Nun soll Frenkie de Jong also aus seinem Vertrag geklagt werden. Das berichtete «The Athletic» am Montag. Im Oktober 2020 verlängerte Barcelona unter der Führung von Ex-Präsident Josep Bartomeu den Vertrag des Niederländers bis 2026. Gemäss Joan Laporta, dem aktuellen Präsidenten, ging damals nicht alles mit rechten Dingen zu. Man könne kriminelle Handlungen beweisen, hiess es demnach von den Verantwortlichen des Klubs.
Laporta wolle den aktuellen Vertrag deshalb nun annullieren und zu jenem zurückkehren, auf den sich Spieler und Verein 2019 nach dessen Wechsel von Ajax Amsterdam geeinigt hatten. Denn Barcelona muss dringend sparen. Ansonsten können die Finanzregeln der spanischen Liga nicht eingehalten und Neuzugänge wie Robert Lewandowski nicht registriert werden. Wenige Tage vor dem Saisonstart am 13. August gegen Rayo Vallecano ist bei den Katalanen weiterhin unklar, wer überhaupt spielberechtigt sein wird.
Vor dem drohenden Rechtsstreit sollte de Jong Barcelona eigentlich verlassen. Ein Angebot von Manchester United wurde vom Klub angeblich bereits angenommen, doch der Mittelfeldspieler wollte nicht wechseln. Deshalb soll er jetzt auf Gehalt verzichten.
Das Problem ist aber: Barcelona schuldet dem 25-Jährigen noch 19 Millionen Euro an ausstehenden Gehältern. Und de Jong ist nicht der Einzige, der noch auf Teile seines Lohns wartet. Selbst bei Lionel Messi, der mittlerweile bei PSG spielt, stehen noch Zahlungen aus.
Als Messi im August 2021 unter Tränen seinen Abschied verkündete, wurde das Ausmass der finanziellen Sorgen des Klubs erstmals offengelegt. Die Schulden betrugen über 1,35 Milliarden Euro, wie Laporta bekannt gab. Der Vorstandsvorsitzende Ferran Reverter sagte gar: «Eigentlich sind wir pleite. Wären wir eine Aktiengesellschaft, würden wir aufgelöst.»
Um zu verstehen, wie es dazu kommen konnte, muss man in die erste Amtszeit von Laporta als FCB-Präsident zurückdenken. Als der Katalane den Klub 2003 übernahm, war er finanziell ebenfalls gebeutelt. Die Verluste waren doppelt so hoch wie die Einnahmen – aber in einem viel kleineren Rahmen als heute. Doch Laporta hatte eine Strategie. Den sogenannten «Virtuous Cycle», wie die «New York Times» schreibt.
Trotz Schulden wurde weiter Geld ins Team investiert, da dies zu Erfolg und damit zu grösseren Umsätzen führen würde. Dadurch sollte wiederum die finanzielle Situation des Klubs verbessert werden können. In den ersten beiden Jahren gab Barça über 140 Millionen Euro aus. Dafür kamen Spieler wie Ronaldinho, Samuel Eto'o oder Deco – und mit ihnen der Erfolg.
Bis Laportas Zeit als Präsident 2010 endete, gewann die «Blaugrana» vier nationale Titel sowie zweimal die Champions League. Seine Strategie funktionierte. Doch mit den Erfolgen stiegen auch die Gehaltsvorstellungen der Spieler. Gegenüber «The Athletic» sagte ein früheres Vorstandsmitglied des Klubs: «Selbst in den Jahren, als unsere Einnahmen die Milliardengrenze überstiegen, beschränkte sich unser Gewinn auf ‹Peanuts›.»
Wer die Gehaltskosten der Katalanen mit anderen Topklubs vergleicht, wundert sich nicht über diese Aussage. Im Jahr 2019 überstiegen die Ausgaben bei Barcelona jene von Manchester United – dem Zweitplatzierten in dieser Liste – um 33 Prozent. Alleine Lionel Messi soll über vier Jahre über 550 Millionen Euro verdient haben.
All das führte dazu, dass nun Schulden abgebaut werden müssen. Die Covid-Pandemie sorgte für zusätzliche Einbussen. Deshalb verkaufte der Klub zuletzt Anteile an Tochter-Unternehmen (Barcelona Studios), den Stadionnamen (Spotify) sowie Teile von TV-Rechten. Laporta sagt, dass er diese Entscheidungen lieber nicht getroffen hätte. Denn auf eine Weise verkauft er so die Zukunft für die Gegenwart. Doch er habe keine andere Wahl gehabt.
«Entweder er macht es so oder der Verein wird nicht um Titel spielen können und in der Irrelevanz verschwinden», sagte das oben erwähnte ehemalige Vorstandsmitglied. So versucht es Laporta erneut mit der Strategie des «Virtuous Cycle» und investiert weiter Geld – und geht damit ein grosses Risiko ein.
