie «Berner Zeitung», der «Tages-Anzeiger» und der «Landbote» haben keine eigenständigen Vollredaktionen mit Ausland-, Inland-, Kultur-, Sport-, Wirtschafts- und Lokalressort mehr. Das rentiert nicht. Der Mantelteil, also alles, was thematisch nicht lokal ist, wird seit Anfang Jahr von der «Redaktion Tamedia» zentral aus Zürich und Bern geliefert.
Wie «Berner Zeitung» und «Bund» in Bern oder der «Landbote» in Winterthur wird auch die BaZ einen Lokal-Ressortleiter mit Titel «Chefredaktor» kriegen, aber der ist für die Galerie. Die redaktionelle Linie für das goldene Dreieck Basel-Bern-Zürich gibt Supra-Chefredaktor Arthur Rutishauser durch, fürs Tagesgeschäft ist Blattmacher-Chef Iwan Städler verantwortlich.
Das ist die gute Nachricht. Rutishauser und Städler sind preisgekrönte Vollblut-Journalisten, der eine hat die Swissair-Konzernleitung weggeschrieben, der andere Christoph Mörgeli. Die beiden interessiert weniger, ob Linke oder Rechte sie gut oder schlecht finden. Die beiden interessiert, wie sie möglichst wichtige Leute möglichst hässig machen können.
Die schlechte Nachricht: Das bringt euch in Basel nichts. Den Inlandteil machen bei der Tamedia-Redaktion Bündner in Zürich und Bern. Der Auslandteil wird hauptsächlich von der «Süddeutschen Zeitung» angeliefert, die Wirtschaftsberichterstattung konzentriert sich auf den Zürcher Banken- und den Berner Industrieplatz und im Sportteil interessiert hauptsächlich, ob der SCB oder der ZSC Meister werden. Und allenfalls noch, ob Vogel oder Bickel in die Kiste kommt.
Das ist zwar journalistisch alles solid, erkenntnisstiftend und unterhaltsam. Bloss: Es hat mit euch nicht viel zu tun. Kollektiv-Liebe für einen Fussballclub? Lokalpatriotismus in einem geteilten Halbkanton? Gleichzeitige mediterrane Offenheit in der Grenzstadt? Dafür fehlt den zentralen Schaltstellen der Tamedia-Redaktion die Sensibilität mindestens so sehr wie den Vorbesitzern. Kommt hinzu: Markus Somm bleibt als Autor bei Tamedia, er wird also weiterhin in eurer Zeitung erscheinen!
Deshalb rate ich euch: Haltet euch an watson, die «bz Basel» und Tele Basel ;)
Lieber Gruss
Maurice Thiriet