Der durchschnittliche Schweizer Fussballfan weiss viel über Real Madrid und Barcelona und noch mehr über Bayern München, aber fast nichts über Atlético Madrid. Der Champions-League-Halbfinal-Gegner der Bayern hat einen komischen Trikot-Sponsor, so viel haben die User von watson schon gelernt. Hier sind neun weitere Geschichten, mit denen du beim heutigen Halbfinal-Hinspiel deine Freunde beeindrucken können.
Jesús Gil y Gil schwang das Zepter bei Atlético Madrid von 1987 bis 2003 und hielt bis zu seinem Tod im Jahr 2004 die Aktienmehrheit. Unter seinem Regime gewann der Klub 1996 das Double, stieg aber vier Jahre später mit massiven finanziellen Problemen nach 66 Jahren Erstklassigkeit in die zweite Liga ab.
Der Bürgermeister von Marbella war mit seinen Eskapaden immer für eine Schlagzeile gut. Knapp 90 Mal stand er im Laufe seines Lebens vor Gericht, meistens als Angeklagter. Er wurde auch mehrmals verurteilt, unter anderem zu dreieinhalb Jahren Gefängnis wegen Veruntreuung. Dorthin musste der Exzentriker allerdings nie, dafür sorgte seine Rechtsabteilung. Trotzdem hatte er nicht viele Worte für ihre Arbeit übrig: «Wie viele Verfahren gegen mich laufen, ist mir scheissegal, darum kümmern sich meine Anwälte.»
Gil, dessen Nachname auf Spanisch übrigens «Idiot» bedeutet, wurde einst auch ein Faible für exklusive Spielzeuge nachgesagt. Geschätzte 245 Millionen Franken soll er 1998 investiert haben, um sich einen ausrangierten Flugzeugträger der argentinischen Marine unter den Nagel zu reissen. Auf die Frage, warum er das getan habe, soll er trocken geantwortet haben: «Ich hatte noch keinen.»
Die Geschichte mit dem Flugzeugträger hört sich fantastisch an und wird immer wieder so erzählt. Allerdings ist sie nicht ganz wahr. Gil y Gil interessierte sich 1998 zwar tatsächlich für den argentinischen Flugzeugträger «25 de Mayo», konnte diesen aber nicht kaufen. Im Kaufvertrag des damaligen Besitzers Juan Kussrow besagte Artikel 15, dass das Schiff nur zur Verschrottung verkauft werden könne. Kussrows Firma Argocean verneinte zu besagtem Zeitpunkt gegenüber La Nacion auch, dass man mit Gil in Kontakt stehe. Der Flugzeugträger – oder was bis dahin noch davon übrig blieb – wurde im Jahr 2000 im indischen Alang verschrottet.
Wahr ist dafür diese Story: Umgerechnet 50'000 Franken legte Gil für ein «Eile mit Weile»-Spiel auf den Tisch. Für ein komplett vergoldetes, wie es sich für einen Sonnenkönig gehört.
Abel Resino blieb während der Saison 1990/91 im Kasten der «Rojiblancos» während 1275 Minuten ohne Gegentor. Das sind mehr als 14 Spiele. Erst der heutige Barça-Trainer Luis Enrique, der damals noch für Sporting Gijón stürmte, beendete seine Serie. Mit dem ungebrochenen Rekord steht Resino bis heute in den spanischen Geschichtsbüchern. Der Mann, den sie in Spanien nur die «Katze» nannten, absolvierte zwei Länderspiele und übernahm 2009 für acht Monate den Trainerjob bei Atlético.
Das Rotlicht-Etablissement «D’Angelo Palace» in Alicante hatte 2014 vor der Titel-Finalissima zwischen Atlético und Barcelona mit einer ungewöhnlichen Werbeaktion für Furore gesorgt: «Alle Prostituierten sind gratis, wenn Atlético Madrid den Titel gewinnt. Getränke sind während des Spiels umsonst.» Na dann Prost und ... Lassen wir das.