Ein Risiko, das sich sein Vorgänger gemäss der «New York Times» wohl nicht hätte erlauben können. «Hätte Bartomeu dasselbe getan wie nun Laporta, hätten wir ihn alle entlassen wollen», sagt ein Klubmitglied, das geholfen hat, die vorherige Vereinsführung zu stürzen. Laporta geniesse breite Unterstützung. «Er ist wie der Papst, wie Kim Jong Un: der oberste Führer.»
Seit Laporta im März 2021 erneut zum Präsidenten des FCB gewählt wurde, brachte er Freunde, ehemalige Geschäftspartner und gar Familienmitglieder in wichtige Positionen des Klubs. Der 60-Jährige begründet dies so: «Ich brauche Leute, denen ich vertraue.» Sein Kreis wird aber immer kleiner. Eine von ihm eingestellte Führungskraft trat wenige Monate später zurück, woraufhin Laporta dessen Aufgaben übernahm.
Dieser geht weiter unbeirrt seinen Weg, der zwischen 2003 und 2010 so erfolgreich war. Doch anders als damals bereitet dem Klub nun auch noch eine Gehaltsobergrenze seitens der spanischen Liga Probleme. Diese richtet sich an den Einnahmen und Ausgaben der vorherigen Jahre. Weil Barça die vorgeschriebene Summe noch überschreitet, konnte noch kein einziger der neuen Spieler registriert werden. Zu diesen zählt übrigens auch Ousmane Dembélé, weil dessen Vertrag erst verlängert wurde, nachdem der alte abgelaufen war.
Deshalb sollen wieder einmal Spieler wie Gerard Piqué dabei helfen. Der spanische Innenverteidiger akzeptierte bereits mehrfach Gehaltsaufschübe. Barcelona solle dem 35-Jährigen 52 Millionen Euro schulden, ein erneuter Aufschub könnte dem Klub grosse Abhilfe schaffen. Ähnlich könnte auch bei Jordi Alba oder Sergio Busquets verfahren werden, wie die katalanische «Ara» berichtet.
So könnte Barcelona die Gehaltsobergrenze doch noch rechtzeitig einhalten. Javier Tebas, Präsident der spanischen Liga, sagte bereits vor einigen Tagen: «Barça ist auf dem richtigen Weg, um die Zugänge zu registrieren.» Es seien aber noch einige Details zu klären.
Dazu solle auch ein vierter «wirtschaftlicher Hebel» gehören. Wie «The Athletic» berichtete, habe die Liga den Klub in dieser Woche informiert, dass noch mehr Geld benötigt werde. So dürfte Barcelona weitere Anteile an den Barcelona Studios verkaufen. Danach würden gemäss «Relevo» noch immer rund 13 Millionen Euro fehlen. Dies könnte durch die Gehaltsaufschübe bei Piqué und eventuell Busquets behoben werden.
Während bei den Gehältern gespart werden muss, nimmt der Klub an anderer Stelle erneut einen Kredit auf. 1,5 Milliarden Euro stellt Goldman Sachs dem FC Barcelona für den Umbau des Stadions und seiner Umgebung zur Verfügung.
🏟 Official design of the new (future) Camp Nou. #FCB pic.twitter.com/vpR8ooKYwq
— Reshad Rahman ✆ (@ReshadRahman_) October 18, 2021
Und auf dem Transfermarkt sieht Zurückhaltung auch anders aus. 153 Millionen Euro gaben die Katalanen für Lewandowski, Raphinha und Jules Koundé aus. Zudem verpflichteten sie Franck Kessié und Andreas Christensen ablösefrei. Das sorgte bei Julian Nagelsmann für Unverständnis. Der Bayern-Trainer stichelte: «Es ist der einzige Klub in der Welt, der kein Geld hat, aber jeden Spieler kauft, den er will. Es ist irgendwie komisch, irgendwie verrückt.»
Und auch Leeds zeigte sich bei den Verhandlungen um Raphinha skeptisch. Weil der Premier-League-Klub unsicher war, ob Barça die Ablösesumme von 58 Millionen Euro bezahlen könnte, baute es eine Strafe von 10 Millionen Euro ein, sollten die Katalanen das Geld nicht rechtzeitig überweisen.
Dennoch arbeitet der Klub weiter an Transfers, wie jenem von Manchester Citys Bernardo Silva. Der «Virtuous Cycle» – auf Deutsch auch «positiver Kreislauf» – geht also weiter. Und damit die Gefahr, noch grössere Schulden anzuhäufen. Aber Laporta sieht das alles ein bisschen anders: «Ich bin kein Zocker, ich gehe nur kalkulierte Risiken ein», erklärt er. Bleibt zu hoffen, dass sich der Barça-Präsident dabei nicht verkalkuliert hat.