Mit einem simplen «Hitting balls around a table :)» stellt sich Alex Ursenbacher auf Twitter vor. Als einer, der bloss ein paar Bälle über den Tisch spediert.
Alexander Ursenbacher sails into English Open semi-finals https://t.co/1JnEVR1jGm pic.twitter.com/FQ2Q1KlAtV
— TOGB Snooker (@TOGB_snooker) 20. Oktober 2017
In den vergangenen Tagen machte der 21 Jahre junge Snooker-Profi das so erfolgreich wie noch nie zuvor in seiner Karriere. An den English Open in Barnsley war für ihn erst im Halbfinal Schluss. In der Weltrangliste verbesserte sich «Little Arnie», der einzige Schweizer Snooker-Profi, dadurch um 16 Ränge. Er tauchte heute neu auf Platz 75 auf.
«Was der 21-jährige Schweizer da leistet, ist einfach nur der Wahnsinn», gerät Rolf Kalb ins Schwärmen. Die Snooker-Stimme von Eurosport ist die grosse Instanz im deutschsprachigen Raum. Kalb weiter über Ursenbacher: «Er ist ja nicht unter die letzten vier gekommen, weil sich die Dinge einfach glücklich entwickelt haben. Er hat das vielmehr durch überragende Leistungen geschafft.»
Es ist Ursenbachers zweiter Anlauf bei den Profis. Schon zwischen 2013 und 2015 versuchte er, auf der Main Tour Fuss zu fassen. «Da habe ich in zwei Jahren vier Spiele gewonnen», schmunzelt er heute über diese schwierige Zeit. «Ich habe zwar viel gelernt damals, aber ich habe bloss noch versucht, nicht zu null zu verlieren.» Wegen schlechter Resultate musste er sich nochmals bei den Amateuren beweisen. Er nutzte die Chance, wurde unter anderem U21-Europameister und U21-Vizeweltmeister, und er qualifizierte sich in diesem Frühling wieder für die Main Tour.
Ohne Übertreibung: Mit einer Weltklasse-Leistung zieht der Schweizer Alex Ursenbacher ins Halbfinale der #EnglishOpen ein. #147sf pic.twitter.com/OMkOVmvBCw
— Not Rolf Kalb (@PseudoRolf) 20. Oktober 2017
«Als ich das erste Mal auf der Tour war, habe ich nur an Sieg und Niederlage gedacht, an Gewinnen und Verlieren. Nun geniesse ich das Spiel viel mehr», sagte Ursenbacher bereits im August. Ausserdem hätten ihn seine guten Resultate dazu gebracht, noch mehr an sich und die eigenen Stärken zu glauben. Eine Positivspirale, wenn man so will.
Diese Lockerheit hat sich nun ein erstes Mal ausgezahlt. An den English Open sorgte Alex Ursenbacher aus Riehen, der das Snooker-Spiel in Basel kennen und lieben gelernt hat, erstmals für ganz grosse Schlagzeilen. Er warf der Reihe nach Anthony Hamilton, Gerard Greene und Stuart Carrington aus dem Turnier – um sich dann im Achtelfinal gegen den grossen Shaun Murphy durchzusetzen. Mit 4:1 Frames schlug das Schweizer Talent den Weltmeister des Jahres 2005.
«Shaun Murphy zu schlagen war ein echter Knaller, das hätte ich selber nicht erwartet», gestand Ursenbacher. «Ich glaubte eher, dass ich eine Abreibung erhalten würde. Aber ich zog mein Ding durch und es ging auf. Ich habe nicht erwartet, bis in die Halbfinals zu kommen.»
Halbfinal? Ja. Denn dem Erfolg über Murphy liess Ursenbacher danach einen furiosen 5:0-Sieg über Michael White folgen, ehe im Halbfinal der Engländer Kyren Wilson (3:6) zu stark war. Dieser unterlag anschliessend im Final deutlich der Snooker-Ikone Ronnie O'Sullivan.
«Ich bin beeindruckt von Alex», meinte sein Bezwinger Wilson, «ich denke, dass eine grosse Zukunft vor ihm liegt, wenn er so weitermachen kann.» Auch O'Sullivan verteilte Komplimente an die Adresse Ursenbachers, in mehreren Tweets äusserte er sich geradezu begeistert. «Love this Swiss guy», outete sich «Rocket-Ronnie», dieser tue dem Sport gut. Ursenbacher habe eine gute Einstellung und spiele schnörkellos, urteilte der fünffache Weltmeister O'Sullivan, so wie es einem Profi gut anstehe.
In den 80er- und 90er-Jahren befand sich die Sport-Schweiz schon einmal im Banne einer Kugel: Dank dem starken Thurgauer Werner Günthör waren wir eine stolze «Kugelstoss-Nation». Alex Ursenbachers Arbeitsgeräte werden zwar Bälle genannt und nicht Kugeln. Aber kann auch er mit seiner Randsportart einmal ein ganzes Land begeistern? Snooker wird schliesslich sehr oft auf Eurosport gezeigt, die Spiele der Stars werden auch hierzulande stundenlang live übertragen.
«Ich spiele zuallererst für mich selber und denke erst in zweiter Linie daran, dass ich auch für die Schweiz spiele», gibt Ursenbacher zu. «Aber natürlich bin ich glücklich darüber, wenn ich dabei helfen kann, dass Snooker in der Heimat bekannter wird.»
Ursenbachers neue Lockerheit ist auch dem TV-Experten Rolf Kalb aufgefallen. «Auch wenn er unter Druck geriet, vielleicht sogar hinten lag, hat er das Richtige gemacht: einfach auf sich vertraut und sich auf den nächsten Ball und den nächsten Frame konzentriert», beobachtete er in Barnsley.
Dass Alex Ursenbacher nun ab sofort regelmässig für Furore sorgt, damit rechnet Kalb indes noch nicht. «Wir dürfen ihn jetzt nicht mit Erwartungen überfrachten. Wir sollten es genauso machen, wie auch er es machen sollte: Den Erfolg, den er jetzt hat, geniessen und Spass daran haben.» Aber die Schweizer Sportfans hätten bestimmt nichts dagegen, wenn bei den Snooker-Übertragungen zwischen den vielen Briten und Chinesen ab und zu auch wieder ihr Landsmann zu bestaunen wäre.