Stadtrivale Real wird die «Königlichen» genannt, Atlético «Los Colchoneros» – die Matratzenmacher. Der Grund: Nach dem Bürgerkrieg (1936 – 1939) schlief das halbe Land auf armseligen und unbequemen Matratzen, welche rot-weiss gestreift waren – genau wie die Atlético-Trikots.
1903 bildeten einige befreundete Kicker aus Bilbao und Madrid eine Fussball-Mannschaft und nannten sich «Athletic Club». Obwohl es noch keine Liga gab, galt das Team als sehr stark und war inoffizieller Meister seiner Region.
Als sich der Athletic Club bei der zweiten Austragung der Copa del Rey für den Final gegen den Vorgänger von Real Madrid qualifizierte, wurden kurzerhand nur Spieler aus Bilbao eingesetzt. Die Madrilenen durften nur zusehen, wie ihre Kollegen den Pokal gewannen. Sie waren stinksauer und spalteten sich zwei Wochen später ab.
Der erste Jahresbeitrag für den neuformierten «Athletic Club de Madrid» betrug zweieinhalb Peseten. Heute sind es 45 Euro, dafür gibt es einen Eintritt pro Saison gratis dazu.
Die Mitglieder unterstützen ihre Mannschaft im Estadio Vicente Calderón, benannt nach einem ehemaligen Präsidenten. Es bietet Platz für 54'851 Fans, wird aber ab 2016 im Hinblick auf die Olympiakandidatur Madrid 2020 umgebaut. Dann muss Atlético in die Leichtathletik-Arena Estadio de La Peineta ausweichen.
Atlético qualifizierte sich 2014 dank eines 3:1-Exploits im Rückspiel bei Chelsea erstmals für den Champions-League-Final. Trainer Diego Simeone haute danach an der Pressekonferenz mächtig auf den Putz. Er formte eine grosse Schale mit seinen Händen und sprach in die Kameras: «Ich danke den Müttern meiner Spieler, weil sie ihre Söhne mit so grossen Eiern geboren haben.»
Im Weltpokal trafen zwischen 1960 und 2004 der Gewinner des europäischen und des südamerikanischen Meisterwettbewerbs aufeinander. 1974 liess Atlético den Argentiniern von Independiente keinen Stich. Die Spanier bezwangen den Sieger der Copa Libertadores auswärts mit 1:0 und schickten sie im Rückspiel mit 2:0 vom Platz.
Kurios: Die Trophäe hätte eigentlich gar nie nach Madrid wandern dürfen, denn Atlético hatte den Pokal der Landesmeister ja zuvor gar nicht gewonnen. Die Bayern unter Udo Lattek hatten die Madrilenen mit einem Gesamtskore von 5:1 abgefertigt und verzichteten danach wegen der Reisestrapazen freiwillig auf den Weltpokal.
Bei Atlético hat man es in Sachen Finanzen noch nie sehr genau genommen. Nach dem Abstieg 1996 zahlte der Klub zwei Jahre einfach keine Steuern und sparte so umgerechnet etwa 55 Millionen Franken, die in den Wiederaufstieg investiert wurden.
Zwischen 2002 und 2011 warfen die Madrilenen in Sachen Ablösesummen regelrecht mit Geld um sich. Gesamthaft liessen sie sich ihre Transfers in diesen Jahren rund 200 Millionen Franken kosten, obwohl das Geld eigentlich nicht vorhanden war. Für den damaligen Superstar Radamel Falcao wurden beispielsweise knapp 50 Millionen fällig. Immerhin diese Investition hat sich später gelohnt. Nach zwei Jahren machte Atlético beim Weiterverkauf an die AS Monaco noch Gewinn.
Insgesamt war der Schuldenberg bei verschiedenen Gläubigern bis 2011 auf 630 Millionen Franken angestiegen, 210 Millionen davon beim spanischen Fiskus. Die Regierung blieb dem Verein trotzdem milde gestimmt und gestattete ihm den Schuldenberg mit Raten von 18 Millionen im Jahr und zu günstigen 4,5 Prozent Zinsen abzutragen. Seither stabilisiert sich die finanzielle Lage, aber sie ist noch längst nicht wieder im grünen Bereich.