Zwei Mal treffen die grossen Stars der Szene aufeinander, zwei Mal Aussenseiter: Das ist die Ausgangslage vor den heutigen Viertelfinals der Darts-WM im Alexandra Palace in London. Was Gelegenheitsfans am meisten interessieren dürfte: Phil Taylor steht in der Runde der letzten Acht. Und «The Power» sagt, er beginne nun daran zu glauben, dass er tatsächlich noch einmal und zum 17. Mal Weltmeister werden könne. Dazu etwas weiter unten im Artikel mehr.
Der grüne Gigant wankte. Aber er fiel nicht. Michael van Gerwen zeigte in seinem Achtelfinal gegen Gerwyn Price Schwächen, die man sich von ihm nicht gewohnt ist. Dennoch setzte sich die Weltnummer 1 letztlich mit 4:2 Sätzen durch. Aber «Mighty Mike» weiss: Noch so eine durchzogene Leistung – und die WM ist für ihn gelaufen. Denn im Viertelfinal wartet nun Raymond van Barneveld, sein routinierter Landsmann. Einer, der wie kaum ein anderer die Qualität hat, wie ein Hai zuzubeissen, wenn sich ihm die Gelegenheit dafür bietet.
«Ich habe nicht gut gespielt, so einfach ist das», erklärte van Gerwen nach dem mühsamen Sieg. «Ich erreichte nicht 100 Prozent und machte mir das Leben damit selber schwer.» Bitter für die Konkurrenz, wenn sie wie der an Nummer 16 gesetzte Gerwyn Price am eigenen Limit spielt – oder gar über sich hinaus wächst – und trotzdem keinen Stich hat gegen Michael van Gerwen.
Nun wartet also Raymond van Barneveld, der nach Vincent van der Voort einen weiteren Landsmann eliminieren will. Auch «Barney» erreichte dabei, wie er es formulierte, «nicht mein A-Spiel». Dass er dennoch einen Average von 101 Punkten erzielen konnte und er damit auch in der dritten Partie über 100 Punkten blieb, stellte ihn jedoch zufrieden.
Das beeindruckt einen Michael van Gerwen natürlich nicht gross, der dominierende Darts-Spieler der Gegenwart ist von seiner eigenen Stärke nach wie vor überzeugt. «Ich muss gegen Raymond besser spielen und ich bin mir sicher, dass ich besser spielen kann.» In Richtung des Gegners stichelte van Gerwen: «Raymond spielte nicht sein A-Spiel? Ich sah ihn noch nie einen 115er-Schnitt werfen. 101 ist in etwa das, was er kann. Er ist ein sehr guter Darts-Spieler, kann sehr gut finishen und mit einem 101er-Schnitt kann er jeden Spieler schlagen. Aber er sollte nicht an 115 denken – und so habe ich ihn im Vorjahr besiegt.»
Die WM ist in diesem Jahr ein Turnier des grossen Favoritensterbens. Aus den Top Ten der Setzliste scheiterten noch vor den Viertelfinals gleich sechs Spieler: Peter Wright (2), Daryl Gurney (4), Mensur Suljovic (5), Adrian Lewis (7), Dave Chisnall (8) und Simon Whitlock (10). Ein Zeichen, dass die zweite Garde aufgeholt hat und dass die Stars der Szene in jedem Spiel an ihre Grenzen müssen, wenn sie weiterkommen wollen.
Der Sieger des niederländischen Duells wird es im Halbfinal mit jenem der Partie zwischen Dimitri Van den Bergh und Rob Cross zu tun bekommen. Amtierender Juniorenweltmeister ist der 23-jährige Belgier Van den Bergh, Aufsteiger des Jahres sein englischer Gegner. Zwei für die Zukunft – oder holt einer schon in der Gegenwart zum grossen Streich aus?
Phil «The Power» Taylor wird mit 16 Weltmeistertiteln noch für lange Zeit der Rekord-Mann bleiben, womöglich für alle Zeiten. Den 17. Titel verpasste die Ikone ihres Sports bei den vergangenen vier Anläufen. Ihn zu gewinnen, ist Taylors allerletztes Ziel. Nach dieser WM zieht sich der 57-Jährige aus Stoke-on-Trent vom Profisport zurück. In den Viertelfinals könnte deshalb der Schotte Gary Anderson zu dem Mann werden, der die glorreiche Karriere Taylors beendet.
⚡️⚡️THE POWER ⚡️⚡️Entrances are getting louder & @JohnMcDonald_MC is going through the full repertoire - how many more are left? #LoveTheDarts #WHDarts **Warning Flashing Images** pic.twitter.com/LzEGrBKqse
— Sky Sports Darts (@SkySportsDarts) 28. Dezember 2017
«The Flying Scotsman» wurde zuletzt Vize-Weltmeister, nachdem er 2015 und 2016 den Titel geholt hatte. Doch Taylor legte gestern im Achtelfinal seine bislang klar stärkste Leistung hin und zeigte, dass er auch kurz vor dem Ruhestand immer noch zu allem in der Lage ist.
THE PHIL TAYLOR FAIRYTALE CONTINUES
— PDC Darts (@OfficialPDC) 28. Dezember 2017
The Power knocks out Keegan Brown and is in yet another World Championship Quarter final#WHdarts #LoveTheDarts pic.twitter.com/0MIohrZ09I
Besonders die Doppelquote von 63 Prozent beeindruckte und ist Zeugnis davon, dass Taylor die vielleicht wichtigste Fähigkeit eines Champions nach wie vor besitzt: Dann bereit zu sein, wenn es zählt. So wie Roger Federer in seinen besten Zeiten oft ein Ass servierte, wenn ein Match auf Messers Schneide war. Darts ist (auch) ein Kopf-Sport und wenn Taylor sagt, dass er nun beginne daran zu glauben, tatsächlich nochmals Weltmeister zu werden, müssen bei den Gegnern sämtliche Alarmglocken schrillen.
Der vierte und letzte Halbfinalist wird zwischen Darren Webster und Jamie Lewis ermittelt. Lewis hatte für eine der grössten Überraschungen des Turniers gesorgt, indem er in der 2. Runde mit einer furiosen Leistung Peter Wright schlug, die Nummer 2 der Welt. Webster seinerseits sorgte mit einem deutlichen Sieg über Simon Whitlock für Aufsehen.